Vom Wesen Berlins
Was macht die Hauptstadt so beliebt und wo ist es nur die Spiegelung einer kranken Gesellschaft ohne Ziele, die sich hier konzentriert?
Der Soziologe Francesco Masci schrieb aus Berlin wunderbar böse über Berlin und die FAZ las es und schrieb klug über beides - welch schöne Sonntagslektüre.
Der Soziologe mutmaßt aus dem historischen Kontext, warum der Berliner sich immer im Recht fühlt, meint, am schönsten Ort der Welt zu leben und sich Fahrradfahrer als Götter des Guten dort fühlen, die alles dürften, weil sie ja gute Menschen sein. Doch ist die Stadt, die der Soziologe liebt und der selber dort lebte, nur stark in der Kultivierung des Nichts geworden, weil sie ihre politische und historische Identität leugnet, meint Masci.
Dagegen argumentiert die FAZ, dies sei ja alles schön und gut zu lesen, verkenne aber den im Kern postpolitischen Charakter Berlins, das sich zwar gerne heute noch kitschige Bilder von einer alten Fiktion der Freiheit erzählt, aber wo gäbe es noch eine solche Insel, weshalb der Kitsch der Identität doch tolerabel sei.
Beide, sagt der Fontane Kenner unter den Berlinern, irren sich, die Typen waren schon vor hunderfünfzig Jahren so.
Hielten sich für viel, was sie taten für das Himmelreich, ihren Geiz für Güte, waren mindestens der Mittelpunkt der Welt, die sie im übrigen nicht viel interessierte, da die größte Sorge doch immer ist, dass ihre Güte und Größe nicht gebührend gewürdigt wird.
Über dieses immer ein wenig Leiden an der sie nunmal kaum je gebührend würdigenden Wirklichkeit, wurden die Berliner, was wir gerne ruppig oder grimmig nennen. Außer sie sprechen mit immer vollem Herzen über ihre Güte und Größe.
Schön ist es trotzdem hier, schöner als anderswo, auch wenn dreckiger, unfreundlicher und grauer, warum auch immer.
jt 14.7.13
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