Donnerstag, 10. August 2017

Verlustangst

Manche fürchten sich lieber, statt etwas zu ändern, damit sie sich nicht mehr fürchten müssen. Dann richten sie sich in ihrer Angst gemütlich ein und klagen gern, halten alle, die es anders sehen für Verräter oder Idioten, während sie mit ihrem Glauben an Verschwörungstheorien oder ihre alles dominierenden Ängste, allen übrigen eher verrückt erscheinen.

Normalerweise sind diese ängstlichen Menschen in ihrem Wahn in der Minderheit und eine allenfalls belächelte Randgruppe, die nur manchmal unangenehm laut wird, wie wir es gerade lange bei den Pegiden in Dresden erleben mussten, die ihre Xenophobie nur noch wenig als Kulturrettung für das Abendland zu tarnen versuchten. Unter den Wählern der Extremisten am rechen und linken Rand findet sich ein überproportional hoher Anteil an solch ängstlichen Menschen.

Warum Menschen sich lieber in die Angst flüchten, als den Mut zu wählen, mit dem sie sich gut fühlen würden, habe ich noch nie verstanden. Frage mich aber, ob dies je auf objektiven Tatsachen beruht oder aus egal welcher Sicht immer nur eine Frage der Haltung ist.

Angst vor etwas zu haben, ist nur eine Frage der Einstellung. Es gibt keine objektiven Kriterien für Angst, nur gewisse Ähnlichkeiten bei Gruppen von Menschen. Angst ist laut Wikipedia ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Krankhaft übersteigerte Angst wird als Angststörung bezeichnet.

Viele Menschen fürchten den Tod, andere überhaupt nicht, suchen ihn im Gegenteil für sich als Freitod oder als Attentäter im Selbstmordanschlag. Die Bedrohung, vor der sich ängstliche Menschen fürchten, braucht keine objektiven Kriterien, es geht ja um ein Gefühl und also nur eine Empfindung des Betroffenen, für die keine allgemeinen Maßstäbe gelten.

Als Junge hatte ich Angst im Dunkeln, ließ immer Spalten im Rollladen und meine Eltern mussten mir versprechen, Licht im Flur an zu lassen, zu dem meine Tür einen Spalt offen stehen solle, damit ich beruhigt einschlafen konnte. Einen Schutz gab mir mein Teddy in der Nacht, den ich überallhin mitnahm und daher sogar mit auf die Klassenfahrt nehmen wollte, was allerdings auf keinen Fall rauskommen durfte, da so etwas für einen fast zehnjährigen Jungen total peinlich wäre. Stand also nicht zu meiner Angst, ohne den Teddy nicht einschlafen zu können, sondern ließ ihn insgeheim von meiner Mutter in mein Kissen einnähen, das mitzunehmen nicht peinlich war.

Liebte meinen Teddy, stand aber nicht dazu, weil es nicht zu meiner Rolle als Junge passte und so wurde die Angst aus der Rolle zu fallen, mir wichtiger als das eigentlich heilige Gefühl der Liebe. Diese Angst bestimmte mein Leben, bis Liebe und Leidenschaft für die Frauen alles andere überwog und dabei natürlich kein Mann seinen Teddy mitnehmen konnte.

Vorher aber hatte ich noch lange Angst, meinen geliebten Teddy irgendwo zu verlieren und hätte mir nicht vorstellen können, ohne ihn zu leben. Da ich entsprechend vorsichtig mit ihm war und immer auf ihn aufpasste, habe ich ihn tatsächlich nie verloren. Irgendwann habe ich ihn dann vergessen und er landete dann eine zeitlang bei meiner Tochter und von da vermutlich aussortiert als eben uralter abgegrabbschter Teddybär, dessen Hände und Füße meiner Mutter schon mehrfach mit Lederenden geflickt hatte, weil ich ihn über die Jahre so durchgeliebt hatte, als olles Ding im Keller, wo er nun in einer Kiste das Leben anderer vergessener Stofftiere teilt.

Bei  meinem Teddy traf sich die Verlustangst mit der allgemeinen Kinderangst im Dunkeln, über die ich mit der gewohnten Gegenwart hinweg kam. Verlustangst gibt es in vielen Formen und deren schlimmste Form ist die Eifersucht. Es gibt immer noch Menschen, die meinen Eifersucht sei eben eben eine Ausdrucksform der Liebe, ungebändigtes Gefühl und völlig in Ordnung. Das halte ich für einen Irrtum. Zwar ist Eifersucht meist getrieben durch Verlustangst und von daher der kindlichen Angst um meinen Teddy, für den ich mich zugleich öffentlich schämte, weil ein Junge doch als Held ohne können musste, sehr ähnlich, doch ist sie in einem entscheidenden Punkt anders. Es geht dabei um ein anderes menschliches Wesen, das wir kaum je lieben können, wenn wir es besitzen wollen, wie einen Teddy.

