Dienstag, 27. Dezember 2016
Gretasophie 004c
Die Liebe ist das schönste Glück, scheint es uns, wenn wir glücklich lieben. Zugleich ist sie aber auch das größte Unglück, wenn es nicht geht und einige der schönsten Liebesgeschichten, von Romeo und Julia bis zu Goethes Werther handeln vom Liebeskummer und der traurigen Liebe, die keine Erfüllung in der Realität fand, den Tod anstatt suchte.
Ist dies absurd oder liegen sich Liebe und Tod ihrer Natur nach nahe?
Die Franzosen nennen den Höhepunkt der Lust den kleinen Tod, petite mort, was sehr treffend, diesen Gipfel des Lebens beschreibt, nach dem erstmal alles wie Tod erschlafft und dahinsinkt. So beschreibt die Lust vielleicht auch indirekt die Todesnähe der Liebe, die eben alles ist.
Glücklich verliebt, liegt uns der Liebeskummer völlig fern, wollen wir ein Leben miteinander teilen, können uns nichts schöneres mehr vorstellen und fürchten höchstens, dass die Träume nicht in Erfüllung gehen könnten. Die Liebe kann so groß sein, dass sie alles erfasst und das ganze Leben erfasst, ein Leben ohne scheint unvorstellbar.
Kann persönlich als leidenschaftlicher Liebender diese Wertherneigung gut verstehen, stand innerlich schon häufiger dem Gedanken nahe, das Leben könnte in der Trauer über die verlorene Liebe nun auch enden, ich könnte ihm ein Ende setzen, weil alles verloren ging, was mir lebenswert schien, woran all meine Träume hingen, die schönsten Hoffnungen des Lebens untergingen.
Irgendwie ging es dann doch immer weiter, sei es, weil ich zu feige war, diesen letzten Schritt in der Konsequenz der großen Liebe auch zu gehen, oder das Unglück Ablenkung fand, die neuen Lebensmut gab. Verstehe und bewundere aber diejenigen, die für die große Liebe diesen Schritt in letzter Konsequenz gingen. Dies auch, wenn ich das Leben sehr liebe, es gerne noch so lange wie möglich genießen will und nicht nach dem Freitod strebe, um das Elend zu beenden.
Diese auch Pflicht weiter zu machen, wächst mit zunehmenden Alter und besonders, wenn du Kinder hast, die dich brauchen, du nicht nur für dich alleine verantwortlich bist. Dennoch halte ich die Freiheit, sich das Leben nehmen zu können, im Nichts zu enden, weil wir nach dem Tod einfach nicht mehr sind, für den größten Ausdruck unserer Freiheit und möchte diesen niemand nehmen.
Habe mal lange mit einer eng befreundeten Psychiaterin und Neurologin darüber gestritten, ob der Wille, sich das Leben zu nehmen, gerade aus Liebeskummer, pathologisch oder die einzig gesunde Reaktion ist, weil sie echte, tiefe Liebe ausdrückt, alles andere nur oberflächlich wäre.
Sie war als Ärztin der Überzeugung, es sei ihre Pflicht, suizidgefährdete Menschen retten zu müssen, es sei sogar eine Straftat durch Unterlassen, sie nicht davon abzubringen, wenn sie es denn wollten und versuchten. Überhaupt wollten sich die meisten Kandidaten des Freitod nicht wirklich töten, sondern schrien um Hilfe und dafür sei sie da.
Überhaupt sei eine verlorene Liebe doch kein Grund, sich etwas anzutun. Lieben kommen und gehen, da hätten wir doch beide genug Erfahrung und könnten es nicht gut heißen, wenn einer für eine Laune der Liebe ein Leben wegwerfe.
Habe ihr da ganz entschieden widersprochen, um der Freiheit und der Würde des Einzelnen wie der Liebe wegen, was auf wenig Verständnis stieß, da wer sich töten wolle, einfach krank sei und Behandlung brauche, ob durch medikamentöse Unterstützung in der akuten Situation, etwa mit Happy-Pillen, oder eine langfristige Therapie, die wieder Lebensmust geben kann.
Verstehe ihre Sicht, gerade als Ärztin und achte sie dafür sehr, finde es liebenswert, dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, Menschen in Not zu retten. Dass will ich nicht schlecht reden und ich bin auch überzeugt, dass sie ihre Arbeit sehr gut und aus voller Überzeugung macht und, weil sie bestimmt eine gute Ärztin ist, vielen Menschen schon geholfen hat, die in diesem Bereich gefährdet waren, eher Hilfe zum Leben brauchten, als Unterstützung im Freitod.
Habe selbst auch schon einige Freundinnen und Freunde von diesem Versuch durch Gespräche abgehalten, finde es gut so und würde es wieder tun, freue mich, dass sie noch leben. Doch wollte ich nie jemanden, der dazu aus freien Stücken entschlossen ist, vom Suizid abhalten wollen, möchte ich immer die Freiheit, die mit der Würde hier gleichzusetzen ist für mich, respektieren.
Es ist mir darum wichtiger, einem Menschen, die Freiheit zu geben, sich auch etwas anzutun, wenn es nötig aus freiem Entschluss scheint und sein Weg ist, zu respektieren. Was wäre ein Leben wert, in dem andere entscheiden, ob wir leben müssen oder nicht, wann es enden soll?
Auch Lukrez und Epikur waren klare Befürworter des Freitodes, wenn er frei gewählt wurde im Wissen, dass nichts mehr kommt und wir keinesfalls etwas besseres erwarten können als nichts und das Ende aller Leiden. Den freiwilligen Märtyrertod, der das Himmelreich als Lohn für seine Tat erhofft, lehne ich dagegen in aller Entschiedenheit ab. Dieser ist nicht frei im Bewusstsein der Folgen, sondern hofft auf ein illusionäres Jenseits, das besser als die Gegenwart und damit unser einziges Sein wäre. Der Freitod ist dann keine Hoffnung auf ein Ende des Leidens wie ein Ende überhaupt, sondern die Illusion, es käme etwas besseres, was immer nur geglaubt bleibt.
Wer nichts besseres erwarten kann mehr oder an dem was ist, mehr leidet und sich nicht vorstellen kann, dass es besser wird, soll seiner Freiheit folgen und sein Ende nehmen können, weil genau das unsere Freiheit ist.
Der Tod geht mich nichts an, schrieb Lukrez, solange ich bin, ist er nicht da und wenn er da ist, bin ich nicht mehr, warum es müßig ist, sich mit diesem weiter zu beschäftigen. Mit dem Tod endet das Sein, wir sind nicht mehr, kehren nie mehr zurück, außer vielleicht im Aberglauben, es ist nicht wichtig, sich über diesen Gedanken zu machen, oder ihn gar zu fürchten.
Warum sollte ich Angst vor dem Tod haben, wenn nichts mehr ist, gibt es keinen Grund zur Sorge, dann ist kein Leid mehr sondern alles vorbei. Sich für das Nichts und das absolute Ende zu entscheiden, kann besser sein, als weiter zu leben, wenn es keine Perspektive mehr gibt, nach der das Leben noch schön aussehen könnte.
Wer es in diesem Bewusstsein und sei es auch um einer verlorenen Liebe wegen tut, handelt als freier Mensch und ich werde mich hüten, um der Würde dieser Verzweifelten wegen, ihnen diese Freiheit nehmen zu wollen. So lebe ich immer in dem Bewusstsein, wenn ich nicht mehr mag, es keine gute Perspektive mehr gibt, mich keine Pflicht mehr halten kann, weil es meine Freiheit eben ist, jederzeit gehen zu können.
Dieses Bewusstsein gibt mir Kraft, Mut und Freiheit. Habe kein Bedürfnis, es zu tun, weil ich jederzeit die Freiheit habe, es zu tun, ohne noch auf irgendwas zu hoffen oder gar etwas danach zu erfinden, wie eine geaberglaubte Höllenstrafe je zu fürchten. Falls es nichts schönes mehr für mich gibt, ich nichts sehe, wofür es sich für mich zu leben lohnte, werde ich es tun und das ist dann gut so und es muss keiner dann um mich trauern, weil ich meiner Freiheit folgte, mein Leben als freier Mensch aus freiem Entschluss beendete, wie überhaupt Trauer völliger Unsinn in meinen Augen ist, etwas das lähmt und keine Perspektive hat.
Viele sagen, Trauer sei natürlich und normal, weil wir Überlebenden, einen Verlust erlitten, der andere von uns ging, uns alleine ließ und wir ihn nie wieder sehen. Viele trauern einerseits und reden andererseits vom Himmelreich in das dieser oder jener nun einginge, um dessen Ende sie nun trauern.
Dieses Weihnachten starb der Sänger George Michael, der unter anderem durch den Song ‘Last Christmas’, der um Weihnachten überall dudelt, weltberühmt wurde und in allen sozialen Netzwerken häufen sich wieder die Einträge mit dem sinnentleerten R.I.P. mit dem sie Ruhe in Frieden wünschen, was zur modernen Ablaßformel einer abergläubisch ungebildeten Welt wurde, die in naiven kollektiven Affekten reagiert, statt nachzudenken.
Kann gar nicht sagen, wie sehr mich solche hohlen Formeln anwidern und wie entwürdigend ich ihr immer gleiches auch schriftliches Aufsagen finde. Doch habe ich beschlossen, sie lieber zu ignorieren, um mich nicht weiter über die kollektive Dummheit der Welt zu erregen, zumal es den falschen Eindruck erwecken könnte, ich hielte mich für klüger als die Welt, was mir völlig fern liegt.
Im Gegenteil, ich habe keine Ahnung, wie auf den Tod richtig zu reagieren sei. Suche vielmehr nur nach Wegen, wie ich glücklich, mit dem was ist, leben kann und mich nicht von solchen Kleinigkeiten ablenken lasse, die mich in ein unfreies Kollektiv zwängen wollen, dass jeder meiner Überzeugungen widerspricht und der Natur des Menschen noch mehr.
Es gibt kein gutes Leben im falschen, sondern nur den Versuch sich an der Illusion zu erfreuen, es sei nicht so, wie es ist, um wenn die Realität doch vorkommt, über ihren Einbruch zu klagen. Verstehe nicht, warum ich an etwas leiden sollte, was einfach ist und ich nicht ändern kann, sondern versuche, mit dem was ist, so glücklich wie mir nur möglich zu leben. Darum geht mich der Tod nichts an. Er betrifft mich nicht wie Lukrez schrieb. Über die zu jammern, die nicht mehr sind, ist Unsinn für mich, weil sie ja einfach nicht mehr sind. Darüber zu klagen, dass ihre Natur nicht mehr funktioniert hat, aus welchen möglichen Gründen auch immer, finde ich respektlos der Natur gegenüber, die zu komplex ist, als dass ich sie mit meinem geringen Verstand je ganz begreifen könnte.
Auch bin ich wohl nicht eitel genug, über den Verlust zu jammern, den ich erlitt, durch das natürliche Ende des anderen, das eben vorkommt. Freue mich lieber an dem was war, als darob zu leiden, was nicht mehr ist.
Klar habe ich schon Tränen auf Beerdigungen und bei der Art wie wir sie begehen verspürt, dieser Kult, den wir darum machen, ist darauf angelegt, am Tod zu leiden, wer sich ihm hingebt und ihn mitmacht, leidet eben. Doch welchen Grund sollte es für mich geben, dies zu tun?
Manche meinen mit der Trauer, erweise ich dem Verstorbenen Respekt und zeige wie sehr er mir fehle. So sei die Fähigkeit zu trauern, wie die Psychologie behauptet, ein wichtiger Teil unserer Natur und es sei im Gegenteil völlig unnatürlich, dies nicht zu tun, offenbare einen Menschen ohne Empathie, der nicht um andere trauern könne.
Mag sein, dass neben den vielen Mängeln meines geringen Verstandes, diesem auch die Empathie völlig fehlt. Vielleicht ist es eine Behinderung, nicht wie alle um Verstorbene zu trauern, wie alle im Kollektiv es tun und sich dadurch kollektiv schlecht fühlen oder gemeinsam leiden. Dann wäre ein Verhalten krank, das mir gut tut und mich besser leben lässt, während das übliche Verhalten des Kollektivs, nur weil fast alle es tun, gut und gesund wäre, auch wenn viele Menschen genau daran ein Leben lang leiden müssen.
Könnte also eine solche geistige Behinderung, die sie für eine Mehrheit heute wohl ist, ein großes Glück sein, das mir erlaubt, besser zu leben, als jene, die an Dingen leiden, die sie nicht ändern können und die zur Natur gehören?
Weiß nicht, was richtig ist und ob es gut sein kann, sich gegen die ganz große Mehrheit, ihre Gefühle und das Verhalten im Kollektiv zu stellen. Bin mir nur sicher, dass es glücklicher und freier macht, eher reflektiert, was hinter den Folgen dieses Leidens steckt. So sind große Teile des Aberglaubens genau auf die Angst vor dem Tod gerichtet, der durch das erfundene Himmelreich oder die phantasievolle Unsterblichkeit irreale Hoffnungen begründet und zugleich der Trauer als Lähmung das Wort redet.
Habe den Tod selbst einmal näher erlebt, als ich wollte und mir in dem Moment lieb war, als mich ein Auto umfuhr und der Schlag auf meinen Kopf, der vielleicht einiges sonst erklären könnte, dazu führte, dass mein Herz aufhörte zu schlagen. Dann wurde ich doch noch reanimiert, überlebte mit nur relativ geringen Gehirnschäden, die kaum genügen meine sonstige Verrücktheit zu erklären, noch eine solche fehlende Empathie erklären könnten. Es hat nur der Tod jeden Schrecken verloren.
Später arbeitete ich noch viele Jahre in der Krebsbaracke um die Klinik mit hauptsächlich Tumorpatienten nach Benn zu benennen und in dieser Zeit starben sie reihenweise in meiner Gegenwart auch, weil gegen bestimmten Krebs die Medizin irgendwann kein Mittel mehr hat. Das hat mich nicht kalt gemacht aber dem Tod seine Dramatik ein wenig geraubt und auch die Zeit vorher auf dem Rettungswagen, bei der ich einige unschöne Arten zu sterben live kennenlernte, widerlegten nicht das Gefühl, dass der Tod mich nicht sehr berührte, nichts war, vor dem ich mich fürchten musste, sondern einfach Natur, wie Schnupfen, Geburt oder Zeugungsakt.
Darum ist für mich der Satz, der Tod geht mich nichts an, wichtiger und zentraler als das Bedürfnis nach Anpassung an die Mehrheit, die es sonst leichter macht im Leben, weil wir mit dem Strom schwimmen können und so erscheint mir die Ablehnung der Rituale und der mit ihnen verbundenen Haltung als besser für mich, um glücklich zu bleiben. Nach meinem Gefühl und aller wenigern Logik, die mein schmaler Horizont, der immer die Hälfte mindestens von allem wieder verdrängt, was er berücksichtigen möchte, scheint es glücklicher zu machen, sich nicht um den Tod zu sorgen und sich damit völlig frei von aller Angst vor ihm zu machen.
