Freitag, 7. Juni 2024

Zeitfluchten

Zeitfluchten

Große Literatur dreht sich immer
Wieder auch um die Zeit wie sie
Vergeht oder gerade nicht was die
Ewigkeit im Moment sein kann

Der Zauberberg von Thomas Mann
Wie Marcel Prousts Suche nache der
Verlorenen Zeit auch der Ulysses
Von James Joyce die alle in einer

Zeit des Wandels nach dem großen
Ersten Weltkrieg geschrieben wurden
Lassen die Zeit spürbar werden die
Durch die Umstände anders vergeht

Im Sanatorium Berghof werden aus
Geplanten 3 Wochen sieben Jahre
In den Bergen um Davos wobei die
Ersten Wochen der größte Teil sind

Viel Zeit lässt sich Proust für die
Schilderungen der ersten Liebe
Wie die Suche nach Erinnerungen
Seiner Kindheit über eine in den

Lindenblüten Tee getunkte Madelaine
Die ihn in die Zeit eintauchen wie in
Ihr immer wieder verloren gehen
Lässt im Übermaß der Gefühle

Der frisch gebackene Ingenieur
Hans Castorp besucht seinen an
Tuberkulose erkrankten Vetter im
Sanatorium und bleibt einfach da

Wie wirklich vergeht die Zeit im
Roman und wie werden Augenblicke
Zu Ewigkeiten während Jahre dann
In einem Absatz eben verfliegen

So wird die Zeit der Patienten wie
Die Leichen im Bobschlitten ganz
Schnell für Monate abgefahren das
Kaum ihr verstreichen bemerkt wird

Der Humanist und Aufklärer Settembrini
Versucht noch die Zeit wie die Pflicht
Als Mensch wach zu halten doch kann
Nichts gegen den trägen Abfluss tun

Die Lektüre dieser Romane ist schon
Eine Flucht aus der Zeit wie zugleich
Das Eintauchen in eine andere Zeit
Die nicht mehr der Physik gehorcht

Sich Zeit zu lassen um sie zu finden
Ihre Unendlichkeit entdecken die nur
Gelegentlich vom Ende der Zeit noch
Unterbrochen wird durch den Tod

Den Zauberberg habe ich vor nun
Über 33 Jahren mit 18 gelesen
An la recherche lese ich seit 1995
Was nun auch schon 29 Jahre ist

Sich aus der Zeit lösen um tief in
Eine neue geschrieben Zeit dafür
Einzutauchen wie dabei das Spiel
Mit der Zeit neu zu entdecken ist

Eine der schönsten Zeitfluchten
So arbeitet die Idee meines großen
Familienromans seit 1991 in mir um
Langsam ihre Form erst zu finden

Dabei tanzte ich in Erinnerungen
Durch das ganze 20. Jahrhundert
Bis in die Gegenwart hinein auf der
Suche nach dem was einmal war

Während die Physik sich noch müht
Teilchen zu beschleunigen um so der
Zeit ein Schnippchen zu schlagen ist
Dies das normale Spiel der Literatur 

Große Romane zu lesen die über
Generationen oder einen Tag gehen
Epochen in einen Absatz zwingen
Ist die schönste Form der Zeitreisen

Immer gleich läuft die Zeit ab in dem
Was unser messbarer Alltag ist nur
Die Literatur bildet sie ab wie wir sie
Als völlig verschieden empfinden

Aus der Zeit lesend zu fliehen um 
Die Unendlichkeit dabei zu entdecken
Wie in ihr alles wiederzufinden was im
Laufe der Zeiten verloren ging ist

Vielleicht das größte Glück der Leser
Wie klein wird alles messbare verglichen
Mit der Ewigkeit beschriebener Zeiten
In der wir uns zwischen Zeilen verlieren

jens tuengerthal 6.6.24

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