Sicher habe ich meinen Teddy geliebt aber auch wenn ich ihm viel anvertraut habe und mir sicher war, er würde mich irgendwie beschützen, wusste ich doch, er war ein Stofftier - eine bewegliche Sache, wie ich es im Jurastudium nennen lernte, kein lebendes Wesen, warum ich ihn auch ohne Bedenken in das Kissen einnähen lassen konnte. In der Liebe zwischen zwei Menschen, die interessant wird, wenn die Teddys uninteressant werden, der Trieb neue Gewohnheiten schafft, geht es dagegen um die Begegnung von zwei selbständigen Wesen und die Liebe hat nur einen Wert als Gefühl, wenn sie nicht gekauft wird, sondern ein Geschenk um ihrer selbst willen ist. Es soll von “Herzen” kommen, was immer die Blutpumpe real damit auch zu tun hat, gilt uns Liebe nur was, wenn sie echt ist, ohne dass wir immer so genau sagen können, was dies echte eigentlich ist.

Auch manche Fußballvereine werben mit der wahren Liebe ihrer Fans. Dies besonders bei bodenständigen Menschen und schlichteren Gemütern, wie es etwa der BVB seit Jahren erfolgreich tut und dabei noch die Melodie aus Pippi Langstrumpf ein warmes, kindliches Gemeinschaftsgefühl schafft, auch wenn dies real wenig mit dem nüchternen Geschäft des Fußballs zu tun hat, noch dazu bei einer Aktiengesellschaft, aber Gefühl verkauft sich eben besser als nüchterne Zahlen.

Das hat nun auch die CDU begriffen und setzt für den Wahlkampf der Kanzlerin, die bisher eher mit einem schlichten, “sie kennen mich”, erfolgreich war, auf eine mit besonders emotionaler Werbung erfolgreiche Werbeagentur. Lassen wir uns überraschen wie die eigentlich nüchterne Merkel, die ihr Amt eher korrekt wie ein preußischer Beamter führt, nun auf der Welle des Gefühls reiten wird. Dass sie es kann, hat sie schon mehrfach bewiesen, wenn sie mit feinem Gespür auf bloße Stimmungen im Volk reagierte und ihre Überzeugungen rasch an das genaue Gegenteil wieder anpasste. Sie reagiert meist sehr dezent, lässt die Dinge, wenn möglich, alleine geschehen und ihren Lauf nehmen. Ihr Programm ist Vertrauen in Erfahrung und Kontinuität für eine breite Mehrheit aus der Mitte. Damit bietet sie wenig Angriffspunkte und muss sich kaum auf Provokationen und Polarisierung einlassen.

Anders der verzweifelte und etwas peinliche Kandidat der SPD, der Herr Schulz von nebenan, der für einen Buchhändler erstaunlich glaubhaft völlig unintellektuell wirken kann. Er schürt die Angst vor Ungerechtigkeit und also die, zu kurz zu kommen, die vielen Deutschen noch wichtiger lange war als die Verlustangst und wirbt für mehr Gerechtigkeit, die er als noch kleinerer Koalitionspartner der Regierung nicht glaubwürdig vertreten kann. Er appelliert also an ein Gefühl und will eine Stimmung nutzen, die wenige seiner Wähler betrifft.

Wer wirklich Angst hat, sozial zu kurz zu kommen oder meint zu den Verlierern der Hartz IV Reformen zu gehören, wird eher die Linke wählen als die alte Sozialdemokratie, die diese Regelung einst an der Macht selbst einführen ließ. Die Sozialdemokratie ist, stark, wenn sie sich als vernünftige Kraft der Mitte präsentiert, die ökonomisch erfolgreich arbeitet und ein Bündnis zwischen Arbeitern und Arbeitgebern schmieden kann, mit dem es der Mehrheit real besser geht.