Es macht etwas einsam und viele halten es eher für verrückt, finden es unverständlich und empathielos, sich so gegen die scheinbar ehrlichen Gefühle der Mehrheit zu stellen. Ein wenig frage ich mich jedoch, ob es nicht auch Fälle geben kann, in denen es gut ist, sich gegen die Überzeugung der übrigen zu stellen, unter denen bestimmt viele wesentlich klüger und reflektierter sind, als ich es mit meinen bescheidenen Mitteln und meiner geringen Bildung je sein kann.
Weiß nicht, ob es da richtig oder falsch wirklich geben kann oder wir immer nur nach dem suchen müssen, was uns gut tut. Hoffe ich verletze nun niemanden, was mir fern liegt, wenn ich die Gewohnheit einfach mal in Frage stelle, dass Trauern gut und natürlich sei, weil meine Natur eher etwas anderes erstrebt. Zumindest macht es mich glücklicher und scheint mir viel Respekt vor der menschlichen Freiheit zu haben, seiner Natur zu entsprechen, die eben immer nach Freiheit strebt.
Doch war dies ja nur ein gedanklicher kleiner Ausflug, der vom eigentlichen Thema, dem Liebeskummer, wegzuführen scheint. Zugegeben bin ich mal wieder relativ undiszipliniert einfach meinen Gedanken zum Thema gefolgt. Doch zumindest deren Kausalität scheint nicht so völlig abwegig. Vom Liebeskummer als Tod der Gefühle und Grund zum Freitod liegt die Auseinandersetzung mit diesem für mich nahe, der ich mich immer gern von den engen Grenzen meines Horizonts ablenken lasse, um die Illusion zu behalten, diese seien doch weiter als sie eigentlich sind, wenn sie stets nur um sich und die gleichen Fragen kreisen.
Es wird dabei nicht mehr und mehr als ich ohnehin nicht weiß, was schon wenig genug ist. Will nun auch nichts vorspiegeln, da ich wenig Hoffnung habe, dass mir solches überhaupt jemand abnehmen würde und erscheine so lieber als ehrlicher Narr, denn als ahnungsloser Aufschneider. Zumindest habe ich als Depp angesehen noch mehr Hoffnung positiv zu überraschen, während ich bei letzterem nur enttäuschen kann und so füge ich mich in meine geringe Natur und bin eben so wenig wie ich bin.
Auch wenn dieses Geständnis meiner mangelnden Disziplin nicht weiterführt und nur meine Eitelkeit beleuchtet, die sich gern mit sich beschäftigt, so ist es vielleicht zum Thema Liebeskummer, das dem Tod und der Eitelkeit sehr nahe steht, doch nicht so abwegig, insofern dieser uns dem Tod gefühlt nahe bringt, zumindest, wenn wir die Leidenschaft als echt ganz zulassen.
Das Gefühl, sich von der Welt verlassen zu fühlen und keine Hoffnung mehr zu sehen, hat als logische Konsequenz den Tod. Wer dies nicht fühlte und sich dem Werther noch nicht nahe fühlte, hat kaum richtig geliebt, würde ich sagen, romantisch verklärt, aber vielleicht ist das auch total weltfremder Blödsinn und etwas extrem. Andere erledigen ihren Liebeskummer ohne extreme Gefühle und wenn eines vorbei ist, kommt eben das nächste, sie leiden ein wenig, sind aber eher pragmatisch.
Habe mich immer wieder gefragt, ob ich solche Menschen eher bewundern sollte, die etwas einfach beenden, ohne gleich am Leben zu zweifeln oder diese einfach gefühlsarm sind und nicht merken, worauf es ankommt, die entscheidenden Dinge nicht mitbekommen. Wenn ich dem Tode nahe litt, sagten sie, das Leben geht weiter, tut jetzt weh, aber morgen ist es schon wieder besser.
Tatsächlich hatten diese natürlich immer Recht, weil es von alleine wieder besser wurde und irgendwann die nächste Liebe kam. Leicht fiel es mir diese Sicht zu verstehen oder sogar selbst zu vertreten, wenn ich selbst ging und nicht verlassen worden bin. Dagegen fühlte ich mich völlig von der Welt verlassen, wenn ich mit dem Herz voller Liebe, wie wir romantisch verklärt sagen, auch wenn es immer der Kopf nur war, überraschend verlassen wurde, was zum Glück relativ selten passierte und mich dennoch jedesmal wieder völlig aus der Bahn warf, als wüsste ich es nicht besser.
Habe im Liebeskummer gedanklich alles riskiert und aufgegeben und fühlte mich dem Werther mehr als nah. Zugleich konnte ich, wo ich verließ, immer leicht an die Vernunft der Verlassenen appellieren und die vorher große Liebe relativieren, was eigentlich die Frage nahe legte, was wirklich an der großen Liebe dran ist und ob die Todesnähe des Liebeskummers nicht vernünftigerweise mal relativiert werden sollte.
Theoretisch war mir das immer klar. Gelungen ist es mir nur, wo ich mich vorher emotional entfernt hatte, die Zügel in der Hand hielt und selber ging. Sonst folgte ich wie automatisch der Rolle des Werther und dramatisierte mein Unglück, bis ich nahezu allen Lebensmut über die unglückliche Liebe verlor und nur durch Ablenkung irgendwie doch überlebte.
So scheint mir der Liebeskummer deutlich stärker als all meine Vernunft, so gering sie im Vergleich zu wirklich klugen Leuten auch sein mag. Muss hier nicht um Vorrang mit irgendwem streiten, kann eben nicht über mein niedriges Niveau hinaus, aber an dem gemessen, versuche ich sonst schon mir die Welt vernünftig zu erklären und scheint mir alles relativ logisch, fiel diese Vernunft aber völlig aus, wo sie vom Liebeskummer angegriffen wurde.
So ist das Leiden an der Liebe stärker als die Verliebtheit, die mich zu weniger verrückten Dingen trieb, als es der Liebeskummer tat. Er ist, scheint mir, eine der stärksten Kräfte der Welt und das obwohl ich vernünftigerweise weder den Tod fürchte, noch es unvernünftig fände, ein Leben zu beenden, wenn es keine Hoffnung auf Besserung mehr gäbe.
Dennoch weiß ich ganz klar, es ist jeder Liebeskummer an der nächsten Liebe zu relativieren und keiner das Leben wert, wenn es noch Liebe irgendwann geben kann, die nie endet, bevor wir nicht enden. Aber Wissen und Liebeskummer scheinen auch in einem seltsamen Verhältnis weit jenseits aller Vernunft zu stehen. Auch wenn ich es besser weiß und keinen Grund habe, irgendwas zu relativieren, gebe ich dem Liebeskummer freiwillig alle Kraft über das Leben und bin der Überzeugung, dass nicht wirklich liebt, wer nicht schon bis zum Tod an ihr litt.
Das alles klingt zugegeben wenig vernünftig und ist keinesfalls ein weiser Ratschlag eines Vaters für seine pubertierende Tochter, der solches noch vielleicht bevorsteht, denke ich einerseits, andererseits weiß ich auch, dass ich aus dem Extrem der Gefühle viel Kraft für mein Leben gewonnen habe, das Überleben, auch wenn es eigentlich unmöglich schien, eine viel stärkere Kraft wurde, als alle, die ich kannte.
So scheinen wir an die Grenzen manchmal auch emotional gehen zu müssen, um das Glück genießen zu können und über uns hinaus zu wachsen, womit wir lernen, was ist, als größtes Glück zu würdigen, zumindest mir ging es so und die Gelassenheit, die aus dieser Erkenntnis wuchs, lässt mich die Extreme, die ich mit meinen Lieben auch an den Grenzen zum Tod immer wieder durchlitt, als nicht so unvernünftig mehr sehen.
Wem es gegeben ist, ganz zu lieben und dafür alles aufzugeben, der kann auch über sich hinaus wachsen und damit seine Welt bewegen. So will ich am Ende nicht sagen, dass Liebeskummer, der mich manchmal den Tod wünschen ließ, eine gute Sache ist, aber ich nehme es, wie es ist, als eine Eigenschaft, die zu mir gehört, der ich ganz liebe und versuche dies als Kraft zu sehen, mit der ich eben leben muss und die ich auch als eine Chance sehen kann, die nichts schlechtes ist, sondern eben ich und solange ich den Liebeskummer noch jedesmal überlebte, sage ich, dass ich froh bin, ganz zu fühlen, statt nur halb. Wenn ich es nicht überleben sollte, ist es auch egal, weil ich nicht mehr bin, aber noch scheinen mir die relativen Gründe zu bleiben stärker, weil ich weiß, wie sehr ich lieben kann.
jens tuengerthal 26.12.2016
Montag, 26. Dezember 2016
Gretasophie 004b
Zur Liebe gehört die Lust. Nicht immer aber irgendwann schon. Eigentlich den größten Teil zwischen Kindheit und greisenhafter Impotenz, wenn sie aber zumindest manchmal noch erinnerte Geschichte ist. Welche Rolle sie spielt im Leben, ändert sich. Zwischen Eltern und Kindern sollte sie außer zur Aufklärung keine Rolle spielen, wobei schon die alten Griechen von Ödipus wussten, der aber ja auch eher ein Irrtum war und so nicht gewollt, sondern dumme Folge der Orakelhörigkeit.
Wären die Menschen weise, würde aus der Geschichte des Ödipus folgen, hör auf keine Orakel, es geht entweder ohnehin schief und nimmt dir alle natürliche Freiheit. Da wir aber alle dumm sind und ich bin mir zumindest sicher, da einer der ersten zu sein, haben wir den Inzest tabuisiert und die Sexualität zwischen Eltern und Kindern, was auch gute genetische Gründe hat. Die Gefahr von Behinderungen ist dabei deutlich erhöht und so passen manche Verbote sogar zum Lauf der Evolution, selbst wenn sie im Aberglauben begründet wurden.
Überhaupt ist Eltern und Sex für Kinder meist eher peinlich, davon wollen sie nichts hören und schweigen lieber dazu, auch wenn es in den 70ern im Zuge der sexuellen Befreiung eine umgekehrte Bewegung mal gab, die aber dafür heute wieder um so mehr pönalisiert wird. Die moralischen Vorwürfe auf diesem Gebiet sind so voller Hass, dass ein nüchterner Diskurs kaum mehr möglich scheint. Aber ich möchte ja nicht über Pädophile, Missbrauch und moralische Hysterie schreiben, auch wenn es dazu viel zu sagen gäbe, sondern über Lust und Liebe, wie sie zusammengehören und worauf es dabei aus meiner Sicht ankommt.
Der Vorspann ist nur nötig, weil ich ja hier als Vater für meine Tochter schreibe, die da vermutlich genauso drauf reagiert, wie alle Kinder und ich vermutlich es auch hätte, weil es peinlich ist, wenn der eigene Vater über Sex redet - darum schreibt er hier, dann kann sie es lesen, wenn es sie interessiert und sie nicht mehr beim Gedanken, es zu lesen, schon hochrot anläuft und ich muss nichts mehr dazu sagen.
Darum auch formuliere ich diesmal vielleicht vorsichtiger als ich es sonst täte, weniger mit der Sinnlichkeit spielend und nüchtern sachlicher, aber ich will auch kein Schulbuch schreiben, die hat sie selber, sondern über Lust immer auch lustvoll schreiben, weil Sex einfach schön ist und genau so natürlich genossen werden sollte.
Was ist gut und was erlaubt?
Erlaubt ist, was gefällt, schrieb einst schon der auch für anderes berühmte Marquis de Sade, der übrigens auch wunderbare Bücher über atheistische und materialistische Philosophie schrieb aber dank der Kirche hauptsächlich seiner Schriften zur Sexualität wegen bekannt wurde. Dem stimme ich voll zu. Um nichts anderes geht es. Spaß machen soll es, sich gut anfühlen, möglichst befriedigen und glücklich machen und alles andere ist Sache der beiden zwischen denen es stattfindet.
Wann und wie es wer mit wem tut, hat gerade die katholische Kirche immer wieder gern beschäftigt, die ohnehin ein Thema mit der Sexualität hat, sowohl intern wie auch in der Frage der Dogmen. Dadurch ist aber der irgendwie verbotene Sex auch reizvoller geblieben als bei den Protestanten, die zwar durften, sogar die Pfarrer dürfen dort ja seit Luther heiraten, aber im moralischen Korsett meist jede Lust dennoch verlieren, wie es im Film ‘Der Sinn des Lebens’ der englischen Komikertruppe Monty Python so treffend dargestellt wurde.
Über Sex reden ist nett und erwachsen ist der Mensch von dem Moment an, wo er das völlig entspannt und genüsslich tun kann, warum manche es nie werden und andere geradezu frühreif schon sind. Kann mich noch genau erinnern, als ich meine ersten sexuellen Erfahrungen vor weit über 30 Jahren sammelte, habe ja ziemlich früh angefangen, waren wir zwar aufgeklärt aus der Schule aber darüber locker reden konnten wir noch nicht, auch wenn ich mich da immer ganz entspannt gab, schon sehr früh von meinen Eltern aufgeklärt wurde und Sexualität mir als etwas schönes vorgestellt wurde, dass aber der Folgen wegen auch möglichst mit viel Verantwortung begonnen werden sollte. Dass war weniger moralisch gemeint als in Sicht auf die Vorsicht, die geboten war, damit nichts passierte, da im richtigen Moment ohnehin, wie mein Großvater immer sagte, das Hirn im Hintern sitzt und schieben hilft, was meinte, wenn der Trieb stark genug ist, denken wir nicht mehr, sondern treiben es lieber nur noch.
Auch eine für Menschen vor Erwachen ihrer Sexualität undenkbare Vorstellung, wie Menschen zu schlichten Triebwesen werden, dabei sind sie eigentlich in ganz vielem noch viel näher dran an diesem Verhalten als die sonst gern so kontrollierten Erwachsenen, die sich viel seltener nur echte Wutanfälle mit Schreien, Zähneklappern und allem pipapo leisten können. Darum ist die Lust als letztes Ventil der Natur für viele auch so wichtig. Doch ist sie immer noch mit zu vielen Tabus versehen und zu viele Mensch können sie immer noch nicht frei genießen. Zum einen aus seltsamen moralischen Gründen, die den Genuß der angeblichen Sünde teilweise tabuisieren, zum anderen, weil sie es nie gelernt haben.
Von Lust und Liebe habe ich das Kapitel genannt, weil es, wenn es zusammenkommt am schönsten ist, genau wie der Sex am schönsten oder eigentlich nur welcher ist, wenn es beiden zusammen kommt. Das passiert nicht bei allen, viele machen sich ein Problem daraus, obwohl es eigentlich in der Natur des Menschen liegt, sich dabei aufeinander abzustimmen und es voller Gefühl und mit viel Lust, gemeinsam zu genießen.
