Samstag, 12. August 2017

Liebessex

Wie sich Sex und Liebe zueinander verhalten, ist eine der spannendsten Fragen, die uns viel über den Charakter der Beteiligten und ihr Talent zur Lust lehren.

Vorab erstmal zu dem weniger spannenden Thema, ob es auch ohne geht, es also Sex ohne Liebe oder Liebe ohne Sex gibt. Sex ohne Liebe gibt es und ist ein großes Geschäft immer noch. Gäbe es keine sexuelle Befriedigung ohne Liebe, hätte es nie Prostitution gegeben. Diese gab es seit Menschengedenken immer und wird es trotz aller verwirrten Verbote irgendwie immer geben. Wenn die ehrliche Hurerei, wie gerade von Skandinavien ausgehend, überall verboten würde, überlebte die Prostitution dennoch in der Ehe als anerkannter Form des käuflichen Sex, bei dem nur die Modi des Geschäftsabschlusses etwas versteckt werden. Gerade Kulturen, die hohen Wert auf ihre häufig religiöse Moralität legen, betreiben die Ehe in der Form des legitimen Beischlafs als Geschäft zur gegenseitigen Versorgung.

Um so verpönter es ist, die Dinge beim Namen zu nennen, die Ehe also als Hurerei mit Siegel zu bezeichnen, desto mehr ist sie es für gewöhnlich faktisch. Einziger Unterschied zur gewöhnlichen Hurerei ist in vielen Fällen nur, dass es zwischen Ehepartnern kein ehrliches Geschäft ist und dass Liebe dabei vorzutäuschen, ein wichtiger Bestandteil bleibt, womit die ehrliche gute Sache, der Vertrag über gemeinsamen Sex zur wechselseitigen Befriedigung, in den Hintergrund gerät und als wertlos betrachtet, dies infolge meist auch wird, was beide Seiten unbefriedigt hinterlässt.

Dies muss aber nichts an der Liebe ändern, auch wenn diese sich für viele nur noch in der Missgunst ausdrückt, mit der sie auf ihre ehelichen Rechte in der Form der Ausschließlichkeit bestehen, ohne diese wahrzunehmen oder dem anderen schenken zu wollen. Die Frage, ob dies auf Dauer glücklich macht oder befriedigt scheint begründet.

Ein Teil der mehrheitlich Frauen hat sich damit abgefunden, dass von der großen Liebe nur geträumt wird und dafür gelebt wird, was halt geht. Vielfach sind es diese, die dann betonen, es käme ihnen mehr auf Zärtlichkeit und Nähe als auf Befriedigung beim Sex an. So unbefriedigend ist und bleibt der Sex mit ihnen auch. Manche stört das nicht, wie es auch viele Männer gibt, die gerne ins Bordell gehen, um sich gegen Geld in den Frauen dort zu befriedigen, ohne emotionalen Stress oder ähnliches. Die dort Huren geben beim Sex vor, Spaß zu haben, was aber eigentlich gegen die Hurenehre geht, da es ja nur ums Geschäft geht dabei.

Dieser Sex ohne Liebe kann besser sein als der Sex ohne Beteiligung aber mit Liebe, zumindest körperlich für eine Seite weniger frustrierend und die andere wird dafür bezahlt, dass der zahlende Gast ein gutes Gefühl behält. Ein ehrliches Geschäft, was nur moralisch anrüchig ist und dennoch millionenfach praktiziert wird, so gibt es mittlerweile Bordelle mit einer Flatrate für langjährig frustrierte Männer, auch wenn ich bezweifle, dass diese darum mehrfach können und sich eine solche Flat wirklich auszahlt, die Gegenstand großer Aufregung von feministischer Seite ist. Es kostet einfach mehr und führt Mann sogleich die Beschränktheit seiner Fähigkeiten vor aber gerüchteweise soll es für manche ein ähnlich großartiges Gefühl vermitteln, wie ein All-you-can-eat-Buffet, an dem sie auch nicht mehr verzehren können als sonst oder sich nur bis zur Übelkeit überfressen.

Beim bezahlten Sex geht es nur um die Befriedigung des Kunden, um die sich die dafür bezahlten Damen oder Herren entsprechend bemühen. Hier fällt die emotionale Komponente völlig weg, was viele, gerade Herren erleichternd finden, auch wenn es einige auch verheiratete Männer gibt, die bei Huren mehr Zärtlichkeit und emotionales Verständnis bezahlen als wilden Sex und die solche Termine nur zum Reden oder Kuscheln verabreden. So verschwimmen manche Grenzen und es wird die Hurerei in alle Ewigkeit geben, ob sie nun Ehe oder Bordell genannt wird.