Sie scheitert, wenn sie sich als bessere Linke präsentiert, weil diese Positionen kein vernünftiger Bürger aus der Mitte wählen kann. Mit Schulz, dem langjährigen Parlamentsvorsitzenden in Brüssel und Straßburg, der lieber Kommissar geworden wäre als Kandidat aber angesichts der Aussichten auf europäischer Ebene den Rückzug auf nationale Ebene vorzog und nun alles tut, die SPD zum schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte in der BRD zu führen, weil er an die Verlustangst der Wähler und die Angst vor Ungerechtigkeit appelliert, ohne ihnen glaubwürdig ernsthaft oder populistisch brauchbar eine Alternative bieten zu können, weil er entweder als Regierungsmitglied oder als europäischer Politiker schon lange Teil des Systems ist, dass er damit unglaubwürdig angreift, ist die Sozialdemokratie  am Tiefpunkt ihrer Geschichte und Glaubwürdigkeit angekommen - Angst ist eben keine Perspektive.

Nach einem kurzen medialen Boom für den Überraschungskandidaten, der als Mr. 100%, noch seiner Partei alle Angst vor der erneuten Niederlage gegen Mutti nahm, ist er inzwischen auf unter Steinbrück-Niveau gelandet und schon scheint vielen sein Vorgänger, der sich auch durch nichts verdient machte als die Dauer seiner Amtszeit, wieder als der bessere Vorsitzende. Langsam bekommen es auch die üblichen stromlinienförmigen Jubelchargen der Partei mit der Angst zu tun, da dieser Würselner Lückenbüßer nun sogar ankündigte, sein Amt auch im Falle einer Niederlage, nicht aufgeben zu wollen.

Wer mit Angst in der Mitte in Zeiten der Hochkonjunktur und bei niedriger Arbeitslosigkeit erfolgreich werben will, muss mindestens naiv sein. Wer schlecht redet, was gut läuft, dessen Teil er vor allem seit Jahren irgendwo immer war, braucht verdammt gute Argumente, um nicht zum Clown zu werden. Bisher sieht es eher danach aus, als trüge Schulz die rote Nase nicht als trocken gelegter Ex-Alki sondern viel mehr als Witzfigur, die kein Argument hat, die von ihr getragene und vertretene Politik plötzlich schlecht zu reden.

Ob der Spezialdemokrat darum solch populistische Argumente immer wieder nutzt, die ihm keiner abnimmt und die nur die Parteien für ängstliche Randgruppen und Verlierer, AfD und Linke, stärken?

Es sammeln sich dort in den beiden radikalen Parteien nicht nur die klassischen Verlierer und Ewiggestrigen sondern all jene, bei denen die Angst etwas zu verlieren, die Hoffnung, zu den Gewinnern zu gehören, überwiegt. Die Wähler der nur scheinbar gegenüberliegenden politischen Pole sind sich näher, als vielen ihrer Anhänger bewusst ist.

Bei  Amazon könnte als Vergleichsangebot stehen, wer heute AfD oder Linke wählt, hat meist auch Angst, zu kurz zu kommen oder nicht genug zu kriegen, glaubt, es ginge ungerecht zu und fühlt sich besonders benachteiligt. Warum angesichts dieser bekannten Fakten die SPD einen Gerechtigkeitswahlkampf auf einen Kandidaten zuschneidet, der nur unter Quotengesichtpunkten irgendetwas abbekommen konnte noch, scheint relativ unklar, angesichts ihres hohen Potenzials unter Beamten.

Wer mit der Angst spielt, wird von ihr erfasst und kommt schnell in ihr um, weil sie stärker wird als geahnt, in Potenz wächst. Wie oftmals völlig irrational, um nicht zu sagen idiotisch, sich ängstliche Menschen verhalten, ist bekannt. Warum Menschen sich dagegen freiwillig und voller Begeisterung der Angst und ihrer Herrschaft unterwerfen, bleibt rätselhaft und könnte doch der Schlüssel zum Erfolg der Populisten sein, die nicht nur von mangelnder Bildung profitieren, sondern auch eine Befriedigung in der Angst schenken, wie sie vernünftigen Menschen völlig unverständlich ist, die aber der Hauptantrieb bei Pegida und Autonomen ist, die Provokation zu suchen.

Wer sich verfolgt fühlt und aus diesem Kitzel noch Befriedigung zieht, wird sich im Kreis der Verfolgten wohl fühlen und die Gesinnungsgenossen werden ihre Ängste noch wechselseitig potenzieren - hier gilt dann nicht, meiner ist länger, die klassische Konkurrenzangst unter Männern, die schnell zur Impotenz führt, falls Mann sich unterlegen fühlt, sondern mein Horror und meine Angst sind viel größer und begründeter.