Die ersten male fällt das der ganzen Aufregung wegen meist noch schwer, da habe ich auch immer nur cool getan und wusste eigentlich nicht so genau wie das funktioniert, ob Frauen auch kommen können, woran ich das merke und was zusammen Kommen überhaupt heißt.
So habe ich mich die ersten Jahre meiner Erfahrungen beim Sex eher in Frauen befriedigt als Sex mit ihnen gehabt, weil ich, trotz aller Aufklärung nie so genau wusste, wie der weibliche Körper funktioniert und ob und wie Frauen Befriedigung dabei finden können.
Auch dabei gibt es kein Patentrezept oder den einen Knopf, den du bei jeder nur drücken musst, damit sie kommen kann, sondern es ist immer anders, bei jeder Frau, Männer sind da meist relativ simpler gestrickt, aber auch da hängt bei sensiblen Typen, die zwar schwierig sind, aber manchmal andere Vorteile haben, sehr viel am Kopf und wie wir sagen Bauch dabei.
Weiß nicht, ob ich sensibel bin, habe das und das genaue Gegenteil von Frauen gehört je nach Situation und Zusammenhang, der, wie ich inzwischen verstanden habe, wichtiger ist, als die Tatsachen, die ihrem Urteil zu Grunde liegen. Während Männer gern nach den Grundsätzen des kategorischen Imperativs ein Prinzip suchen, das allen Fällen zugrunde liegt und mit denen es einfach funktioniert, auch beim Sex, entscheiden Frauen, nach meinem Gefühl eher ganzheitlich und so kann das für mich als Mann selbe Verhalten, was den gleichen Effekt technisch haben sollte, für eine Frau das genaue Gegenteil sein und so bilden sie ihre Urteile auch nicht für alle Fälle und aus schlichter männlicher Sicht zuverlässig, sondern ihrer Natur entsprechend je nach den Umständen. Darum verlasse ich mich da auf kein Urteil mehr dem Wortlaut nach, sondern betrachte es im Kontext der komplexen weiblichen Gedankenwelt, ohne Hoffnung zu haben, die je ganz begreifen zu können und überlasse also auch vieles dem Zufall und versuche dann in der Situation nachzubessern, was gegenseitiges Unverständnis schwierig wieder machte.
Habe das noch nie anders erlebt und gerade Frauen, die behaupteten, sie seien nicht weiblich und meinten genau, was sie sagten, reagierten um so stärker in diese Richtung, die mir nach meinem schlicht männlich logischen Denken völlig unverständlich war, um sich aber entschieden dagegen zu wehren, wenn ich es so sah und zu verstehen versuchte.
Vermutlich haben wir es manchmal einfach schwer miteinander und uns zu verstehen. Übrigens haben mir Frauen, die mit Frauen zusammen waren immer wieder erzählt diese Muster des Unverständnis zeigten sich auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso, als würden wir, um Sex zu haben, bestimmte Rollen natürlich einnehmen. Auch meine schwulen Freunde berichteten ähnliches, wenn auch die Verständigung zum Thema Sex unter Männern allein leichter sein soll, als wenn Frauen dabei sind oder diese auch unter sich.
Dies mag daran liegen, dass weibliches Denken eben sehr oft ungeheuer komplex ist und vernetzt denkt, während Männer, auch wenn sie über Sex nachdenken, primär linear und ergebnisorientiert denken. So würde ich ganz nüchtern feststellen, dass ich mit keiner meiner Verlobten je befriedigenden Sex hatte, sondern immer nur paarweises Onanieren stattfand, weil wir eben nicht zusammen konnten, was sicher auch Gründe in beiden hat und in ganz vielem an der Haltung dazu liegt. Bin mir aber völlig sicher, dass diese es ganz anders sehen würden, weil es ja nicht nur auf den gemeinsamen Orgasmus ankäme, Sex viel mehr sei als zusammen Kommen, was immer besonders die betonen, die es nicht kennen, ihnen Zärtlichkeit und Nähe viel wichtiger wäre, als die doch irgendwie primitive Lust und das eine Liebe doch nicht darauf reduziert werden kann.
Natürlich kann eine Liebe nie darauf reduziert werden, auch eine Beziehung nicht und ich achte sie alle drei als wunderbare Frauen um nichts weniger, wenn ich schlicht feststelle, beim Sex klappte es nicht so, wie es sollte und so gesehen war es frustrierend für diejenigen, die es anders kennen.
Eigentlich soll Sex beide zur Befriedigung führen und tut dies der Natur nach auch relativ gleichzeitig weil die Kontraktion der Muskeln dabei den jeweiligen Höhepunkt durch Stimulation der Nervenenden mit auslöst. Dachte lange, das sei natürlich und funktioniere von alleine, wie ich es bei den allermeisten meiner Frauen bis zu meinen 3 Verlobten auch kannte. Heute weiß ich, diese Erfahrung war außergewöhnlich und das Verhältnis ist eher umgekehrt. Die reale Abstimmung aufeinander dabei ist die Ausnahme für viele, weil sie sich nicht spüren und nicht gelernt haben, einander zu erfühlen und dann in gewohnten Mustern gerade im Trieb einfach hängen bleiben.
Als ich zum ersten mal las, mindestens 50% der Frauen kämen nicht beim Sex oder spielten ihren Männern nur etwas vor, konnte ich das nicht glauben. Warum sollten sie das tun, fragte ich mich, warum nicht neue Wege suchen, um natürlich zu genießen, bis ich es selbst erlebte und in der wachsenden Menge die Zahlen leider bestätigen musste, sie vermutlich sogar nach oben korrigieren würde. So ist gemeinsame und geteilte Lust für viele die Ausnahme und nicht die Regel.
Die ungeteilte Lust aber finde ich langweilig und entbehrlich. Kannst du machen, ist ok, kannst du aber genauso auch lassen und so betrachtet, wirkt das sexuelle Bemühen schnell in vielem eher lächerlich und wird für mich überflüssig, was zur Frustration führt, was ich immer nur sehr beschränkte Zeit ausgehalten habe.
Lässt sich das ändern oder ist die Natur einfach so, dass sie es manchen ganz natürlich schenkt und andere es einfach nicht haben?
Es muss keiner nicht genießen, sondern es kann jeder Wege zur Lust finden, zumindest sofern die Hindernisse im Kopf überwunden werden, die den meisten dabei eher im Weg stehen, als die körperlichen Möglichkeiten. Manchen Männern ist relativ egal, was Frau dabei empfindet, ob sie kommt oder nicht, spüren sie nicht, sondern befriedigen sich einfach selbst mit Frau dabei. Andere, wie der Autor selbst, sind da eher behindert und können es nur gemeinsam genießen, finden alles übrige eher entbehrlich.
Auch darum war ich schon immer, wenn auch teilweise sehr erfolglos, auf der Suche nach Wegen zur gemeinsamen Befriedigung. Insofern fand ich auch immer interessant, was die Forschung dazu veröffentlichte.
Dazu gibt es auch eine schöne historische Geschichte. Als die Geliebte von Ludwig XV. irgendwann feststellte, dass ihr beim unehelichen Beischlaf etwas entging, was für andere Frauen ganz natürlich schien, begann sie zu forschen, ob das nur ihr Problem war und woran es liegen könnte.
Sie ließ dazu Bäuerinnen im ganzen Land untersuchen und stellte die These auf, ob Frau beim Beischlaf zum Höhepunkt kommen könnte, läge daran, wie groß der Abstand von Klitoris und Scheideneingang wäre. Dazu führte sie eine Untersuchung durch, die aber außer dem statistischen Wert keine neurologischen Gründe benennen konnte und so wurde diese Untersuchung bald als verrückte Idee wieder vergessen.
Heute nun, scheinen überraschenderweise die neuesten Forschungen, diese bloß statistische These medizinisch zu bestätigen.
Ein Team von italienischen Neurologen hat herausgefunden, dass der weibliche Höhepunkt immer klitoral sei. Sofort ging ein Aufschrei durch die Welt auch der Frauen, die es anders empfanden und sich auf den in den 70ern im Rahmen der sexuellen Befreiung entdeckten G-Punkt beriefen.
Für diesen angeblichen Punkt, gab es jedoch, ähnlich wie für die These der Liebhaberin keinen neurologischen Beleg. Dagegen haben die Forscher aus Italien einen klaren neurologischen Nachweis erbracht, dass der weibliche Höhepunkt immer durch den nervus pudendus ausgelöst wird.
Dieser verläuft von der Klitoris zur Wirbelsäule und von da mit vielen anderen bis ins Hirn, wo die Erregung umgesetzt wird.
Was früher G-Punkt genannt wurde ist nach diesen Erkenntnissen nur die Stelle, wo bei manchen Frauen der nervus pudendus an die Scheidenwand stößt und so von innen stimuliert werden kann.
Bei anderen eben nicht, warum sie beim gewöhnlichen Verkehr nichts empfinden können und dafür nach anderen Wegen suchen sollten, um gemeinsam zu genießen. Manche haben dann überraschenderweise doch die Erfahrung mit sehr prächtig ausgestatteten Männern oder in für sie besser geeigneten Stellungen, andere machen sich darüber weniger Gedanken.
Es gibt vielfältige Wege zum Glück und wir sollten uns nicht auf einen versteifen, wenn es eben nicht einfach natürlich klappt, was nicht selbstverständlich ist, gilt es neue zu suchen und dabei entspannt und offen miteinander umzugehen.
Überhaupt scheint es beim Sex am wichtigsten, was auch passiert, alles entspannt und auf den Genuss gerichtet zu betrachten. Nichts muss und alles kann, erlaubt ist, wie es der Marquis, schon oben zitiert, sagte, was gefällt.
Für wichtig halte ich dabei jedoch, offen zu sein für das große gemeinsame Glück und wenn es auf dem einen Weg nicht klappt, sollten wir entspannt miteinander andere suchen.
So erging es mir einmal bei einer Geliebten aus Äthiopien, die als junges Mädchen Klitorektomie erlitt, bevor sie entdeckt wurde und als Modell für ein großes Pariser Haus lief. Sie lebte mit zwei Kolleginnen zusammen mit deren einer ich vor einer gefühlten Ewigkeit eine irgendwie Liaison hatte, nachdem ich eine Freundin von ihr im Krankenhaus leider zu Tode hatte pflegen müssen.
Damals war die Suche nach geteilter Lust erfolgreich, sie fühlte zum ersten mal im Leben etwas dabei. Dachte nun, wenn es sogar so noch gehen kann, ohne Klitoris, müsste es doch eigentlich immer gehen, was ja eine gewisse Logik für sich hatte.
Doch wie so häufig im Verhältnis von Männern und Frauen ging die männliche Logik kilometerweit an der weiblichen Realität vorbei.
Noch immer zögere ich, darüber zu schreiben, weil ich doch als Mann immer eine männlich logische Perspektive darauf habe, die vermutlich das weibliche Gefühl dazu nicht erfasst.
Glaube, Frau legt meist mehr Wert auf das komplexe Ganze als auf die schlichte Logik der Natur, wie sie dem beschränkteren männlichen Verstand erscheint. Dabei spielt alles eine Rolle für Frau und noch mehr als das, zum berechenbaren kommt zusätzlich noch der unberechenbare Teil des Gefühls, in dem Frau es schafft, was Mann in der Chaostheorie nur mühsam umschreibt, als unbegreiflichen Grund ihrer Lust zu definieren.
In Anbetracht der Komplexität all dieser Dinge, die meinen bescheidenen Verstand bei weitem übersteigt, kapituliere ich meist schnell und gebe mich dem Trieb hin, so weit Frau mich lässt. Das Denken stößt dabei meist ohnehin auf relativ überschaubare Grenzen. Sich der Natur anvertrauen, aber um diese und ihre Wege wissen, scheint mir der beste Weg, um beim Sex glücklich zu werden und um nichts anderes geht es wohl im Leben, denke ich, aber, was weiß ich schon?
jens tuengerthal 25.12.2016
Samstag, 24. Dezember 2016
Gretasophie 004a
Wann beginnt die Liebe?
Wir sprechen vom Verlieben, wenn die Liebe noch neu ist und erst anfängt zu wachsen. Es soll ein Anfang sein, wird aber auch gerne nicht so ganz ernst genommen. Dann heißt es, du bist ja nur verliebt, wart erstmal ab, bis ihr euch richtig kennt. Manchmal verlieben wir uns auch in Sachen, die wir unbedingt haben wollen oder gerade bekommen haben.
Verliebt sein enthält alle Zustände, welche die Liebe ausmacht, von den Flugzeugen im Bauch, bis zur Sehnsucht auch mit dem völligen Ausblenden jeder Realität, einem Zustand, der alles wunderbar erscheinen lässt. Verliebte machen lauter unsinnige Sachen, finden alles wunderbar und erleben die Liebe, wie sie uns verzaubern kann, so intensiv wie später nie wieder.
Manchmal bestaunen wir ältere Paare, die noch ganz süß miteinander sind, sagen, die seien ja wie frisch verliebt, finden das eher verwunderlich aber auch schön, weil die zärtliche Liebe und Zuwendung von zwei Menschen einfach schön ist, außer wir haben gerade Liebeskummer, dann erscheint ohnehin die ganze Welt grau und andere Verliebte sind reine Folter für uns.
Wann und womit beginnt das Verlieben?
Habe schon genau darüber nachgedacht, aber keinen immer gültigen Maßstab dafür finden können. Es ist jedesmal anders, auch wenn es sich andererseits in ganz vielem sehr ähnelt. Beim ersten mal denken wir noch, wir würden nie wieder so etwas schönes erleben können in unserem Leben und hängen alles daran. Dann kreist jeder Gedanke um den Geliebten und es ist ein Zustand, als wären wir an einer euphorischen Psychose erkrankt, die zur eben völligen Ausblendung jeder Realität auch bei sonst vernünftigen Menschen führt.
Kann auch kein Muster erkennen, was das verliebt sein immer auslöst. Höchstens bestimmte Folgen in meinem Verhalten an denen ich merke, dass es mich erwischt hat. Kann nicht mal sagen, welche Eigenschaften besonders bei denen überwogen, wo es mich erwischte.
War es die Gelegenheit und taugte für diese jede Frau bei mir?
Glaube nicht, es gibt schon klare Auswahlkriterien, die bei Äußerlichkeiten anfangen, den Geruch beinhalten und beim Intellekt noch nicht enden. Aber auch da sind ganz gegensätzliche Fälle in meinem Leben schon aufgetaucht. Habe mich in Frauen verliebt, die sich nie verstehen würden, nichts miteinander zu tun haben wollten vermutlich, auch wenn die soziale Kompatibilität etwas ist, was mir schon wichtig ist. Etwa, ob es in der Familie passt, ich mich gut unterhalten kann, wir uns über die erste Anziehung verstehen könnten.
