Lektürentagebuch 25.4.25
Wunderbar liebevoll schreibt Franz Hessel
An die schöne Berlinerin die tagsüber längst
Berufstätig und abends tanzbereit ist die zu
Geistigen Dingen auch immer die ganz
Richtige Einstellung heute hat mir der heute
Nötigen Mischung aus Leichtsinn und
Zuverlässigkeit von Verschwommenheit
Wie Umriss die Güte mit Kühle verbindet
Nirgends gäbe es soviel schöne Mädchen
Auf der Straße und liebenswürdige Frauen
In der Gesellschaft wie in Berlin sie seien
Mittlerweile schon in der Welt berühmt
Nachdem sie sich soviel Mühe gegeben
Könnten sie sich anmutig auf ihrem
Lorbeer nun ausruhen womit er die
Flinke Berlinerin zur Gelassenheit mahnt
Flanieren sollten sie lernen statt überall
Die erste und beste wie längst gewesen
Auch zu sein sich in Bescheidenheit wie
Zurückhaltung mit Eleganz mehr üben
Nicht erzählen wen sie in St. Moritz trafen
Mit wem in Paris dinierten auf welchen
Bällen sie alles schon tanzten lieber sich
Kleiner machen was Größe zeigte
Wer wirklich Klasse hätte flanierte in
Ruhe über die großen Boulevards
Müsste sich nicht dabei übertreffen
Sondern ließe sich in Ruhe huldigen
All diese Ratschläge klingen sehr weise
Treffen den Charakter der Berlinerin
Wenn es so eine denn als Typ gibt
Genau und verhallen darum vermutlich
So schließt Hessel auch diese liebevolle
Ode an die Berlinerin mit dem Blick auf
Ihr Stirnrunzeln was ihn innehalten lässt
Möge sie doch bitte bleiben wie sie ist
Dieser feine Humor der aus der Ode
An die schönen Frauen die genau das
Gerne sportlich auch zeigen eine sehr
Dezente doch feine Kritik macht ist groß
Er trifft vieles was auch Fontane schon
Ähnlich über die Märkerin schreibt dabei
Ist seine Kritik höflich zurückhaltend noch
Macht sich am Ende sogar lächerlich
Das ist wieder der heilige Franziskus
Wie Mascha Kaleko ihn nannte der
Lektor vom Fischer Verlag der mit
Liebe und viel Humor dabei schreibt
Vom heiligen Franz ging es zum guten
Walter Benjamin dem später Freund
Über dessen Freundeskreis wie auch
Die Verlobung im Schwarzwald ich las
Sehr wissend erzählt Lorenz Jäger
In Walter Benjamin über das Leben
Eines immer Unvollendeten der stets
Auf der Suche nach wahren Worten blieb
Finde diese Biographie auch mit ihrem
Blick in die in Zeit und zahlreichen Zitaten
Sehr gut lesbar was von Benjamin wohl
Nicht immer so leicht zu sagen ist
Wie erging es Casanova mit den drei
Grazien mit denen er eine Nacht sogar
Mangels Kerzen im Dunkeln verbrachte
Was machte der Held der Liebe daraus
Eher nichts und musste sich sogar
Seines schlechten Benehmens um
Der Liebe willen danach schämen
In völliger Verkennung der Umstände
Beschwört seine Liebste sie möge sich
Ihm nähern versucht sie im Dunkeln zu
Jagen und verfluchte sie am Ende völlig
Erfolglos ganz grob und hässlich
Statt aufmerksam auf das Interesse
Der anderen zu achten wie blind vor
Liebe dabei lässt er die Chance voller
Unzufriedenheit und Ärger verwehen
Wie dumm sind doch die Männer die
Blind vor Liebe alle Zeichen übersehen
Eine unbedingt wollen und dafür alle
Anderen die gerne würden ignorieren
Sicher war der große Verführer da
Noch ein junger Abbé wie unerfahren
Doch beschreibt er selbst die Situation
In seinem Erinnerungen als offensichtlich
Eine Nacht im Dunkeln ungestört mit
Drei Frauen verbringen dürfen die
Genau das auch wollten klingt so