So erinnern die Horrorszenarien vom Untergang des Abendlandes und den Vergewaltigungsorgien der Islamisten, genau wie entsprechende Ängste auf der linken Seite, vor dem Faschismus der Eliten oder der sozialen Ausbeutung mich immer mehr  an die Quartettspiele kleiner Jungen, bei denen es uns auch immer darum ging, den anderen mit höherer Geschwindigkeit, geringerem oder größerem Gewicht,  mehr PS und anderen Vergleichsmaßstäben auszustechen. Es dauerte, bis ich bemerkte, dass weniger die  ausschließliche Konzentration auf Rekorde immer gewinnen ließ, sondern das geschickte Pokern mit relativen Qualitäten -  manchmal ist am Ende auch Sieger, wer den Kürzesten hat, wenn er ihn nur richtig einzusetzen weiß.

Überhaupt scheint mir die Leidenschaft für Angst und Katastrophen vielfach die Folge von zu wenig oder zu schlechtem Sex zu sein, denn warum sollte je danach trachten, sich mit solchem Unsinn wie Angst selbst zu quälen, wer guten Sex und tiefe gemeinsame Befriedigung kennt?

Wer genießen kann und dies zu leben versucht, hat weniger Raum für Angst und mehr für schöne Träume und Lust, was das Leben fraglos angenehmer macht. So könnte ausreichend guter Sex vielen Extremisten das Wasser abgraben.

Doch bedenke ich, wie schwer das inzwischen vielen Menschen fällt und das ich 7 Jahre und mehr als 7 Frauen warten musste, um wieder guten Sex zu haben, als hätte ich dem Aberglauben gemäß, meinem Gegenüber beim Anstoßen nicht in die Augen gesehen, könnte die Lösung des Problems der Angst als Quelle des Extremismus über den guten Sex schwerer fallen als erhofft und die erwartbar schlechten Ergebnisse derweil die Frustration weiter erhöhen und die Extremisten dauerhaft stärken und wer dann noch darüber impotent wird, würde schnell zur Gefahr für die Welt, wie uns die asexuellen Diktatoren und Verbrecher dieser Welt lehren könnten.

Aber auch beim Sex gilt der Wahlspruch der Aufklärung, SAPERE AUDE, habe Mut. Wer es wagt, sich seines Verstandes zu bedienen, um zu genießen, was ist, wird dabei meist mehr Vergnügen haben, als all jene, die sich nur blind von ihren Trieben steuern lassen, deren Glück oder Unglück dabei eher ein historischer Zufall denn ein bewusster Genuss ist.

Für Sex und Politik aber gilt, wer also aufgeklärt Mut hat, kritisch denkt, statt Propaganda zu verbreiten, wird freier und glücklicher sein, als all diese Opfer, die über Lügenpresse schimpfen, weil ihnen die Propagandasender des Kreml sagen, was die Wahrheit ist und sie darum überall fürchten belogen zu werden. Diese Angst vor der Wirklichkeit wird sich bei jeder Konfrontation mit der Realität außerhalb ihres engen von russischer Propaganda geformten Horizontes noch potenzieren und da diese nahezu überall ist, werden sich die armen Opfer überall verfolgt fühlen.

Denke dabei gerade an die Krankenschwester, die ich bei der Arbeit Ende der achtziger im Krankenhaus kennenlernte und die davon schwärmte, wie sie immer wieder zu Schulungen in die DDR, das bessere Deutschland, wie sie meinte, fuhr. Dann kam die Wende und die DDR hatte sich erledigt. Eine zeitlang verbreitete diese Schwester noch Gerüchte, dies sei  ein von Imperialisten finanzierter Putsch gewesen, dann wurde ihre Kaderorganisation Mitglied der PDS und später der Linken - sie fühlte sich auch immer verfolgt, wie übrigens so manche radikale Linke, die ich in meinem Leben schon traf. Nichts durfte ich von ihrer Arbeit irgendwem erzählen, da sie fürchtete, entlassen zu werden, was ich für unwahrscheinlich hielt, da sie eine wirklich gute Schwester war und es in einem Pflegeberuf ohne Führungsaufgabe völlig egal ist, ob jemand mal Berichte an die Stasi lieferte.

Irgendwann, Jahre später, als ich lange schon nicht mehr an der Klinik arbeitete und mein Vater in Rente war, redete und lachte ich doch noch mal mit ihm über diesen Fall. Er fand es eher komisch, fragte sich, ob es wohl eine Stasi-Akte über ihn als Chefarzt gab, schließlich lag die Station in der diese Schwester arbeitete, direkt über seiner Abteilung und seinen Büros. Gestört hatte es mich schon lange, dass mich eine Hörige der DDR, die Teil eines Terrorregimes war, das sie finanzierte, vom vertrauten Gespräch mit meinem Vater abhielt -  dennoch war mir mein Ehrenwort, dass ich ihr gegeben hatte, so kostbar, dass ich es hielt, bis mein Vater in Rente und die DDR nur noch eine Anekdote in den Geschichtsbüchern war, ohne bleibende Werte unterging.