Doch all das sind immer Überlegungen, die ich dazu und nebenbei anstelle, um meinem Kopf noch eine gewisse Herrschaft in der Sache zu geben. Dies alles hat nichts mit meinem dann Gefühl zu tun, was sich völlig selbständig zu entwickeln scheint, als führe es ein Eigenleben. So habe ich mich auch schon gegen alle Vernunft in Frauen verliebt, die meine Familie ablehnte, mit denen es nichts als Probleme gab, es eigentlich nirgendwo so richtig passte und dennoch an der Idee vom Traum festgehalten.
Wenn ich mich verliebe, scheint die Vernunft in bestimmten Bereichen wie ausgeschaltet, ich verhalte mich fast zwanghaft und könnte mich fragen, ob eine solche Reaktion noch gesund ist und dem Ziel eines dauerhaften Glücks nicht zuwiderläuft. Vor allem die völlige Ignorierung aller Kriterien der Vernunft bei der Wahl und dem Weg zueinander, die einen wider besseres Wissen immer wieder die gleichen Fehler machen lässt, auch wenn es uns eigentlich dabei bewusst ist, noch zu hoffen, diesmal sei alles anders, weil sie eben die Richtige wäre, mit der nichts falsch sein könnte.
Solange ich verliebt bin, denke ich aber über diesen Zustand und mein Verhalten nicht nach, sondern schwebe wie auf einer rosa Wolke durch die Tage, die sich nur um die eine drehen. Darum verwundert es nicht, dass auf das Verlieben oft ein Zustand großer Ernüchterung folgt, wenn die Vernunft wieder stärker als das nur Gefühl wird. Manche Beziehungen halten dem Stand und verwandeln sich dann in eine ruhige Liebe, die dem gelassenen Glück entspricht. In diesen Fällen sprechen wir dann von großer oder glücklicher Liebe.
Das Wort große Liebe verwenden auch Verliebte gern, um diese Liebe als die größte zu bezeichnen, die sie je hatten, zumindest in der Reihe hervorzuheben, die uns im Leben eben so begegnet, dem eigentlich etwas entrückten Zustand der Verliebten eine reale Bodenhaftung zu geben.
Weiß nicht, ob es weise ist dieses Wort, schnell zu verwenden oder so etwas nicht eher von verliebter Verblendung zeugt, denn wie außer verliebt sollen wir jemanden für die große Liebe halten?
Was wäre ein vernünftigerer Maßstab um die großen von den kleinen Lieben zu unterscheiden und was bleibt im Leben davon?
Könnte das Wort große Liebe an eine bestimmte Länge der Beziehung knüpfen und es nicht vor Ablauf von mindestens einem Jahr verwenden. So etwas macht aber relativ abgebrüht und raubt der Verliebtheit allen Zauber. Wer verliebt ist, will den anderen dann logisch für die große Liebe halten und wenn nicht, scheint etwas beim Gefühl nicht zu stimmen.
Kein Verliebter, auch mit der größten Erfahrung nicht, will die aktuelle Liebe gegenüber den anderen Lieben relativieren. Dennoch vergleicht unsere Natur immer und automatisch, muss dies tun, um eine für uns gesunde Auswahl zu treffen. So funktioniert Evolution eben im kleinen. Daraus wird gerne der Gegensatz von Herz und Verstand konstruiert. Dazwischen liegt das schmale Drahtseil auf dem wir zwischen Glück und Resignation in der Liebe so oft balancieren.
Wann und womit das Verlieben beginnt, weiß ich nicht genau zu sagen. Kenne nur die Symptome und kann sagen, für jeden anderen Zustand würden wir diese pathologisch nennen, was den Wert der Verliebtheit als Glückszustand genauso relativiert wie die gesellschaftliche Beurteilung pathologischer Zustände.
Was ist schon krank, wenn sich Verliebte genau so verhalten?
Wie toll kann Verlieben überhaupt sein, wenn es uns verrückt macht?
In Goethes Werther kann und sollte jeder mal lesen, wohin die extreme Verliebtheit, in die wir uns hinein steigern, führt, noch dazu wo wir verzweifeln und aus diesem Unglück allen Lebensmut verlieren. Werther, der in manchem für Goethe stand, der darin auch eine eigene unglückliche Verliebtheit verarbeitete, gibt sich am Ende die Kugel, weil er nicht mehr kann, jede Hoffnung auf Erfüllung seiner Liebe verloren hat und wer dies absolute Gefühl der Liebe, neben der sich alles weitere Leben relativiert, nicht kennt, hat noch nicht wirklich geliebt, würde ich sagen, auch wenn die Reaktion von Werther übersteigert ist, um dem Briefroman ein dramatisches Theaterende noch zu geben.
Werther ist durchgedreht, würden wir heute sagen, hätte einen guten Therapeuten oder zumindest Pillen gebraucht, um sich nichts anzutun, denn wir sollen ja funktionieren und uns nichts antun, nur um einer einzigen Verliebtheit wegen, deren im Leben noch so viele kommen, wie sich mit Abstand leicht sagen lässt
Dieses Stück des Sturm und Drang hat eine ganze Epoche ausgelöst und später auch viele romantische Dichter und Denker inspiriert, die ihn nicht nur im Äußern nachahmten, sondern sich auch reihenweise umbrachten. Die Mode taucht sogar später wieder bei dem unsympathischen Bendix Grünlich in den Buddenbrooks auft, die etwa 130 Jahre später geschrieben wurden. Der Aufschneider, der ähnlich gekleidet war, sich so gestelzt gab, als er Tonys Vater täuschte und um die Hand seiner Tochter anhielt, die nach anfänglichem Widerstand, da sie den Kerl ja nicht liebe und er widerlich wäre in seiner gestelzten Art und mit seinen goldgelben Favoris, dann doch nachgibt und heiratet, um der Ehre der Familie genüge zu tun, auf die sie so viel hält und sich ein wenig zumindest in ihre Rolle als Braut und Ehefrau verliebt, weil sie es liebt, sich einzurichten, ihre Aussteuer zusammenzustellen und anderes sekundäres, was die fehlende Verliebtheit in ihren künftigen Gatten zu kompensieren, der im Wertherkostüm auf Freiersfüßen beim reichen Kaufmann auftauchte, um mit der Aussteuer noch einmal seine Firma zu retten.
Tony geht eine Vernunftehe ein, die ja statistisch eigentlich länger hielten, was bei ihr nicht der Fall war, da Grünlich ein Betrüger blieb und ihr Vater sie dann wieder vor dem Untergang beschämt retten muss, da er dem richtigen Instinkt seiner Tochter nicht traute, die Kosten dieser Ehe leider abschreiben muss.
Wo ich gerade von Thomas Schwester Tony erzähle, kann ich auch ihre zweite Ehe noch beschreiben, die ebenfalls sehr schnell scheitert, obwohl die Verbindung mit dem Bierbrauer Permaneder aus München doch eher eine Liebesheirat war. Sicher wollte sie auch die Schande ihrer ersten gescheiterten Ehe von sich waschen, wie es eben der Moral der Zeit im 19. Jahrhundert noch entsprach, doch sie war auch fasziniert von diesem Mann und seiner manchmal etwas rauen aber doch ehrlich liebevollen Art. Dass sie ihn dann, was sie kaum auszusprechen wagt, beim Sex mit einer Magd im Treppenhaus erwischt, entsetzt sie so sehr, dass sie sofort mit ihrer Tochter die Flucht aus München ergreift, wo sie nie wirklich heimisch wurde.
Sicher spielt da viel Konvention eine Rolle, die sie das eine wie das andere mal scheitern und unglücklich werden lässt, worauf sie sich lieber um die Ehe ihres Bruders mit ihrer Pensionatsfreundin Gerda, die aus Amsterdam eingeheiratet wird, kümmert, auch wenn diese als Künstlerin ihrer nüchtern hanseatischen Art immer etwas fremd bleibt. Verliebt hatte sich Tony vorher in den Sohn des Lotsenkommandeurs in Travemünde, bei dem sie den Sommer verbrachte und der die revolutionären Ideen der Göttinger Studenten als dort Medizinstudent ihr nahebrachte, die sich sonst eher naiv als Tochter aus gutem Hause wie die Königin der Stadt fühlte. Diese Verliebtheit und was von ihr geschildert wird, ist eine der emotional ergreifendsten Stellen des Familienromans, auch wenn Tony es in ihrer Art wieder munter weiter plätschern lässt, wie auch Thomas Manns Tante Elisabeth Mann, der die Tony naturgetreu nachgebildet wurde, nach kurzer Empörung die Rolle mit Humor nahm und sich von der Familie künftig eben Tony nennen ließ.
Eine andere Verliebtheit, die des Erben und späteren Senators Thomas Buddenbrook, dem Bruder Tonys wird so beendet, wie es sich für einen Kaufmannssohn aus guter Familie gehört und mit der musikalisch leidenschaftlichen Gerda findet er ja auch eine sehr gute Partie, egal wie verliebt oder nicht. Auch die später große Nähe seiner Frau zu dem Leutnant, mit dem sie musiziert, gehört zu den zarten Andeutungen der Verliebtheit in den Buddenbrooks, die nicht nur eine Familie sondern eine ganze Stadt so treffend und scharf malten. Aber im großen und ganzen spielt Verliebtheit dort weniger eine Rolle als die soziale Rolle und die daraus resultiernden Pflichten hinter denen solche Gefühle zurückstehen müssen.
Eine geschiedene Ehe hinter sich zu haben oder nicht, führt heute noch in alten Familien zu zumindest empfunden verschieden starker Zuneigung, gelten diese doch als teilweise gescheitert, so erfolgreich sie auch sonst sind. In meiner Familie waren Scheidungen lange unbekannt, die Brüder meines Vaters waren bis über 60 alle mit derselben Frau verheiratet und folgten damit dem Vorbild der Großeltern. Später gab es dann eine Scheidung in dieser Generation, die aber wohl nur dazu führte, dass die beiden sich inzwischen besser verstehen als zuvor. Dagegen gab es in meiner Generation bereits mehrere Scheidungen. Von den 8 Enkeln meiner Großeltern sind nur noch 3 verheiratet und haben auch nur wenige Kinder bekommen und die aussterbende Familie so fortgesetzt.
Bin davon überzeugt, dass meine Eltern all ihre drei Kinder gleich lieben und nie eines bewusst bevorzugen wollten, sondern immer um Gerechtigkeit bemüht waren. Dennoch ist das Gefühl derjenigen, die nicht verheiratet oder geschieden sind, ein anderes als derer, die eine glückliche Familie haben und dieses Gefühl der Konkurrenz, die eigentlich keiner will, scheint in der Natur der Tradition zu liegen. Wie sich auch Tony ständig geißelte, weil sie doch keine gute Partie gemacht hatte, am Ende übrig blieb, trotz der guten Erziehung auch im Pensionat.
Eine Freundin von mir leidet jedes Jahr an Weihnachten ganz furchtbar, wenn sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester feiern muss, ohne einen Mann und noch dazu mit Kind alleinerziehend, während ihre Schwester glücklich verheiratet mit Kindern alles richtig gemacht hat und dies obwohl die Freundin selbständige Ärztin ist, ihr Leben mit Kind alleine vorbildlich meistert, viel mehr schafft als ihre Schwester, stolz auf sich sein könnte. Vermutlich sagen ihre Eltern nichts dergleichen, wie es auch meine nie täten, bei denen ich sogar bezweifle, dass sie sich erlaubten, so etwas auch nur zu denken, weil sie solch eine Benachteiligung nie wollten. Dennoch gibt es dieses starke Gefühl, weniger wert zu sein, was ich zum Glück nur als Idee kenne, bei ihr sehr ausgeprägt und wie sie mir erzählte, leidet sie auch an Kleinigkeiten schon und muss immer aufpassen, nicht in die Luft zu gehen.
So haben manche Zustände wenig mit der Realität um uns, dafür umso mehr mit der in uns zu tun. Dies ähnelt insofern negativ dem Verliebtsein wieder, dessen Anfang ich nicht definieren konnte, während ich hier klar sehe, es geht um die eigene Rolle, in der wir uns nur bedingt wohlfühlen und darum so irrational und bescheuert reagieren, gerne alles anders hätten, aber alles dafür tun, dass sich nichts ändert.
Goethes Sehnsucht nach dem verweilenden Augenblick gehört zur Verliebtheit, die er auch in seinen Sesenheimer Liedern für die Pfarrerstochter Friederike Brion so wundervoll beschrieb und der er sich im Geiste völlig hingab, statt seinem Jurastudium in Straßburg, wie es der Vater wünschte, der ihn irgendwann zurück nach Frankfurt rufen ließ. Zum Abschied dichtete der junge Goethe für Friederike das wunderbare Gedicht Willkommen und Abschied, in dem er mit tränenden Augen Abschied nimmt und die Summe der großen Gefühle der Verliebtheit so wunderbar bedichtete. Mit Gefühl konnte er einfach. Darum hier die Verse aus diesem wunderbaren Liebesgedicht, dass für mich immer noch eines der schönsten deutschen Liebesgedichte überhaupt ist:
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Goethe überstand diese Trennung und auch die spätere von derjenigen, die Vorbild der Lotte im Werther war. Indem er darüber schrieb, legte er die großen Gefühle ab und wie dramatisch diese waren, zeigt Werthers Tod am Ende. Zu dieser Zeit, nach seiner Promotion über die Besitzverhältnisse an einem Floh, war Goethe ganz nüchtern Assessor am Reichskammergericht zu Wetzlar, da gab es noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen.
Was es auslöst, dies seltsame Verlieben, weiß ich auch am Ende der literarischen Ausflüge hier nicht, was es bewirkt, merke ich, wenn es da ist. Obwohl eigentlich nicht mal das wirklich, weil ich in diesem Zustand eher halb bewusstlos immer war, warum von bemerken eigentlich erst hinterher gesprochen werden kann. Wenn ich aber nun nüchtern über die Verliebtheit schreibe, ist es nicht echt, weil diesen Zustand eben nur versteht, wer sich wie unter Drogen darin bewegt.
Denke, wer es verstehen will, muss sich darauf einlassen und es genießen wollen, wie bereit sein, darunter zu leiden, was in aller Regel irgendwann folgt, mögen die selbst behaupteten Ausnahmen mit ihrer Illusion weiter glücklich bleiben.
Literatur und Lyrik nähern sich der Verliebtheit besser als lange Ausführungen es hier können, darum empfehle ich dazu neben Werther und Goethes Sesenheimer Liedern noch Fontanes Effie Briest, Flauberts Madame Bovary, Tolstois Anna Karenina - um nur eine kleine Auswahl hier zu nennen, die nicht gleich abschreckt oder erschlägt. Es sind eher klassische Stücke und es gibt ganz sicher auch neuere Autoren, die schön über die Liebe schreiben, doch hilft es manchmal den großen Abstand zu wählen, um mehr Gefühl dafür zu bekommen, was bleibt und darüber hinaus noch geht, die Koordinaten jenseits der Zeit zu erkennen, in denen sich alle Menschen in einer Sache ähneln, die sich konkret nicht greifen lässt.