Neben dem bezahlten Sex ohne Liebe, der klassischen Hurerei, gibt es auch die freie Verabredung zweier Bedürftiger zu ausschließlich sexuellen Zwecken, wozu es speziell sexuelle Plattformen oder entsprechende Clubs gibt und für weniger freie Menschen gibt es dann noch die Dating Plattformen wie Finya oder Tinder, die ähnlichen Zwecken dienen, es nur anders nennen, zumindest weniger offensichtlich sind.

Neben der virtuellen Verabredung zum Sex gibt es auch noch die Möglichkeit in Bars oder Clubs Menschen mit diesem ausschließlichen Interesse zu treffen, allerdings ist dabei, wie immer im realen Leben, die Gefahr, dass sich einer der Beteiligten doch verliebt, ob er das nun wollte oder nicht, deutlich größer. Auszuschließen ist das auch nicht bei der virtuellen Verabredung aber zumindest kann dem vorab verbal vorgebeugt werden, was manchmal helfen soll.

Rede da eher theoretisch, da ich mich immer lieber verliebte, wenn ich Sex hatte oder zumindest mit dieser Absicht an die Sache heran ging, da ich finde, alles andere ist eher eine Form von rhythmischer Gymnastik am Ende, die zwar befriedigen kann aber nur sportlich bleibt, weil ihr das romantische Element fehlt. Dafür muss, wer um der Liebe willen Sex hat, viele Kompromisse eingehen und bemerkt oft erst hinterher, wie wenig lohnend das ganze eigentlich war, weil ja verliebt nicht über Vorlieben, Stellungen und ähnliches gleich geredet wird. Dafür ist die gegenseitige verliebte Hingabe so viel schöner, dass alle anderen Versuche sexueller Befriedigung damit verglichen überflüssig erscheinen.

Die Verliebtheit führt dabei sogar zu einer teilweisen Erblindung, die manches nicht erkennen lässt, was zu einer gedeihlichen Sexualität erforderlich wäre. So habe ich mich dreimal verlobt, ohne eine schöne gemeinsam befriedigende Sexualität zu haben, war dabei eigentlich, weil ich es ja anders kannte, ständig frustriert und habe den Betreffenden dennoch lebenslängliche Paarung versprochen, weil die Liebe oder das Bedürfnis nach Bindung größer war als das natürliche Bedürfnis nach gutem Sex.

Zum Glück ist der Mensch ja lernfähig, könnte ich nun sagen, da sich inzwischen alles zusammenfand, was ich mir nur an Glück in dieser Hinsicht wünschen könnte - doch könnte ich dieses Glück genauso dem Zufall zuschreiben, da ich mich genauso gebunden hätte, wenn der Sex nicht so perfekt gewesen wäre, weil die Größe der Liebe doch alles überragen soll und wichtiger sein muss als ein kleinliches Timing beim Sex. Weiß ja inzwischen eher wie viele Menschen dieses Glück nie im Leben haben und den Sex eher als einen nunmal dazu gehörenden und artistisch zu erledigenden körperlichen Akt ohne echte Leidenschaft betrachten und habe an diesen Fällen ja schon oft genug gelitten, solchen Frauen dreimal die Ehe versprochen, auch wenn ich es hätte besser wissen sollen.

Die Liebe kann also unabhängig vom Sex sein und stärker als dieser, auch in eigentlich sexuellen Beziehungen und das wird meist für moralisch gut und richtig gehalten. Im Gegenteil wäre es auch aus meiner Sicht höchst verwerflich gewesen, eine Beziehung zu beenden, nur weil ich mit den Frauen nicht zusammen kommen konnte oder der Sex nicht so toll war, denn natürlich kommt es für die lebenslängliche Partnerschaft von Mann und Frau wie für die große Liebe ohnehin auf ganz andere Sachen als nur Sex an.

Doch schon dies Wörtchen “nur” ist höchst verdächtig, denn guter Sex, der beide zufrieden stellt und glücklich macht, ist nicht nur das beste Mittel, auch Konflikte zu klären, sondern hilft uns auch, einander wirklich nahe zu kommen und wo es in dieser Hinsicht eben nicht harmoniert, wird auch der Rest immer nur ein irgendwie Kompromiss sein, auf den sich nur einlassen sollte, wer ansonsten alternativlos den Rest seines Lebens alleine wäre.