Fragte meinen Vater, als es längst egal war, ob es ihm keine Sorge machte, überwacht worden zu sein von der Stasi, doch er lachte nur - was sollten die von ihm wollen, was nehmen oder stören? Er wollte frei von jeder Angst sein, liberal in seinem Denken bleiben und sich von keinem Extremisten zu irgendeiner radikalen Ansicht verführen lassen.

Diese Sicht beeindruckte mich nachhaltig und auch wenn ich sie jetzt geschönt habe, mein Herr Vater durchaus gelegentlich mal zu absurden politischen Meinungen neigt, trifft es doch den Kern seiner Überzeugungen gut und führt mich wieder zu dem Thema zurück, um das es in diesem Essay geht, die Angst vor Verlusten oder zu kurz zu kommen als Antrieb der Radikalisierung.

Warum radikalisieren sich weniger Menschen in Saudi Arabien als im Irak oder Jordanien, auch wenn die dortige Regierung mit ihrer wahhabitischen Spielart des Islam sich kaum vom IS und seinen Ansichten unterscheidet?

Weil sie relativ zufrieden im Wohlstand leben und es sich lieber gut gehen lassen und auf ihre Habseligkeiten aufpassen, statt den Aufstand zu proben und wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm, wie Villon noch hunderte von Jahren vor dem peinlichen Schwaben Brecht dichtete, der besser in den schwarzen Wäldern geblieben wäre, statt DDR Propaganda noch zu betreiben.

Sind die Heimat des Propheten M und die Quellen seiner teils absurden Lehre näher an dessen Überzeugung oder sind es westlich liberale Imame?

Es ist mir egal, welcher Aberglaube wahrer sein soll, wenn schon das ganze System auf einer Lüge fußt, bleibt es eine Märchengeschichte für Leichtgläubige, die kritisch denkende Menschen in keiner Variante interessiert und das gilt für alle jüdischen Sekten und sonstigen spirituellen Bewegungen um den Globus, die dem Menschen ein Sein über seinen Haltbarkeitswert hinaus vorgaukeln.

Der radikale Islam kann die sich arm und unterdrückt fühlenden Muslime weltweit momentan gut motivieren ihr Leben für ein versprochenes Paradies und erschwindelte Jungfrauen zu riskieren - was schon wieder zeigt, wie unreif diese Knaben alle noch sind, denn welcher Mann mit Erfahrung will noch eine langweilige Jungfrau im Bett haben, die nicht weiß, was sie will.

Auch hier spielt  die urkapitalistisch-protestantische Angst zu kurz zu kommen, eine entscheidende Rolle und motiviert viele Menschen zu einem absurden Streben nach Gewalt aus Rache für die gefühlte Unterdrückung der früheren Kolonialherren, die als imperialistische Ausbeuter durch die Welt zogen.

Angst treibt die Radikalen, egal von welchem Rand und auch die Macht Erdogans in der Türkei beruht mehr auf irrationalen Komplexen als nationalem Stolz. Warum sollten vernünftige Menschen diesen peinlichen Potentaten wählen, der ihr Leben zunehmend beschränkt und überall auf der Welt peinlichen Ärger verursacht?

Der nationale Stolz ist zu vielem Unsinn fähig, doch frage ich mich, ob es dabei eher um die Angst geht, etwas zu verlieren oder das Gefühl zusammen mehr zu sein - zur Angst könnte noch viel geschrieben werden und der Beispiele wo erwachsene Männer sich im Schatten der Angst albern benehmen, ist kein Ende zu finden -  je gefährlicher die Werkzeuge sind, die sie zur Ablenkung dabei in den Händen halten, desto mehr reden wir über sie, wie Kim und Trump gerade beweisen - der Balkan ist auch ein steter Fundus für nationalen Stolz und die Neigung sich damit lächerlich zu machen, was vom Fußball bis zum echten Krieg reicht und es fragt sich allein, was da noch friedlich helfen könnte und wie wir die Menschheit dazu bringen, Ruhe und Gelassenheit höher zu schätzen als Eitelkeit und Macht?

Vielleicht hilft es, diese vorzuleben, sich über nichts mehr aufzuregen, um zu genießen, was ist, statt etwas ändern oder sich durchsetzen zu wollen. Finde das sehr befriedigend.

jens tuengerthal 10.8.2017

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