Sich verlieben ist bescheuert und wunderschön. Wer die Kontrolle behalten will, dem wird es sehr schwer immer fallen, sich überhaupt zu verlieben, während alle, die sich sofort fallen lassen können, sich auch leicht darin verlieren. Doch weiß ich nicht mal ein Rezept für einen goldenen Mittelweg, als zu versuchen ab und an den Verstand einzuschalten, um halbwegs nüchtern bei all dem Blödsinn noch zu bleiben. Leider oder zum Glück scheitert dieser Versuch meist schon im Ansatz, da wir verliebt nicht mehr klar denken können und wenn wir es vorher zu tun, des wunderbaren Wahnsinns dieses Zustandes total verlustig gehen.
Manchmal hilft mit Abstand darüber schonmal nachgedacht zu haben, sich in der Gefahrensituation, in der wir jeden Verstand verlieren, dessen bewusst zu bleiben, aber wirklich glaube ich auch daran nicht, weil die Liebe, wenn sie mit ihrem Wahnsinn zuschlägt, stärker als alles sein kann und wir schon sehr feste Leitplanken im Leben brauchen, uns vernünftig dagegen zu wehren.
Vielleicht können wir uns auch die Abwehr ersparen, wenn wir uns klar machen, es ist Teil unserer Natur, tut auch gut und nur weil wir, was so unvernünftig erscheint, nicht begreifen, kann es doch eine logische und damit vernünftige Folge unserer Natur sein, die in komplexer Kausalität steht. Es gibt wenig, was mich so demütig macht wie Verliebtheit. Verstehe es nicht ganz, weiß auch nicht, wie ich das je tun sollte, noch, ob ich es je wollte, aber ich nehme es, um des Glücks, was es trotz allem Risiko dabei bescheren kann, mal hin und versuche, zu genießen, was ist. Vielleicht ist das schon alles in der Verliebtheit, was wir wissen können, ich weiß es nicht.
Lukrez und Epikur werden es sicher auch als kritisch betrachtet haben aufgrund der unvernünftigen Extreme, auch wenn es ganz natürlich scheint, macht es nicht dauerhaft glücklich, glänzt dafür aber im ersten Moment desto heller. Es ist immer eine Täuschung, führt häufig daher logisch zur Enttäuschung, bringt einen völlig an die eigenen Grenzen. Dass noch irgendwie zu genießen, ist schon genug eigentlich als Aufgabe für ein Leben scheint mir.
jens tuengerthal 24.12.2016
Freitag, 23. Dezember 2016
Gretasophie 004
Ob Liebe vernünftig ist - von Glück und Unglück
Die Liebe ist ein großes Kapitel im Leben, wir lernen sie von den Eltern kennen, manchmal auch zwischen diesen noch und irgendwann lernen sie von ganz neuen Seiten kennen. Sie ist das stärkste Gefühl der Zuneigung, das ein Mensch, dem anderen entgegen bringen kann. Das Gefühl kann dabei unabhängig davon entstehen, ob es erwidert wird oder nicht.
Wir unterscheiden die Liebe in der Familie, zu Eltern oder Geschwistern, die als ganz natürlich gilt, auch wenn sie manchmal schwierig ist, gerade beim erwachsenwerden, von der geistigen Verwandtschaft zu Freunden oder Partnern und schließlich noch von der körperlichen Anziehung, die Eros genannt wird.
Das körperliche Begehren ist eng mit Sex verbunden, der aber auch nicht ausgelebt werden muss, was die Leidenschaft noch erhöhen kann, etwa in einer platonischen Liebe. Manche trennen Liebe und Sex voneinander, was die Beziehungen zueinander oft noch komplizierter macht.
Liebe ist auch kulturgeschichtlich ein ziemlich schillernder Begriff, der in vielfältiger Bedeutung verwandt wird. Auch durch die Zeiten und verschiedenen Kulturen und Gegenden wird der Begriff, den alle Menschen kennen, unterschiedlich verwendet. Die einen betonen mehr das sinnliche Element, andere stärker die geistige Eben und dabei wird wiederum zwischen der eher emotionalen und der ethischen Liebe als Grundhaltung unterschieden.
So spannend wie die vielseitige Verwendung des Begriffes Liebe ist auch sein Gegenteil, was dies ist, sind sich die Menschen auch relativ uneinig. Einige meinen das Gegenteil von Liebe sei Hass. Andere sind sich sicher, dass Gleichgültigkeit im zwischenmenschlichen das Gegenteil von Liebe ist. Die völlige Abwesenheit von Liebe kann bei Kindern zu Krankheiten wie dem Hospitalismus führen.
Ob Eifersucht oder Besitzdenken und Hörigkeit das Gegenteil von Liebe sind oder nur irgendwie ungesunde Fehlentwicklungen infolge der Liebe ist strittig. Die zur Eifersucht neigen, nennen diese zumindest in einem gewissen Rahmen normal und gesund als Ausdruck von Gefühl, das damit erst spürbar werde. Andere, wie ich etwa, halten Eifersucht immer für das Gegenteil von Liebe, weil sie nicht mehr selbstlos gönnen will sondern den anderen besitzen möchte.
Eifersucht lernt jeder schon als Kind irgendwann kennen. Es scheint auch natürliche Teile zu haben, ist von der Angst des Verlustes getrieben und wird gerne auch irgendwie vernünftig begründet, zumindest mit Vergleichen wie etwa andere Männer oder Frauen würden auf das gleiche viel weniger tolerant reagieren, was dem Gefühl der Angst und Missgunst scheinbar vernünftige Gründe aus dem Vergleich geben soll.
Bevor ich nun weiter frage, ob die Eifersucht je vernünftig oder begründet sein kann, was ich grundsätzlich bezweifle, um der Freiheit der Liebe willen, würde ich mir gern erstmal darüber klar werden, ob die Liebe überhaupt vernünftig ist oder immer nur ein irrationales Gefühl ist.
Insofern Kinder, die ohne Liebe aufwachsen und Menschen, die ohne Liebe leben, darum zu psychischen Krankheiten neigen, spricht einiges für eine ganz natürliche Neigung, der zu folgen uns gut tut, was also erstmal vernünftig wäre.
Ob allerdings das, was wir, auch über die Elternliebe hinaus, Liebe nennen, vernünftig beginnt im Sinne der Natur als Ergebnis von im Kausalzusammenhang stehenden Ereignissen, scheint dagegen wiederum sehr fraglich. Wenn wir von Liebe reden, geht es um ein Gefühl, was scheinbar keine rationalen Ursachen braucht, sondern einem tiefen inneren Bedürfnis folgt.
Aber ist es wirklich so, wie uns die Mischung aus Hormonen und Gedanken vorgauckelt?
Was zwei Menschen verbindet und warum sie von Liebe reden, hat verschiedene Ursachen aus ganz unterschiedlichen hochkomplexen Bereichen, wenn wir sie von Seiten der Wissenschaft, also vernünftig betrachten.
Zum einen lösen bestimmte Begegnungen eine besondere Folge von hormonellen Reaktionen aus, die zu dem Gefühl beitragen und dazu führen, dass wir uns verliebt oder liebend so glücklich fühlen, ganz besondere Kräfte entwickeln um zueinander zu finden.
Zum anderen hat die Liebe wissenschaftlich betrachtet auch oft eine Vielzahl von sozialen Gründen, die eine Bindung für uns attraktiv erscheinen lassen, uns Nähe fühlen, aufgrund geteilten Hintergrundes oder auch im Gegenteil mal das Fremde anziehend finden lassen.
Erziehung, Bildung, soziale Stellung, Gewohnheiten und Vorlieben mischen sich dann mit den Hormonen zu einem Gemisch, dessen Ursachen wir meist nicht mehr ganz klar logisch erkennen können. Es passt dann einfach, sagen wir, aus dem Gefühl, auch wenn dieses sich wiederum aus einer Summe von Gründen zusammensetzt, immer noch also vernünftig eigentlich sein können.
Im Bereich der Liebe hat die Vernunft einen schlechten Ruf. Eine Vernunftehe gilt heute als viel weniger wert als eine Liebesheirat, der langes Glück gewünscht wird. Vielleicht braucht die Liebe ein irrational erhofftes Glück, wenn sie auf einer unvernünftigen Basis stünde. Betrachten wir uns die Haltbarkeit, sind engagierte Ehen deutlich stabiler als die heutigen Liebesheiraten aus irrational vermuteten Gründen. Ob dies eher am Gefühl oder den sozialen Zwängen lag, wäre noch eine andere Frage, die hier aber gerade mal ist.
Aber ist es wirklich so wie der Volksmund und die Romantik sagen oder hat jede Liebe ihren Grund in einer Summe kausaler Vorgänge?
Dafür spricht, dass die Liebe Teil unserer Natur zu sein scheint und nichts in der Natur ohne einen solchen passiert, auch wenn wir die Zusammenhänge als zu komplex manchmal nicht begreifen und dann Zufall nennen. Den Zufall finden wir in der Natur vom Kleinsten, etwa dem Welleteilchendualismmus auf subatomarer Ebene, bis zum Größten, der Entstehung des Universums und woher die Energie dazu wiederum kam, da Energie ja bekanntlich nicht verloren geht. Auch in der Evolution des Menschen erkennen wir dies immer wieder, dort wo es Veränderungen gab und was sich durchsetzte und so stellt sich die Frage, ob wir auch in der Liebe nur unserem evolutionären Bauplan in den Trieben folgen oder eine eigene neue geistige Veränderung darin schaffen.
Setzen wir die Gründe der Liebe selbst oder sind sie in uns angelegt?
Warum haben wir manchmal Flugzeuge im Bauch und sind vom gleichen Verhalten ein anderes mal genervt bis zur Übersättigung, die wir dann Stalking nennen?
So kann die einseitige Liebe, wenn sie sich unbedingt erklären und um den anderen ringen will, schon zur Straftat werden, wenn dieser es ausdrücklich nicht will, während in anderen Fällen das gleiche genauso bescheuerte Verhalten zum romantischen Glück führt.
Einmal ist der Typ total süß, beim anderen fürchtet sie sich vor dem gleichen Verhalten und empfindet es als Belästigung, weil zwischen den beiden scheinbar die Chemie nicht stimmt.
Manchmal ist es das richtige Wort im rechten Moment, das ein Gefühl auslöst, was danach alles öffnet, von völliger Hingabe bis zu tiefer Liebe, noch bevor sich zwei überhaupt gesehen haben, können sie sich dann sicher sein, weil sie sich innig fühlen und verstehen, ohne dass es bis dahin auf die Chemie angekommen wäre, fühlen sie sich dessen sicher.
Solches passiert etwa bei Romanzen im virtuellen Raum, die sich in die Worte oder bloße Bilder des anderen verlieben. Manchmal gibt es vorher noch Telefonate, die dann schon entweder ernüchtern und relativieren, was die Traumwelt der Worte im Geist schuf oder diese noch lustvoll verstärken. Es gibt sogar die totale Hingabe an die verbale Leidenschaft vor der ersten Begegnung, die bis zum Höhepunkt geschrieben oder geredet wird, ohne dass sich die beiden bis dahin schon berührten oder riechen konnten.
Manchmal folgt die Ernüchterung bei der Begegnung, wenn sich zwei überraschend nicht riechen oder schmecken können, es ihnen, wie wir dann gerne sagen, komisch vorkommt. Dann erfüllt sich der Traum der Worte nicht und wir gehen wieder auf dem Boden der Tatsachen sodann getrennte Wege. Gut, wenn es beiden so geht, schlecht, wenn eine Seite darunter leiden muss.
Doch es findet sich auch gelegentlich die Liebe aus den nur Worten in der Realität wieder und wenn sie genug geschrieben haben, glauben sie auch, sich längst ganz nah zu sein. Dann ist eine solche Begegnung mit wieviel Lust auch immer, wie ein Wiedersehen und findet schnell lustvolle Erfüllung oder stolpert zumindest recht bald in die Richtung, die wir Liebe nennen.
So kann also, was wir Liebe nennen, durchaus ohne jede Chemie nur im Kopf beginnen, wobei es relativ hoffnungslos ist, sich gegen seine eigene Natur aufzulehnen. Kann mich daran erinnern, wie ich mit einer schon schönste Pläne schmiedete, alles wunderbar mir erschien und als ich ihren Schoss küsste, plötzlich Ekel empfand. Die Natur mir deutliche Signale sendete, auch wenn ich sie nicht hören wollte.
Nun könnt ich zwar auf dieses Detail des nur Eros verzichten, in dem ich sie nicht dort küsste, wenn der Rest stimmte, bedenke ich, dass diese Form der Lust sogar in einigen Bundesstaaten der USA gesetzlich verboten ist, doch schiene mir das wie eine Flucht vor der eigenen Natur. Darum ist es für mich eher der natürliche Maßstab, ob es passt.
Weiß zwar nicht, warum ich die eine gut riechen kann und die anderen nicht, was nicht nur mit dem Zeitpunkt im Zyklus zusammenhängt, sondern einfach in der Natur zu liegen scheint, da ich die Frauen, die ich liebte und mit denen ich glücklich war eigentlich immer gut riechen und schmecken konnte, während es mit den anderen nie etwas wurde.
Kannte mal eine Barkeeperin, nicht näher körperlich aber aus sehr persönlichen Gesprächen doch nahe und sie schwor auf den Geruch und die instinktive Leidenschaft, meinte zu einem Date benutze sie am liebsten keinen Deo oder Parfum, um ein Gefühl für die Chemie zu bekommen. Wenn sie leidenschaftlich liebe, stinke ihr Liebster ihr nicht mal völlig verschwitzt. Sie kam ursprünglich vom Bauernhof auf einer Insel und war ländlich, natürlich aufgewachsen, bis sie eine Karriere bei Film und Theater für eine Zeit startete.
Sie wusste, was sie wolle und was ihr dabei wichtig war, was zumindest leidenschaftlich schönen Sex erhoffen ließe, dachte ich - aber ich dachte es nur, bei uns war die Chemie wohl ihrerseits nicht so und ich kann auch nicht behaupten, dass ich es unbedingt gewollt und mich darum bemüht hätte.
So scheinen manche Dinge nach der Natur zu laufen und den Regeln der Chemie zu folgen, wie etwa die Auslösung der Lust beim Sex durch Duftstoffe, während andere ein rein geistiger Prozess sind, der allein durch Worte Erregung bis zur Befriedigung auslösen kann, selbst wenn dann noch mal kurz Hand angelegt werden sollte, wie es die Natur verlangt, ist die Lust dazu allein im Kopf oft entstanden.