Traumhaft wie fast unrealistisch
Doch statt die Chance zu nutzen sich
Von den Frauen führen zu lassen
Verhindern große Gefühle jede Erfüllung
Steht er sich dabei selbst im Wege
Wer kennt diese oder ganz ähnliche
Erfahrungen nicht mit Frauen die dich
Mit ihrer besten Freundin zusammen
Treffen wollen und wie selten wird es mehr
Ob es immer männliche Dummheit wie
Vorliegend bei Casanova ist dahingestellt
Scheitert es meistens an den Männern
Die es gerne doch anders hätten
Ahnungslos zu bleiben wie keine
Unbedingt zu wollen ist sicher ein
Schlüssel zur Gelassenheit dabei
Fraglich nur ob es je lohnt
Nach den drei Wochen mit den drei
Koksenden Models in Südfrankreich
Sehe ich davon lieber eher noch ab
Es findet nie eine wirkliche Erfüllung
Doch zurück zu Casanova der sich
Wie ein ahnungsloser Knabe noch
Gegenüber den jüngeren Mädchen
Benahm aus Liebe keine bekam
Aufrichtige und echte Gefühle werden
Gerne von den Damen beschworen
Real aber Flexibilität erwartet die sich
An die gerade Umstände anpasst
Wo wir wie Casanova im Dunkeln
Offensichtlich nichts erreichen die
Chance im übrigen zu ignorieren ist
So verbohrt wie dabei ignorant
All dies ist weniger verführerisch als
Nervig für alle Beteiligten die es bei
Offenen Worten ganz wunderbar
Hätten haben können miteinander
Große Gefühle sind wunderschön
Aber verführen auch zu großer
Blindheit wie Dummheit schnell
Die keinen glücklicher macht
Warum ein gutes Verhältnis von
Spezieller und allgemeiner Liebe
Helfen kam mehr zu genießen was
Die Natur nach ihrer Art so will
Auf der Suche nach einer Antwort
Auf die Frage was Aufklärung sei
Lotet Hartmut Böhme die Kritik als
Kritik an den Aufklärung weiter aus
Der emeritierte Kulturwissenschaftler
Von der Humboldt Universität verfällt
Dabei wie einige andere Autoren der
Sonst guten Essay Sammlung wieder
Horkheimer und Adornos Dialektik der
Aufklärung ohne diese irgend besser
Zu begründen als mit den Fehlern des
Menschenbildes der Epoche allein
Dies ist jedoch eine nur soziale Kritik
Welche dogmatisch nicht greift weil sie
Aus fehlerhaften Folgen auf das der
Epoche zugrunde liegende Prinzip schließt
Wie Kant selbst richtig feststellte lebte er
Zwar in der Epoche der Aufklärung die
Jedoch weit entfernt davon war als
Aufgeklärt bezeichnet zu werden
Dieses ständige Streben jedes Menschen
Sich aus der Unmündigkeit zu befreien
Endet nie sondern beginnt immer neu
Warum es gerade mehr Aufklärung braucht
Während immer mehr Narren lieber
Ihre Freiheit an vermeintlich große
Führer abgeben suhlt sich naives Volk
Im spirituell esoterischen Hokuspokus
Die Pandemie zeigte die dramatischen
Auswirkungen dieser kollektiven Verblödung
Ganzer Regionen im Osten erschreckend
Die aber eine Solidarisierung bewirkte
Von diesem Gefühl der Unsicherheit was
Durch Verschwörungstheorien gerade von
Impfgegnern noch verstärkt wurde leben
Politische Extremisten an den Rändern
Das Streben dieser nach aller Vernunft
Zu isolierenden Fanatiker nach einer
Anerkennung ihres Wahnsinns als normal
Vereint sie in entsprechenden Parteien
Genau diese Bewegung die sich die
Neue Rechte wie Putin und Trump
Zunutze machen um ihre Macht zu
Stabilisieren zeigt was dringend ist
Mehr Aufklärung im Sinne Kants
Keine relativerende Dialektik auf
Basis religiöser Verantwortung
Sapere aude - haben wir Mut
jens tuengerthal 25.8.25