Eine Ehe kann auch ohne funktionierenden gemeinsamen Sex, der beide möglichst zeitgleich befriedigt, glücklich sein. Kinder, Familie und manches mehr kann Brücken über Mängel schlagen, die uns eigentlich unzufrieden machen. Dies alles kann gehen und muss in vielen Fällen gehen, weil die Dinge eben sind, wie sie sind. Doch kulturgeschichtlich betrachtet, ist die unbefriedigte Sexualität vermutlich wichtiger für das gedeihliche Zusammenleben der Menschen als alle Religionen und sonstigen vorgeschobenen Ersatzgründe.

Wer guten Sex hat und gemeinsam Befriedigung findet, hat die Chance dauerhaft schon allein dadurch, der Natur folgend glücklich zu sein. Wer nicht, wird dies durch anderes kompensieren wollen oder, falls eine Seite dies Glück schon kennt, immer irgendwie unbefriedigt sein, was keinen auf Dauer glücklich macht. Alle, die dies nicht kennen, sollten sich nun bloß keine Sorgen machen und einfach weiterleben wie bisher, wenn es ihren Partnern genauso geht, können sie auch so halb befriedigt vollkommen glücklich vermutlich durchs Leben wandeln. Falls es nicht so ist, wird die Natur sich eigene Wege irgendwann suchen.

Kann es in einer solchen, für eine Seite unbefriedigenden Beziehung je Treue geben, außer erzwungen und was tun sich die Partner damit an?

Während Liebende, die glücklichen Sex mit gemeinsamer Befriedigung leidenschaftlich teilen, nicht über das Wort Treue nachdenken müssen, weil sie ja miteinander alles haben, wird es bei den Liebenden ohne glücklichen Sex schwieriger.

Habe das unterschiedlich und je nach Gelegenheit verschieden gehandhabt. Der langweiligsten meiner drei Verlobten, bevor sich Sex und Liebe so glücklich bei mir fanden, war ich am treuesten, was auch daran lag, dass wir in dieser Zeit nahezu jede Nacht miteinander verbrachten und ich hervorragend neben ihr schlief, was zumindest ein irgendwie auch zufrieden machender Ausgleich für den Mangel an echter Befriedigung war. Bei den anderen war es unterschiedlich aber es gibt Dinge über die sogar der schreibende Gentleman besser schweigt, sogar wenn eine Dekade vergangen sein sollte inzwischen.

Sex und Liebe verbunden ist das Beste, was es geben kann. Es ist, wenn du es einmal glücklich erfahren durftest, alternativlos und macht die vielen Versuche der Menschen um dich eher lächerlich und entbehrlich. Wenn alles passt, ist alles gut und es stellen sich keine Fragen mehr. Dann wird Sex ohne Liebe zum nur noch langweiligen Sport, der noch dazu mit einem stets schlechten Gewissen vor sich selbst verbunden wäre, weil ich meinem Gefühl untreu wäre. Warum sollte ich mir so etwas, logisch bedacht, noch antun?

Mir fällt kein Grund ein. So bin ich meiner Liebsten und vierten Verlobten vollkommen treu, nicht weil ich Treue aus Prinzip richtig fände, bin da eher liberal und sehe solche Fragen locker, sondern, weil ich nichts besseres mehr erwarte, nichts an das Vorhandene heranreichte und wenn doch, ich dadurch den mir wertvolleren Charakter der Liebe beeinträchtigte, was nichts wiederum wert wäre. So kann ich sagen, ich habe alles gesehen, alles erreicht und lehne mich glücklich, mit dem was ist, nun zurück und es ist gut so.

Natürlich ist noch Sex ohne Liebe für mich vorstellbar, kann ich reizvolle Frauen schön finden, aber in Summa und gemessen an dem, was für mich zählt, kann ich sagen, nichts wäre es wert, den Status quo, der, wie ich inzwischen weiß, keinesfalls selbstverständlich ist, aufzugeben und genieße lieber, was ist, statt mich noch jemals zu fragen, was sein könnte oder anders aufregender oder besser wäre.

So wie ich nicht das Bedürfnis habe, noch die Welt zu sehen oder irgendwo unbedingt hinzufahren, muss ich auch nicht mehr andere Schöße schmecken oder fühlen, Brüste begreifen. sondern lehne mich zufrieden zurück und denke, besser wird es nie, was natürlich ein bloß vom Gefühl getragenes Urteil ist, aber auf was sonst sollte ich mich in der Liebe noch verlassen.

Bleibe also auch am Ende dabei - Sex ohne Liebe geht, ist aber eher sportlich, liegt mir also ohnehin weniger und wenn du alles hast, wirst du im Leben immer glücklicher sein, wenn du dich damit zufrieden gibst, statt dich nach anderem zu sehen und was außer glücklich sollte ich im Leben sein wollen?

jens tuengerthal 12.8.2017

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