Was im Kopf an Gefühl entsteht, also Produkt unserer Phantasie ist, kann aber im Körper die gleichen Hormone freisetzen, schon wie die erste Begegnung oder Berührung uns elektrisieren, wie wir sagen, um die sinnliche Spannung auszudrücken, die zwischen zweien entsteht.
Weiß nicht, was überwiegt und denke, es kann auch mal das eine, dann wieder das andere sein, ohne dass dies darum einer festen Regel folgte. Optimal ist es, wenn beides zusammenkommt und in einem ausgewogenen Verhältnis steht, mit dem wir uns wohl fühlen. Doch klingt so etwas schon wieder nach einer Vernunftehe und wirkt emotional eher abschreckend.
Was uns auf die ewige Dialektik in der Liebe bringt, dies dauernde Hin und Her zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, dass manche scheinbar zum Genuß ihres Glücks brauchen. Auch wenn ich jetzt also irgendwie ableiten könnte, dass die Liebe natürlich vernünftig sei, käme ich vermutlich bald wieder zu dem Schluss, dies sei doch in der Realität völlig egal, weil es uns aufgrund seiner Komplexität immer nur in Einzelteilen bewusst ist, die dann unser Gefühl begründen.
Dazu kommt noch, dass die Liebe gar keinen Grund braucht. Sie ist einfach und macht dann glücklich oder nicht. Erich Fried schrieb in seinem wunderbaren Gedicht, Es ist was es ist, was es mit der Liebe auf sich hat und traf es auf den Punkt für viele, die sich dort verstanden fühlten, es ist, was es ist.
Sie mag also vernünftig und unvernünftig zugleich vielleicht auch sein, weil das ihrem Wesen eben entspricht, wie eine doppelköpfige Hydra, die uns infolge auch mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite treibt, uns so glücklich macht, wie nichts sonst im Leben und zugleich unglücklicher als alles, jeglichen Lebensmut raubt, wie es Goethe in seinem Werther so wunderbar tragisch beschrieb.
Die Liebe kann alles, was sie will. Sie überwindet jede Grenze und alle Angst, kann zu völligem Glück führen, in dem wir meinen nichts könne mehr schöner sein je und denken, wie auch der olle Goethe einst dichtete, oh Augenblick, du bist so schön, verweile doch.
Wenn alles Natur ist und alle Natur logisch und vernünftig funktioniert, eben natürlich, wird die Liebe auch so sein. Doch besonders Frauen leugnen dies mit großer Leidenschaft und wenn du mit ihnen auf einen Nenner kommen willst, sind die fast dadaistisch schlichten Worte Frieds ein gutes Mittel dazu, ohne sich gegen alle Vernunft verbiegen zu müssen und Lyrik ist wie alle Minne in der Liebe immer ein probates Ziel von der Werbung zur Erfüllung zu gelangen.
Aber auch ich, für den es nichts außer der Natur gibt, keine höheren Wesen, kein Leben nach dem Tod oder vor der Befruchtung der Eizelle, ab wann immer wir es dann auch Mensch schon nennen, halte es für weiser, es lieber den Frauen, die es austragen ihrer Natur nach zu überlassen, wann es leben soll, betrachte die Liebe und insbesondere im Verhältnis zu Frauen als etwas völlig irrationales, dem ich mich mit den Mitteln des Verstandes nur beschränkt nähern kann.
Ob vernünftige Leidenschaft immer maßvoll sein muss, wie Montaigne es für die Ehe eher fordert, warum er beiden vorschlägt, die falls vorhandenen Leidenschaften lieber anderweitig auszuleben, weiß ich nicht so genau. Sicher ist aber, dass große Leidenschaft, wie es schon das Wort Leiden verrät, auch häufig zum Unglück führt und manch unschönes mit sich bringen kann. Wir sind in voller Leidenschaft fern der ausgeglichenen Gelassenheit, wie sie schon Epikur als Ideal vorschwebte, obwohl für ihn das Streben nach der Lust zu unserer Natur gehörte. Montaigne mit seinem vermutlich für die Renaissance typischen Bild von der Ehe geht es auch um die Gelassenheit, die der ebenfalls Verehrer des Lukrez teilweise auch in der römischen Stoa fand.
Eigentlich besteht eher ein Gegensatz zwischen Epikuräern und Stoikern, der von der Kirche, die in Opposition zu den atheistischen und streng rationalen aber freien Genussmenschen stand, als die sie die Epikuräer sah, besonders betont wurde, auch weil es den Epikureern mehr um die Lust als um die Pflicht ging, während die katholische Kirche unfreie und gehorsame Christen erziehen wollte, warum sie irgendwann von machtbewussten Kaisern als gut kompatibel integriert wurde, auch wenn das ein wichtiger Schritt zum Untergang Roms wohl war, dass sich auch einfach überlebt hatte, aber mancher Gegensatz hebt sich auf und der Weise lebt eklektizistisch, pickt sich also die Rosinen heraus, die ihm gerade gefallen, ohne sich darum zum Ganzen verpflichtet zu fühlen und doch nichts sucht als eben Lust im Leben.
Auch wenn der Satz eben etwas lang geriet, durch die kleinen historischen Ausflüge, bleibt davon entscheidend die Gelassenheit, sich an Gedanken zu nehmen, was gefällt, ohne dogmatisch einer Schule folgen zu müssen. Es soll die Lust mehren und keine anderen Ansprüche befriedigen, was auch die stoischen Gedanken wieder epikureisch nutzbar macht. Dies führt uns auch in die Gegenwart, in der wir wohl in einer postideologischen Zeit leben. Die großen Ideologien haben sich nahezu überall erledigt und jeder versucht irgendwie am Markt zu überleben, um es sich so gut wie möglich gehen zu lassen, was keinen festen Rahmen braucht sondern immer wieder flexible Antworten sucht.
Nun fragt sich am Ende des ersten Teils zur Liebe, wie es mit der Eifersucht ist, ob sie natürlich oder krank vom Grundsatz her bleibt und was an ihr vernünftig sein kann. Der Teil fand keine Antwort auf die Frage, ob die Liebe vernünftig ist, sie ist es natürlich immer auch, aber sie wäre eben auch nicht, wenn sie nicht völlig irrational zugleich uns vorkäme und so nehmen wir sie, wie es gerade kommt, in beiden Teilen als natürlich und alle Natur ist immer auch vernünftig.
Eifersucht als Besitzdenken steht im klaren Gegensatz zur Natur der Liebe, die dem anderen gut will und sich verschenken möchte am liebsten, weil sie eben Ausdruck tiefer Zuneigung ist und nicht der Angst zu kurz zu kommen. Von daher hat Eifersucht logisch nichts mit Liebe zu tun, wer sie empfindet, sollte sich lieber fragen, was er oder sie überhaupt will und wohin es führen soll.
Wenn es einen Grund für die Eifersucht gibt, ist es müßig, auf Treue laut zu pochen, weil diese nie eine Pflicht sein darf, sondern immer nur wenn gewollt und gefühlt einen Wert hat, als Gehorsam aber nur der Anfang des Krieges und das logische Gegenteil der Liebe ist.
Das ist ganz einfach, dazu braucht es keine weiteren Ausflüge in den Bereich der Moral. Wenn die Liebe echt und natürlich sein soll, vergessen wir besser vorher alle moralischen Grenzen, weil die Liebe immer Freiheit braucht, um zu sein. Nur wer gänzlich frei ist, kann sich verschenken, während wer einer Moral oder Konventionen folgt, unfrei ist und so also nicht wirklich lieben kann.
Wenn sie keinen Grund hat, wie meistens, weil es keinen Grund gibt, der dazu berechtigte, warum schon die Behauptung ein Witz ist, hier aber den üblichen Sprachschemen des Alltags folgt, ist sie ohnehin eine Belästigung der Liebe durch kleinliches Besitzdenken, bei der sich fragt, was die Eifersüchtigen damit erreichen wollen, da sie das Ziel ihrer Gefühle durch die Eifersucht bereits von der Liebe entfernt haben.
Es gibt also keinen vernünftigen Grund für Eifersucht. Wenn meine Partnerin einen anderen Mann mehr begehrt als mich oder überhaupt begehrt, was ich aber völlig natürlich fände und für sie hoffen will, weil alles andere verlogener Mist ist, der nur im Knast der Eifersuchtshölle enden kann, dann frage ich mich eher, was kann ich tun, um ihre Lust mit mir zu erhöhen, wenn ich es erfahren sollte. Ehrlich gesagt, möchte ich so etwas eigentlich am liebsten gar nicht wissen, um mir gar keine Gedanken darüber machen zu müssen, die vielleicht zu Angst und Eifersucht führten, weil so vernünftig der Mensch auch sein mag, so unsinnig regiert die Natur manchmal doch die Gedanken.
Es soll jeder tun, wonach ihm ist. Würde nie nachfragen bei meiner Partnerin, weil ich es nicht wissen will. Erfahre ich es, wäre es mein Bemühen, unsere Beziehung zu verbessern, damit wir noch irgendeine Perspektive wieder finden, die gemeinsame Lust neu zu wecken.
Wer liebt ist dennoch Mensch mit seiner Natur, gegen die keiner leben soll. Es wäre für mich die Pflicht des einen, es so dezent wie möglich zu gestalten, wenn das Bedürfnis eben da ist und die des anderen nicht weiter zu fragen.
Dann ist eine wunderbare Liebe und ein glückliches Zusammensein von Mann und Frau möglich. Alles andere aber ist der Mühe nicht weiter wert aus meiner Sicht, warum dennoch viele, viele Paare es anders und völlig unfrei leben, verstehe ich nicht. Werde mich nie auf so etwas einlassen, weder Treue schwören noch sie verlangen, nur alles dafür tun, so glücklich miteinander zu sein und es so zu genießen, dass es nichts sonst für uns braucht.
Wer wär ich je über einen anderen zu richten, noch dazu, wo ich diesen Menschen zu lieben vorgebe?
Eifersucht bleibt für mich der Tod der Liebe, wo sie auftritt, können beide es lieber lassen und neue Formen des Miteinanders finden, weil es nicht mehr um Liebe sondern um Besitz geht. Fragen des Besitzes regelt das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem auch passend die Ehe geregelt ist. Den Besitz sollten wir aber nicht mit Gefühl verteidigen. Es verleugnet nur die Liebe, die frei von allem und über allem ist, wenn sie ist.
jens tuengerthal 23.12.2016
Berlinstille
Was gibt es zum Breitscheidplatz noch
Neues was nicht schon alle gesagt haben
Muss dazu überhaupt etwas gesagt werden
Sollten wir es nicht gut sein lassen diesmal
Nachrichten überschlagen sich
Im immer noch Live-Ticker überall
Werden wir auf dem Laufenden gehalten
Als lebte davon einer oder änderte es was
Was geschah kennen wir doch schon
Vermutlich das gleiche wie in Nizza
Nur weniger Tote diesmal zum Glück
Von unschuldigen Toten ist die Rede
Als gäbe es schuldige Tote oder gar welche
Die den Tod verdienen würden auch noch
Lange nach Abschaffung der Todesstrafe
Müsste nun Rache barbarisch geübt werden
Rechte Radikale nutzen die Ereignisse sofort
Zum Wahlkampf und so werden die Opfer noch
Von NPD AfD und CSU zu ihren Zwecken gleich
Ausgeweidet wie frisch erlegtes Wild zum Fest
Habe lange dazu lieber geschwiegen noch
Um nicht ins Horn zu stoßen der Hysterie
Mit der BILD gleich ANGST titelte was den
Rechten Radikalen den Ball leicht zuspielte
Nun sollen wir Kerzen ins Fenster stellen um
Der Opfer zu gedenken als stürben nicht täglich
Mehr im Straßenverkehr verdienten diese dann
Weniger Ehrung als andere zufällige Opfer
Oder die viel mehr Toten in Aleppo sind sie etwa
Weniger wert als deutsche Leichen um die Ecke
Warum schrie da keiner nach Kerzen oder gab sich
Betroffen auch wenn es keinem Toten je nutzte
Tote sind tot und bleiben es auch wenn ihnen
Mit einer Kerze im Fenster gedacht wird wie
Dumm nur dass gerade alles weihnachtlich noch
Überall leuchtet könnte auch Deko also sein
Der Angriff war schrecklich und traf wie jeder
Angriff immer die Falschen auch wenn wir mal
Wieder zufällig irgendwo beim bombadieren
Noch mithelfen trifft es wieder die Falschen
Wenn wir nun der Angst verfallen wie auch
Unsere Art zu leben aufgeben und deren
Feinden noch zustimmen damit dann haben
Mit IS und AfD die Falschen gewonnen
Wir stehen im Krieg hier wie in Syrien da
Sterben eben die Leute hier wie da leider
Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz
So wenig wie im Straßenverkehr auch
Im Straßenverkehr sterben etwa so viele
Wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt
Jeden Tag was immer über 3000 Tote im
Jahr noch sind ohne Kerzen im Fenster
Auch 1970 gab es kaum Kerzen für die
Da waren es sogar fast 20.000 im Jahr
Heute nur noch ⅓ so viele wie nach der
Wende 1991 als die Ossis rasen durften
In Syrien starben längst hunderttausende
Eine Ende ist noch nicht wirklich absehbar
Zumindest über Weihnachten sollen diesmal
In der Ukraine die Waffen verlogen ruhen
Im Mittelmeer ersaufen täglich viel mehr noch
An Flüchtlingen die sich vor dem Krieg retten
Wollen als in Deutschland bisher überhaupt
Opfer des Terrors wurden seit Krieg ist
Leben scheint unterschiedlich viel wert zu sein
Wir finden es scheinbar auch völlig in Ordnung
Dies durch verstärkte Hysterie nun zu zeigen
Statt lauter die Freiheit noch zu verteidigen
Die Toten sind nicht mehr für die ist alles egal
Sie haben es hinter sich und leiden an nichts
Ist es nur die eigene Angst die mit dieser
Rituellen Hysterie beruhigt werden soll
Natürlich betroffen aber doch sachlich gelassen
Wie immer reagierte die Kanzlerin und macht sich
An die Arbeit auch wenn sie mit zwei Besuchen
Am Tatort und beim BKA etwas ablenken ließ
Es hätte schlimmer wohl kommen können wenn
Mehr Menschen zu passenderer Zeit auf dem Markt
Oder andernorts noch gewesen wären wie wir ja
In Nizza schon sehr deutlich sehen konnten
Es gibt keine Sicherheitsgarantie die uns
Gänzlich vor drohendem Terror schützte
Die freie Gesellschaft ist im Krieg logisch
Von Innen angreifbar und wird zum Opfer
Was sollen wir in dieser Situation noch tun
Als das zu verteidigen was uns wertvoll erst
Machte damit nicht Gewalt und Terror siegen
Die Angst und Unsicherheit verbreiten wollen
Die Toten tun mir nicht leid sie sind ja nicht mehr
Die Angehörigen brauchen kein Mitleid sondern
Eher noch Ablenkung es ändert nichts zu heulen
Doch darf das keiner ernsthaft laut hier sagen
So wird viel geredet und mehr noch gelogen
Weil uns unsere Toten viel wertvoller sind als
Jene in Aleppo oder im Mittelmeer nur das
Sagt keiner der sich betroffen jetzt gibt laut
Es war schrecklich und der Täter gehört darum
Bestraft wenn gefangen und genau darum wird
Krieg gegen die Islamisten geführt und gewähren
Wir denen die vor ihnen fliehen hier Schutz
Die Regierung tut was nötig ist ohne Hysterie
Das ist gut so und im übrigen sollte nun lieber
In Ruhe weitergemacht werden verteidigen wir
Lieber unseren Lebensstil in dem wir leben
Deutschland wird sich dadurch so wenig ändern
Als wenn es ein Unfall gewesen wäre noch dem
Leider einige zum Opfer fielen diesmal doch darf
So etwas den Staat nie aus der Ruhe bringen
Zu verteidigen gilt es bei Angriffen was die Täter
Angreifen und das ist unsere Freiheit wie eben
Eine westliche Art freier zu leben die Gläubigen
Als unmoralisch erscheint und schwere Sünde
Im übrigen galt der Angriff einem Beteiligten der
Koalition gegen den Terror was eben passiert
Wenn einer in den Krieg zieht wird er sich über
Opfer nicht beschweren können mehr
Die Millionen Tote Muslime nach dem Angriff auf
Amerika am 11. September übersteigen die Zahl
Der Opfer im Westen um ein vielfaches noch was
Wollen wir denen erzählen die nun Rache rufen
Haben wir uns nicht für einige Anschläge schon
Millionenfach gerächt und wer sind wir überhaupt
Richter sein zu wollen der sagt welcher Tod gerecht
Wann die Toten unschuldige Opfer nur sind
Auf all das weiß ich keine Antwort zu geben
Verstehe die Wut mancher Muslime auf den
Terror der USA in ihren Ländern den wir auch
Als Partner seit Jahren mit unterstützen
Werden wir nun Mauern bauen um uns damit
Zu schützen wie Israel es erfolglos versucht
Oder zur Sicherheit die Freiheit aufgeben die
Keiner uns wieder gibt auch ohne Sicherheit
Habe keine einfache Antwort weil es keine gibt
Es bleibt kompliziert immer in solchen Fällen
Glauben wir keinen der behauptet er wüsste wie
Nur versuchen wir was bleibt zu genießen
Berlin lebt weiter und sollte es tun wie immer
Unberührt von der Hysterie um uns herum weil
Es ändert sich nichts wenn wir uns nun aufregen
Also machen wir einfach weiter wie immer
Damit nicht die Feinde der Freiheit gewinnen
Sondern alle gemäßigten Kräfte eher die jetzt
In Ruhe ihre Arbeit machen wie es nötig ist
Es gilt nur die Freiheit weiter zu verteidigen
jens tuengerthal 22.12.2016
Donnerstag, 22. Dezember 2016
Gretasophie 003d
Klar ist Glück egoistisch, es geht ja nur darum, wie es einem geht.
