Donnerstag, 10. Oktober 2024

Lektürentagebuch 9.10.24

Lektürentagebuch 9.10.24

Der langweilige Kranke hat den
Leserinnen wenig neues von der
Lektürefront zu berichten außer
Es sind noch die beiden gleichen

Thomas Manns Zauberberg wie
Franz Hessels Reportage aus Paris
Beide verzaubern mich noch ganz
Wenn auch auf unterschiedliche Art

Warum meine Eindrücke bei der
Lektüre gerade wichtiger sind als
Zu erzählen was dabei geschah
Was die Geschichten mit mir taten

Hessel durch seinen so liebevollen
Blick auf eine Stadt die ich kenne
Die mit der Liebe verbunden ist auch
Für mich auf ganz seltsame Art dabei

Er durchquert Paris allein als
Flaneur und Beobachter besucht
Gelegentlich alte Freunde oder
Trifft frühere Geliebte zufällig nur

Wieviel offener und freier ist damit
Sein Blick als es meiner dort je war
Immer an der Seite wunderschöner
Frauen die dies von sich wussten

Gefühlvoll fand ich sie natürlich
Wenn gemeinsam dem Bett erst
Entstiegen konkurrenzlos schön
Im Rausch der Hormone geblendet

Habe die Pariserinnen darum eher
Griesgrämig zu sehr geschminkt
Ewig gehetzt und nie der Rede wert
Gefunden statt sie zu beobachten

Die Wertung war bedeutend zur
Abgrenzung der Musen bei mir
Sowohl ihret als auch meinetwegen
Ganz zweifellos zu bleiben was

Das Leben in Gegenwart schöner
Damen immer angenehmer macht
Sich vieles erspart was doch nie
Der Mühe sonst wert auch wäre

Drei davon waren Pariserinnen wie
Sicher bildschön und flanierten selbst
Auf Laufstegen für Chanel damals
Was kein intellektueller Ausweis war

Doch waren alle Damen deren Nähe
Der Flaneur in Paris genoss sowohl
Intelligent wie gebildet und dazu noch
Wunderschön zumindest für mich

Neige ein wenig dazu wohl das
Erbe meines seligen Vaters für die
Damen in meiner Gegenwart gerne
Besonders begeistert zu schwärmen

Was den Blick auf alle anderen trübt
Geschuldet den schlechten Augen
Auch so ein Erbe von obigem wirkt
Der eigene Blick gelegentlich starr

Es gab also genug Gründe in der
Gegenwart meiner Grazien lieber
Keine anderen schön zu finden
Was meiner Natur eher fern liegt

Dennoch fehlen mir die einsamen
Spaziergänge durch Paris wie die
Blicke im Café voll liebevoller und
Bewundernder Neugier irgendwie

Sie darum nun mit Franz Hessel
Zu einer wunderbaren Zeit dazu
Erleben zu dürfen ist Glück genug
Muss nichts mehr dort nachholen

Könnte sogar sollte es sich irgend
Zufällig ergeben in Begleitung dort
Spazieren ohne Sorge noch etwas
Verpasst zu haben was ich doch las

Was mich zumindest darin bestätigt
Wie überflüssig gute Lektüre doch
Alles Reisen macht was viel eher
Für Analphabeten nötig nur scheint


Auf dem Zauberberg in aller Ruhe
Vom Sterben und dem Erlebnis des
Todes für den jungen Hans Castorp
Gelesen beim Tod des Großvaters

Damit also im Haus in Hamburg
Nicht in Davos am Zauberberg
Dennoch im so vielfältigen wie
Schönen Zauberberg vertieft

Dieser war nun schon der dritte
Seiner nahen Verwandten den er
Als Kind gerührt aber unberührt
Betrauerte wie es sich so gehörte

Eine gewisse Professionalität im
Umgang mit den Ritualen hilft 
Genug innere Distanz zu behalten
Welche beim Tod besser tut

Bevor er zum dann nächsten Paten
Konsul Tienappel kommen sollte
Erlebt er noch die Aufbahrung des
Großvaters wie den Anblick des Toten

Vom Sterben hatten sie den Jungen
Lieber fern gehalten weil es am Ende
Doch wohl ein hustender Kampf war
Den kein Kind miterleben mehr muss

Wie spannend aus diesen doch
Kindlichen Erlebnissen sich später
Im Sanatorium seine Berufung zum
Besuch moribunder Patienten ergab

Denke daran wie ich gerade erst
Den Tod meines Vaters erlebte
Eigentlich nicht erlebte weil er
In der Kurpfalz starb und ich in

Berlin noch weilte aber auch dort
Nicht das Bedürfnis hatte noch die
Leiche beim Bestatter zu besichtigen
Um von ihm Abschied zu nehmen

So wie Hans Castorp mit dem alten
Fiete im Frack mit Nasenring noch
Am offenen Sarg stand den Toten
Vor sich sah sah ich ihn nie 

Sah genug Leichen im Leben
Gesehen geborgen gewaschen im
Krankenhaus in den Keller gefahren
Ist eben kaltes totes Fleisch mehr nie

Die Auseinandersetzung mit dem
Tod der nahen Angehörigen wie das
Erleben ist für mich als Leser ein
Anderes als zur Zeit erster Lektüre

Wie wirken die Worte auf mich nun
Die mir damals noch fremd waren
Von Beerdigungsritualen erzählen
Wie der Rolle des kleinen Hans 

Selbst älter inzwischen als Mann
War als er den Zauberberg schrieb
Weit von Hans und dem Knaben
Schon lange entfernt und doch

Nun das ein Halbwaise sein
Mit ihm teilen gibt der Lektüre 
Neues Gefühl wie eine andere
Färbung damit die heiter bleibt

Finde das Nichts nicht schrecklich
Was ich selbst davon erlebte als
Das Herz umgefahren stillstand
Ist nicht der Rede wert war nichts

Erlöst von allen Sorgen die mit
Dem erwachenden Bewusstsein
Langsam wieder kommen scheint
Das Ende eher als große Freiheit

Wie schön ist es den Zauberberg
Mit seinen existenziellen Fragen
Des Lebens neu zu lesen wie zu
Sehen was mich davon prägte

Die leicht ironische Distanz auch
Zum Tod der nur mit Würde so
Wie es sich gehört begangen wird
Ist geblieben und lässt gut leben

Spannend ist wie sehr so viele
Gedanken und Worte dabei
Teil meines Denkens wurden es
Sich anfühlt als wäre es von mir

Nicht in der Anmaßung damit dem
Großen Thomas Mann zu gleichen
Sondern sich in seinen Worten so
Ganz vertraut nun wiederzufinden

Wer weiß wie alt ich noch werde
Wieviele Jahre bleiben doch sollte
Noch eine Generation mir bleiben
Wäre nochmalige Lektüre spannend

Vor über dreißig Jahren las ich den
Zauberberg das erste mal noch in
Einer anderen Welt da lebend wie
Sehe ich seine Bilder heute in mir

Klassiker der Literatur und große
Werke wie der Zauberberg sind
Für mehrfache Lektüre gemacht
Lerne ich gerade und genieße es

jens tuengerthal 9.10.24

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