Montag, 22. September 2014

Sex in Berlin VI

Nach dem Sex ist vor dem Sex und die so frisch besexten, treffen in den Bars um den Platz auf die anderen, die sich noch sehnen, denen es ins Gesicht geschrieben steht, wie sehr wohl noch, ohne sicher zu wissen wie und ob sie es ändern werden und können.

Dies nebeneinander ist typisch für die Großstadt und vermutlich die größte der noch ungeschriebenen Geschichten der Stadt. Die es betrifft, merken es oft selbst kaum und es bedarf genauer Beobachtung, um die Nuancen zu bemerken, in denen es sich zeigt. Wo sich jedoch das Auge übt, fällt es auf, schon in den Gesten und der Harmonie der Bewegungen, ob jemand befriedigt oder noch fern davon sich verzehrt.

Manche verschwinden zusammen und kommen dann später gemeinsam wieder, mit einem verschworenen Lächeln manchmal, gelegentlich auch eher nebeneinander, peinlich berührt jede Berührung zu vermeiden, was immer die Gründe dafür waren.

Als nur Beobachter ist dies Geschehen aus beiden Sichten interessant. Auffällig ist, dass die so gelassen befriedigt wieder kommen oder erst auftauchen für alle scheinbar interessanter wirken als jene, die eigentlich noch wollen, wirklich bedürftig sind. Hier stellt sich die Frage, ob diese Erscheinung wider die Natur, die eigentlich die Bedürftigen zusammenführen sollte, eine dialektische Antwort auf das ist, was in uns ist oder eine eigentlich unnatürliche Verkehrung aus Gewohnheit darstellt.

Attraktiv wirkt, wer gelassen ist und sich nicht sonderlich bemüht, denn gerade diese stellen einen hohen Reiz dadurch da, dass sie erst erobert sein wollen. Dies gilt wohl für beide Geschlechter. Was leicht zu erringen scheint, wirkt unattraktiv, auch wenn es vermutlich viel glücklicher machte als die meist scheiternden Versuche bei den ach so unnahbaren, die eigentlich nur durch die Tatsache das reizvoll sind. Im Wissen darum, dass genau dies attraktiv macht, haben sich verschiedene Spiele entwickelt zwischen Frau und Mann, die sich interessant machen wollen, aber meist nur verhindern, was beide eigentlich wünschen oder den Weg dahin unnötig erschweren. So wird das Mittel die eigene Attraktivität zu erhöhen, in der Praxis eher zur Methode das Glück zu verhindern, was die Bedürftigen den tief befriedigt in ihrer Gegenwart ruhenden, so sehr neiden, warum sie einfach ihr Verhalten imitieren, was selten zu etwas anderem führt als Überdruss aneinander.

Dabei wäre es eigentlich so leicht für die je Bedürftigen, sich so zu zeigen, um denen, denen es genauso geht zu signalisieren, lass uns unsere Lust teilen. Da aber alle das Ideal des zufriedenen Siegers anbeten, bemühen sich die einen ihn noch zu übertreffen an Coolness, um ihn noch zu übertreffen und danach noch glücklicher, also zufriedener zu sein, was sie aber ja nicht sind, warum es immer nur ein falsches Spiel bleibt, in dem sie sich vorher so geben, wie sie hinterher gem wären.

Ob also eine Idealverschiebung nötiger wäre oder die gänzliche Aufgabe dieser, bleibt unklar. Zumindest wäre es den Versuch wert, aus den Mustern zu fallen,  um einander mehr zu genießen, statt sich ständig rituell etwas aneinander vorbei vorzuspielen. Vielleicht genügte schon einfach aufmerksamere Beobachtung der Umgebung, um zu bemerken, wie es dem anderen geht, damit die Brücke zueinander geschlagen werden kann und die Spiele beendet werden, sich lieber dem Genuss hingegeben wird, statt nur attraktiv erscheinen zu wollen, es einfach zu sein und dazu zu stehen.

Vielleicht wäre dann nach dem Sex einfach nach dem Sex und vor dem Sex vor dem Sex und beides würde einfach für sich genossen, statt immer befriedigt erscheinen zu wollen, sich seiner Natur nach geben können, um zu genießen, was je ist und nicht eins für das andere stets unbefriedigt tauschen zu wollen.  Das Leben könnte so viel einfacher sein, wenn wir es als das genießen, was es gerade ist, aber vielleicht ist genau das der immer Reiz am Sex, sich anders benehmen zu müssen, um durch unkalkulierbare Zufälle manchmal zum Erfolg zu kommen.
jt 22.9.14

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