Wer sich Glück wünscht, möchte glücklich sein und es geht ihm genau um seine Befindlichkeit. Doch wer von uns hat nicht schon mal gesagt, wünsch mir mal Glück, dann und dann oder dafür?
Ist wer anderen Glück wünscht darum altruistisch oder geht es bei solchen Wünschen nur um die gute Stimmung und sie sind eigentlich genauso egoistisch, wie sich selbst Glück zu wünschen?
Um dies zu beantworten, wäre es wichtig, zu verstehen, was damit gemeint ist, wenn jemand einem anderen Glück wünscht. Geht es dabei um das, was die Lateiner noch Fortuna nannten, was außerhalb unseres Einflusses liegt und wo nur, wenn überhaupt, der Aberglaube hilft?
Wer für eine Prüfung gut gelernt hat, ist eigentlich optimal vorbereitet, braucht gute Nerven und kein Glück. Solche Aufgaben sind vernünftig immer lösbar. Dennoch reden wir von Glück und wünschen es anderen vor Klassenarbeiten, Examen oder Vorträgen als ob es je noch darum dabei ginge.
Viel spricht dafür, dass die meisten Glückwünsche genau wie offensichtlich die damit verbundenen Sitten, wie dreimal gegen Holzklopfen, ein Talisman, Daumen drücken und vieles mehr, tief im Aberglauben wurzeln und auch nichts anderes ausdrücken. Es wird ein Ritual vollzogen, was vernünftig betrachtet völlig unsinnig ist, sicher keine Hilfe etwa bei der Lösung logischer mathematischer Aufgaben sein kann und dennoch hoffen sehr, sehr viele Menschen auf diesen Segen, statt ruhig ihrer Vernunft zu vertrauen.
Zum verbreiteten Aberglauben gehört auch das Lesen in Sternen, Karten oder Handlinien, um die Zukunft zu sehen oder die Dinge besser zu verstehen. Nichts davon hat einen vernünftigen Grund oder eine Beziehung zum Menschen als den Aberglauben. Dennoch erhoffen sich viele davon höhere und weitere Einsichten, als wenn sie einfach ihren Verstand benutzten und vernünftig nachdächten.
Unklar ist, ob die Neigung zum Aberglauben mehr am tatsächlichen Mangel des Verstandes bei denjenigen liegt oder aus der Natur jedes Menschen kommt, der Dinge verstehen will, die keinen höheren Grund haben. Seltsam genug versucht ja auch etwa die Astrologie, ein scheinbar logisches und komplexes Gebiet der Berechnungen auf den Aberglauben aufzubauen. Hierin ähnelt sie der Theologie und wird darum auch von ihren Anhängern mindestens ebenso ernst genommen und verteidigt.
Nicht bekannt sind allerdings bisher Scheiterhaufen der Astrologen für Leugner der Astrologie, da diese selten alleinige Staatsreligion war. Umgekehrt ließen sich aber viele hohe Piester, also auch Bischöfe und Päpste von diesem Unsinn leiten. Doch auch im eigentlich vernünftigeren Bereich der Kriegsführung mangelte es nicht an berühmten Gläubigen der Astrologie, von den Pharaonen zu römischen Kaisern bis zum Inkakönig über Wallenstein und mit Ronald Reagan bis in die Gegenwart sogar, ob deren Rar wirkungsvoller als bloßer Zufall oder ein Placebo war, lässt sich nur noch schwer verifizieren.
All diese Menschen glaubten an das Glück, höhere Zusammenhänge und Dinge hinter den Dingen, die jedem vernünftigen Menschen schlicht wahnsinnig vorkommen müssen, kritisch betrachtet und also vernünftig bedacht.
Einer der vernünftigsten, systematischsten und kritischsten Denker war der große Autor der Kritiken, Immanuel Kant. Er schrieb über den Wissenschaftler, Mystiker und Wahrsager Svedenborg seine Schrift, Träume eines Geistersehers, in der er vor dem Wahn der Magie warnt. Dazu gäbe es viel zu sagen, wie auch zu den Grenzen der reinen Vernunft und wo die Metaphysik anfängt in der Begründung der Sitten, doch soll dies weniger noch ein relativ unverständliches Philosophiebuch werden, sondern bloß eine Sammlung von Essays in denen ein eitler Vater gerne seiner fünfzehnjährigen Tochter etwas von der Welt erklären möchte, wie er sie sieht.
Da gehört Kant und seine Kritiken klar dazu aber eben nur in dem bescheidenen Ausmaß in dem meine geringen geistigen Mittel ermöglichten den Großen aus Königsberg zu verstehen. Diese Frage ist hier besonders wichtig weil es um den übersinnlichen Charakter des Glücks geht, den wir gern mit allem möglichen und unmöglichen Aberglauben auch um den Jahreswechsel pflegen. Wie wichtig ist die reine Vernunft für das Glück? Kann vernünftig glücklich sein oder widerspricht sich das?
Auch meine Eltern, eigentlich vernünftige, aufgeklärt und kritisch denkende Menschen, der Vater gebildeter Naturwissenschaftler, die Mutter eine der belesensten Personen, die ich kenne, pflegen bestimmten Aberglauben, um das Glück zu beschwören.
So wird Silvester Linsensuppe gegessen und Neujahr ein Karpfen, dessen Schuppen mein Vater das ganze Jahr oder zumindest bis er sie verliert, in seinem Geldbeutel mit sich herumträgt, weil diese dafür sorgten, dass derselbe immer gut gefüllt sei. Es werden natürlich auch immer die Daumen gedrückt und mein Vater hat während seines Medizinstudiums in Wien einst von einer Zigeunerin das Handlesen gelernt, behauptete er, tat es natürlich nicht mehr, nach dem mehrfach eintraf, was er prophezeite, weil es gegen sein Verständnis von Freiheit verstieß, was mir sympathisch war und was ich teile. Natürlich ist das nur Aberglauben, vorkritischer Unsinn, der auf bloßen Zufällen beruht. Dennoch war ich dabei lange selbst nicht ganz sicher.
So hatte mein Vater auch wie ich manches mal seherische Träume, die Dinge vorher wussten und andere überraschten. Doch ehrlich gesagt, kommen mir diese Dinge inzwischen eher wie die Twitternachrichten von Lutz Bachmann vor, der aus internen Quellen der Berliner Polizei schon vorher gewusst haben will, dass es sich bei den Attentäter um einen Tunesier handelte, weil er sich gerne wichtig macht und unter dem zunehmenden Bedeutungsverlust leidet, dem dieses möglicherweise Attentat ganz gelegen kam. Ob geheimes Wissen eher verdächtig macht oder nur den Kopf schütteln lässt, möge jeder für sich entscheiden, vernünftig wird es damit nicht und seriös werden vorbestrafte Betrüger auch nicht durch einen behaupteten Draht zur Polizei.
Will damit sagen, Hokuspokus und Magie bleiben immer Unvernünftig, auch wenn ich selbst mal solchen Unsinn mit voller Überzeugung vertrat, meinte, es müsste so sein oder werden und mich dann an der selbsterfüllenden Prophezeiung aufrichtete.
Alle Dinge haben einen Grund, wo es daran fehlt, sollten wir lernen an unserem Wissen lieber zu zweifeln als an der Natur der Dinge. Energie geht nicht verloren und Prozesse verlaufen kausal. Überall im Universum und schon immer. Im kleinsten wie im allergrößten.
Nur weil ich nicht alle Kausalitäten verstehe und übersehen kann, etwa wie chaostheoretisch der Schmetterlingsflügelschlag in Australien das Wetter in Deutschland verändert, muss ich nicht meinen, es müsse darum einen höheren Grund geben, der einem simplen Muster folgt, was ich nun zu verstehen meine und was insbesondere Menschen jenseits aller Vernunft deuten können.
Doch wo bleibt das Glück auf das viele hoffen, sei es beim Spiel, auch um Geld oder in der Liebe, die ebenfalls vielen Faktoren unterliegt von denen wir nie alle kennen und zumindest einige nie beeinflussen können?
Glück ist eben die Hoffnung, durch simple rituelle Handlungen Einfluss auf die große Kausalität zu nehmen, die wir weder überblicken noch verstehen können. Oder ist das nur dummer, naiver Aberglaube und Glück sich von so etwas zu befreien und aufgeklärt, sich voller Gelassenheit am Glück des Lebens zu freuen?
Es kann wohl beides sein, je nach Haltung zum Leben und wie weit jemand über das, was er tut wirklich nachdenkt. Für mich ist Unfreiheit und die Sklaverei der Vorurteile das größte Unglück und genau das steckt für gewöhnlich hinter dem albernen Aberglauben, der sich höheren Mächten unterwirft, die durch ein rituell albernes Verhalten zu allen Zeiten beschworen werden sollten. Für andere, wie etwa auch meine Eltern, ist es eine liebgewordene Gewohnheit, die sie pflegen, auch wenn sie wissen, wie unvernünftig das eigentlich ist.
Wie können beide Sichten auf die Welt, die sich eigentlich diametral entgegenstehen aber miteinander auskommen?
Ganz einfach, indem sie sich sein lassen, was es überhaupt einfacher macht, das Leben zu genießen, wenn wir es nicht ständig für andere verbessern wollen, sondern sie eben auch ihren rituellen Unsinn pflegen lassen, solange wir nicht gezwungen werden, uns daran zu beteiligen.
Angesichts der Gefahr für die Vernunft, die durch wachsenden Aberglauben in der Welt gerade wieder entsteht, was wir an den Kriegen der Islamisten, denen gegen sie und deren Terror als Antwort erkennen können, scheint es mir aber vernünftig, gerade jetzt mal wieder allen Aberglauben so zu nennen und auch auf dieser Ebene gleichzusetzen.
Es ist egal, ob ich aus den Sternen lese, vor der Krippe bete, das Spaghettimonster verehre oder nur Neujahr Karpfen esse, es steht auf einer Ebene, ist der gleiche Aberglaube, auch wenn sich der eine noch Glaube nennt, weil er irgendwann hoheitlich abgesegnet wurde, doch von der Begründung und Anwendung ist es immer das gleiche und vielfach geht es darum, das Glück zu seinen Gunsten zu beschwören irgendwie.
Natürlich wissen wir, dass Bleigießen Blödsinn ist und nichts über die Zukunft verrät. Dennoch wird es ganz üblich betrieben und falls es eintritt auch gerne als Begründung genommen - habe das auch schon oft gemacht, dank der Gnade meines schlechten Gedächtnisses im Bereich des Aberglaubens aber sofort wieder vergessen und kann mich nur an den Vorgang und die vielen Versuche der Deutung noch erinnern.
All dies spirituelle Zeug hat auch etwas zutiefst sexuelles. Darum machen es auch vernünftige Leute und finden es viele so geil. Es erhofft sich mancher dadurch bessere Chancen bei der Verführung oder Glück in der Liebe.
Doch fragte ich ehrlich, was wäre eine Liebe wert, die auf solchen Glück aufbaut, wäre die Antwort meist nur betretenes Schweigen.
Worauf baut eine glückliche Liebe auf?
Genau hier liegt das Problem, wir wissen manches, ahnen einiges, aber so ganz genau und sicher, wissen wir es nicht. Ist es die soziale Passung, sind es Muster der Kindheit, suchen wir unsere Eltern wieder, treiben uns nur die Hormone, also die Chemie zusammen, ist die geistige Idee des Gefühls entscheidend oder eine bunte Mischung von allem, bei dem mal das eine, dann das andere überwiegt?
Ich weiß es nicht und will auch nichts anderes behaupten. Die Wissenschaft, kann selbst, wenn sie was weiß, nur einen Teilbereich beantworten, trifft nie das Ganze der Liebe, zu der eben auch Gefühl gehört und ob das wiederum mehr aus der Erbanlage resultiert oder aus den sozialen Prozessen in denen wir leben, weiß keiner ganz exakt zu sagen. Es spielt sicher alles irgendwie eine Rolle.
Wie Alice im Wunderland am Ende des Rennens so wunderbar emotional gerecht entscheidet, alle haben gewonnen, will auch ich diese Frage beantworten, es hat viele Gründe, alles spielt in der Liebe und beim Glück irgendwie eine Rolle. Wen es glücklich macht, dies mit Aberglauben zu beschwören, der soll das tun, ich mag als Epikuräer gern glückliche Menschen.
Die eher einfach und schlicht denkenden Menschen, wie ich einer bin, sind schon glücklich, wenn sie sehen, alles ist Natur, es gibt nichts außer mir, meine Welt ist auf mich gestellt und ich kann zumindest so tun, als wäre ich frei und es so ausgiebig wie möglich genießen, was für mich das größte Glück ist. Wer es gern mit anderen teilt, sollte ihnen immer das ihre lassen und sich hüten, alles besser zu wissen, wie ich in diesen Essays, die ich aber ja nur schreibe und wie ich nicht immer unbedingt rede. Dann geht es einem vermutlich besser dabei, damit ist das Glück keine Wahrheit und auch kein Zustand größter Reinheit, sondern der bestmögliche irgendwie Kompromiss, mit dem alle leben können. Natürlich ist Glück dabei immer auch egoistisch, selbst wenn ich es anderen wünsche, weil sich mit Glück beschäftigen einfach glücklich machen kann und also auch es zu wünschen, so unsinnig das eigentlich ist.
Wünschte lieber gute Nerven oder Ruhe und Gelassenheit, aber da dies meist eine weitere Erklärung erforderte, die auch überflüssig ist, wünsche ich auch vielen einfach Glück, weil es sie glücklich macht, mir egal ist, aber glückliche Menschen in der Umgebung mich eben dafür glücklicher machen und was mehr sollte ich wollen.
jens tuengerthal 22.12.2016
Mittwoch, 21. Dezember 2016
Gretasophie 003c
Glück gibt es als dauerhaften Genuss und als kurzzeitigen Höhepunkt. An Höhepunkte haben wir eine Erinnerung, mehr bleibt selten davon. Der dauerhafte Genuss dagegen kommt, um zu bleiben.
Vielleicht ließe sich der Zustand frisch verliebt und völlig kopflos mit dem Gefühl in einer alten Ehe vergleichen, wo diese von den Beteiligten noch als Glück und nicht nur als Pflicht empfunden wird. Es gibt dann selten nur noch den ganz aufregenden Sex und die wilde Euphorie, beide kennen sich und haben sich aneinander gewöhnt, wissen aber auch genau das zu schätzen.
Etwas wertschätzen können, ist der Schlüssel zum dauerhaften Glück, denke ich, sowohl in so kompliziert komplexen Dingen wie einer Partnerschaft, als auch in nahezu allen Fragen des glücklichen Lebens. So ist es bei der Dauer wie beim Weg zum Glück, es kommt auf unsere Haltung zum Glück an.
Glücklich bleibt eher, wessen Glück nicht nur an einer Sache hängt, sondern wer sich an viel erfreuen kann. Die Sache kann auch eine Person oder ein Zustand sein. Bei Personen kann die Vielfalt des Glücks manchmal zu Schwierigkeiten führen, weil einige es nur für sich haben wollen und für unteilbar halten. Besonders in Fragen der Liebe und des Sex ist diese Sicht relativ weit verbreitet, ohne damit logisch richtiger zu werden oder mehr Glück zu bringen.
Im Leistungssport sind solche beliebt, die all ihre Kraft auf den einen Sieg setzen, wie etwa der mal wieder Weltfußballer Ronaldo, der enttäuscht ist, wenn er nicht der schönste und beste der Welt ist und der seine Eitelkeit mit großer Geste pflegt, was die einen lästern lässt, während die anderen ins Schwärmen geraten. So sehen wir es auch in der Formel 1, warum einer, der gehen kann, wenn er ganz oben steht, wie es Rosberg tat, um so mehr Bewunderung verdient, weil Leben und Glück eben mehr ist, als ein Auto möglichst schnell im Kreis zu fahren.
Die Bayern sind Deutschlands beliebteste und meistgehasste Mannschaft, weil sie die meisten Titel gewinnen, bis auf wenige Ausnahmen, das beste Team haben und am reichsten sind. Hier verbindet sich die Euphorie des Glücks über den Sieg im Sport mit einem relativ dauerhaften Glück. So müssen sich Bayernfans seltener über Niederlagen ärgern, erleben aber auch nicht die emotionale Aufregung der Fans von Werder, HSV oder BVB, die zwischen Untergang und großen Siegen oder gerade noch gerettet schwanken. Die Bayern sind für Fußballfans eine relativ sichere Bank. Wie jemand, der auf Bundesanleihen als Wertpapier setzt, weniger spekulieren möchte, als die Kontinuität liebt.
Viele die heiraten, tun dies in der Hoffnung auf dauerhaftes Glück. Ob diese Hoffnung sich je erfüllen kann oder die Ehe schon von ihrer Natur her dagegen spricht, braucht hier nicht, diskutiert zu werden. Es gibt welche, die, aus welchen Gründen auch immer, in der Ehe dauerhaftes Glück finden und viele verfolgen diese Absicht bei der Eheschließung.
Vermutlich sind die glücklichsten Ehen jene mit der geringsten Erwartung aneinander, an das eheliche Glück und das eigene darin. Dagegen sprechen viele, deren Ehen scheiterten von den enttäuschten Erwartungen, die sich nicht miteinander erfüllten. Vertrete seit längerem die Überzeugung, dass Erwartungen immer der Tod der Liebe sind und frage mich gerade, ob sich dies hier bestätigt oder die Liebe immer auch eine Erwartung hat in der Hoffnung auf Erfüllung und von daher was teilweise nicht stimmte, eigentlich gar nicht stimmt.
Voller Erwartungen in die Liebe gehen, kann nur zu Enttäuschungen führen und alle Erfahrung bestätigt das, da kein Mensch die Erwartungen eines anderen, die nur in seinem Kopf sind, erfüllen kann. Wer sich ein bestimmtes Bild von einem anderen macht, wird dies nie erfüllt finden, sondern immer entweder positiv überrascht oder eher häufiger enttäuscht werden. Je höher die Erwartung, desto wahrscheinlicher ist auch die Enttäuschung und je geringer, umso eher kann sie positiv übertroffen werden.
So werden alle, die weitgehend ohne Absicht oder Erwartung in die Liebe gehen, viel höhere Chancen haben, darin ihr Glück zu finden, als jene, die ein festes Ziel dabei verfolgen. Genauso ging es mir bisher immer, wenn ich ohne jede Absicht im Café saß, war die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dort eine Frau kennenzulernen. Wenn ich dagegen mit dem Wunsch jemanden kennenzulernen irgendwohin ging, mir die Bedürftigkeit schon aus den Augen tropfte, konnte ich sicher sein, nie jemanden zufällig kennenzulernen.
Beim Onlinedating, bei dem sich die Suchenden zuvor schon virtuell auf Interesse abtasteten, wäre es nach der Natur vermutlich genauso, doch sind vermutlich beide eigentlich so beschämt, dass sie sich nur darüber treffen konnten, dass sie eine Art Solidargemeinschaft bilden, welche dann doch wieder eine Annäherung trotz Absicht dazu ermöglicht.
Nicht scheint abschreckender in Liebe und Lust als diejenigen, die was wollen, denen nur ausnahmsweise Gnade gewährt wird, wenn das gegenseitige Bedürfnis eine Gemeinschaft aus eigentlich Scham bildet. Daraus sind die ungeschriebenen Regeln vieler Frauen beim Onlinedating entstanden, nie mit einem Mann beim ersten mal ins Bett zu gehen, was noch den Anschein anderer Absichten aufrecht erhält und scheinbar den eigenen Wert erhöht.
Nach meiner bescheidenen Erfahrung jedoch, hat warten nie gelohnt, auch wenn ich es zu oft tat, weill, wenn es passt, das Bedürfnis natürlich da sein sollte und wo nicht, weitere Versuche ohnehin entbehrlich sind. Eine Frau, die keine eigene Lust hat, sondern nur konformen Spielregeln gehorcht, lässt auch beim 10. mal nicht mehr erwarten und wird kaum je voller Leidenschaft über sich hinaus wachsen. Warten ist also eigentlich entbehrlich beim Onlinedating. Wer es will, will etwas anderes und spielt lieber als der Natur zu folgen, die er für sich vermutlich kaum mit echter Leidenschaft kennt, warum die Ersatzformeln so willig befolgt werden.
Wie oft habe ich inzwischen diese ein wenig peinlichen Paare beobachtet, die sich in netter Konversation versuchen und nichts ist leichter, als mit einer Frau zu flirten, die sich online datete und sich aber wie so viele eigentlich dafür ein wenig schämt. Habe es nur wenige male getan und dabei festgestellt, es gibt schon Gründe, warum manche sich lieber virtuell vorstellen - jedoch fällt die sonst formelle Hemmschwelle beim realen Kennenlernen einfach weg, dann gibt es keine Verabredung der Frauen nie beim ersten mal mehr, sondern die gleiche Frau, die ihr online Date tagelang warten lässt, verschwindet mit den zufälligen Typen aus der Bar noch in der ersten Nacht zueinander und plauscht mit anderen Frauen dann darüber, was es bei dem oder dem zum Frühstück gibt. Der Genießer schweigt lieber.
Wer also den schnellen Kick und das kurze Glück sucht, schmeißt sich am besten an einen Teil eines Online-Dates heran, was nicht ganz fair eigentlich ist, aber wo ist die Natur schon gerecht und wer es tut, muss mit der Realität wieder leben lernen, gut, wenn es so schnell geht. Es siegt in der Natur ganz natürlich derjenige, der seine Vorteile nutzt und auslebt. Das Spiel nennen wir sonst Evolution, die ja auch beim Geschlechtsakt eine gewisse Rolle spielt.
Das Spiel der Verzögerung ist bei vielen, eigentlich nahezu allen Frauen zu beobachten und Männer mögen es scheinbar auch. Eine, die sich schnell hingibt und uns sagt, was sie will, bevor wir uns darum überhaupt mit Erobererabsicht bemüht haben, schreckt uns ab. Zum einen weil Männer eben auch von der Evolution simpel gestrickte Tiere sind, die einfach nach Schema funktionieren, besonders, wenn der Trieb auch im Spiel ist, zum anderen weil jeder Markt nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage funktioniert.
Was breitbeinig vor uns liegt und darum winselt, ist keine Eroberung mehr. Die sich wehren, können so hässlich sein wie die Nacht, wenn sie sich nur geschickt zieren, werden sie durch die bloße Show zum reizvollen Ziel nahezu aller Männer. Es geht also nicht um ästhetische Maßstäbe dabei, auch nur scheinbar um Gefühl, was zur Realisierung logisch dauert, so wenig wie hehre ethische Maßstäbe dabei noch griffen, sondern schlicht um evolutionäres Marketing.
Aber jenseits der schlichten Begattung und dem Balzverhalten, mit dem sich mehr oder weniger erwachsene Zweibeiner immer begegnen, fragt sich, ob es auch beim Glück und der Frage seiner Dauer dies dialektische Element gibt.
Wer allein ist, träumt stets von der Zweisamkeit
Die in der Ehe leiden, wünschten mehr Einsamkeit
Können wir das eingetretene Glück wirklich schätzen oder braucht es immer mehr der Sehnsucht nach diesem, um es reizvoll und erstrebenswert zu halten?
Wenn Glück wirklich dialektisch ist, inwieweit kann es dann, seiner Natur nach von Dauer sein?
Was immer auch den Gegensatz braucht, um sich gewürdigt zu fühlen, bleibt auf Dauer nur bei hohem Seegang.
Im Gegensatz dazu steht, was Lukrez als Glück mit einem Brot, einem Käse und etwas Wasser und Wein beschreibt. Dabei geht es um die Freude am bescheidenen Glück, das auf Dauer ohne große Bewegung, kommt um zu bleiben.
Was wer sucht, scheint je nach Typ unterschiedlich. Dies aber auch nicht absolut sondern meist in irgendwie Mischformen. Der eine braucht in einer Beziehung die ständige Spannung und das auf und ab, um sein Glück zu spüren. Andere, wie ich zum Beispiel haben es da lieber ruhiger und suchen die Abwechslung lieber geistig. Manchmal ziehen sich auch Gegensätze an, meist aber ist es schwierig, solche auf Dauer zu vereinbaren.
Aber so wenig es dafür eine Regel gibt, so sehr hilft uns die Natur dabei, wenn wir bei uns bleiben. Mit sich dabei in Harmonie zu sein, hilft, glücklich zu bleiben. Wer dauerhaftes Glück erstrebt, ist gut beraten, sich darüber klar zu werden.
Wie wir am ehesten auf Dauer glücklich bleiben, hängt also davon ab, ob uns in dieser Frage eher die Abwechslung oder die Ruhe und Kontinuität liegt. Wobei Kontinuität auch im ständigen Wechsel liegen kann. Ob bei denen, die stets Wechsel brauchen, Glück von Dauer sein kann, weil sie immer die Wogen des Gegenteils brauchen, um ihr Glück spüren zu können, in der schlichten Ruhe nichts spüren.
Dabei seiner natürlichen Lust zu folgen, würden die Epikuräer empfehlen, auch wenn sowohl Lukrez wie der Meister Epikur sich für das kleine Glück als großes aus der ruhigen Haltung zu den Dingen aussprächen. Genau das läge auch mir eher, als sich in die Wogen zu stürzen mit dann meist ungewissem Ausgang.
Ein Brot und ein Käse, ein wenig Wasser und Wein mit einem Garten voller Freunde, was braucht es mehr zum Glück? Auch wenn ehrlich gesagt eine gut bestückte Bibliothek für mich jeden Garten ersetzt.
Vielleicht ist es so, wie Cicero einst sagte, wenn du einen Garten hast und dazu eine Bibliothek, wird es dir an nichts fehlen. Auch wenn der eher gläubige Cicero mit Lukrez, der sein Zeitgenosse war, nicht immer einer Meinung war, könnte er doch der Herausgeber seiner Schriften gewesen sein, insbesondere des de rerum natura, Von den Dingen der Natur, was schon für eine vielleicht nicht öffentlich gemachte Nähe der beiden spricht, wie sie in diesem Zitat anklingt - warum sonst sollte Lukrez einem Gegner die Herausgabe seiner Schriften anvertrauen?
Den Garten überlasse ich gerne denen, die es lieben mit den Händen im Grünen zu wühlen und bin ansonsten mit meiner Bibliothek vollkommen zufrieden. Das Leben ist schön, wenn wir es genießen wollen. Es zu tun, würdigt, was ist, nur angemessen.
jens tuengerthal 21.12.2016