Montag, 6. November 2017

Paradiesisch

Schlagzeilen macht die neueste Neiddebatte, weil Journalisten mal wieder Papiere offenbaren, welche die Steuertricks der Reichen offenbaren, unter denen sich auch ganz große Figuren der Geschichte befinden wie etwa Queen Elisabeth II. - Tratsch eben mit Prangerwirkung und hohem Neidfaktor. Die billige Sorte für selbstgerechte Linke wie Jakob Augstein, den Erben des bekannten Augstein vom Spiegel, der sich gern anders inszeniert als selbst Herausgeber in Berlin, auch wenn er damit nichts zu tun hat und nur die 400 wunderbaren Kollegen bejubelt, die hier im Stil der schlechten Regenbogenpresse den öffentlichen Pranger wieder einführen.

Es wird sich über die bösen Reichen und Superreichen erregt, die Steuern vermeiden wollten, weil sie ja so asozial wären, auch wenn sie im gestaffelten System schon viel mehr als alle anderen ohnehin zahlen. Als verpflichtete Eigentum und Verdienst dazu, es mit der Gesellschaft zu teilen. Dies zutiefst sozialistische Denken scheint immer noch in vielen Köpfen zu stecken, was schon bei der Affäre um Hoeneß deutlich wurde. Keiner dieser Schreihälse und Ankläger käme auf die Idee, selbst Verantwortung zu übernehmen, seine Rücklagen oder sein Vermögen freiwillig zugunsten der Gesellschaft oder wohltätiger Zwecke einzubringen - dafür regen sie sich lieber über andere auf, die ihr Vermögen, auch wenn ganz legal, nicht übermäßig besteuern wollen, wenn es Wege dazu gibt.

Im Fall Hoeneß ging es um die Straftat eines einzelnen, der dafür angeklagt wurde und die Haft verbüßen musste. Darüber zu berichten, war angesichts der Prominenz des Täters in Ordnung und er hat sich die Folgen, durch sein voriges Verhalten selbst zuzuschreiben. Wusste um seine Spielsucht und hat die Zeit selbstkritisch genutzt, ist nun wieder als Kopf der Bayern in Amt und Würden, muss als Repräsentant mit erhöhter Aufmerksamkeit leben.

Hier jedoch werden gierig die Steuerdaten von Privatpersonen veröffentlicht, die zumindest indirekt der Steuerhinterziehung öffentlich verdächtigt werden, sicher aber an den Pranger gestellt werden, auch wenn ihr Verhalten völlig legal war. Dies ist ein moralischer Pranger, der hauptsächlich der Verurteilung von Reichtum dient, um Leistungsträger der Gesellschaft im Wege der Neiddebatte moralisch anzuklagen.

Es wird dabei auch um Unternehmen gehen und die auf Schlagzeilen geilen Medien werden wieder exzessives namedropping betreiben, als würde das jemand helfen oder zu irgendwie mehr Gerechtigkeit führen, nicht nur den Kampf um Auflagen wiederspiegeln.

Es ist gut und wichtig für eine Demokratie eine freie Presse als vierte Gewalt und Kontrollorgan zu haben. Ohne diese fehlte etwas für die Kontrolle der Regierung. Darum ist die Presse oder heute eher die Medien, wie auch immer sie sich nun verbreiten, die Druckerpresse braucht es dazu immer weniger, im Grundgesetz besonders geschützt. Dies soll der Freiheit dienen und nicht der moralischen Aufsicht oder Diktatur, wie es die Medien in Diktaturen immer taten. So verbreitete das Neue Deutschland die Regierungslinie der DDR und ist heute das Organ der Linken, wie es der Stürmer im Nationalsozialismus war.

Das an dieser Aktion mal wieder die Süddeutsche Zeitung beteiligt ist, die in etwas unklaren Besitzverhältnissen mit der SPD Medienholding immer noch verschlungen bleibt, auch wenn beide Seiten sich gern öffentlich davon distanzieren, macht den moralischen Druck besonders anrüchig.

Eine Partei, die gerne im Wahlkampf die moralische Karte spielt und über eine Reichensteuer schwadroniert, freut sich, wenn die bösen und gierigen Kapitalisten und Reichen öffentlich angeklagt werden, es spielt ihr zumindest moralisch in die Karten, auch wenn es diesem eher kopflosen Haufen vermutlich sachlich nichts nutzen wird, weil es an Führung so sehr wie an Inhalten fehlt, die Sozen froh sein können, wenn sie Merkel dienen dürfen.

Aber jenseits solch kleiner parteipolitischer Spitzen und des Geschachers um die Macht im Bund, wie wir es gerade erleben dürfen, fragt sich, wie es um ein Land bestellt ist, in dem die öffentliche moralische Anklage anderer auch durch ein Organ, das eigentlich den Staat und nicht seine Bürger bewachen soll, von manchen bejubelt wird, weil wir es so gewohnt sind auf die verkommenen Reichen zu schießen.

In Fußballstadien der Bundesliga kann der Hass auf Reiche an jedem Wochenende bei Spielen von Leipzig oder Hoffenheim beobachtet werden, auch wenn ein Verein wie Dortmund als AG wesentlich kapitalistischer schon seit Jahren sind, wird der Investor Hopp angegriffen, der das Softwareunternehmen SAP mit aufbaute und in der Kurpfalz, aus der er stammt und in der er lebt, als großzügiger Mäzen und sehr nachhaltig sozialer Spender geschätzt wird. Er ist ein Milliardär und das genügt einer Gruppe von Menschen, ihn als bösen Buhmann zu bezeichnen, auch wenn er einen großen Teil seines mit den richtigen Ideen zur richtigen Zeit verdienten Kapitals für soziale Zwecke investiert. Den gleichen Hass erlebte auch Uli Hoeneß, weil hierzulande es verpönt scheint, zu gönnen und Neid wichtiger ist als Realismus.

Was interessiert mich, wieviel Geld ein anderer verdient - wenn es der Markt hergibt und er dann noch verantwortlich damit umgeht, gönne ich immer gerne, nichts ist mir fremder als Missgunst. Wollte nie ein Milliardär sein, nicht mal Millionär - bin froh ein freier Habenichts zu sein, der unbeeinflusst in seinem Denken, sich nicht ständig Sorgen um sein wohlverdientes Kapital machen muss. Käme ich auf seltsamen Wegen zu Geld, übergäbe ich es ungesehen meiner Liebsten, die sich damit besser und wirklich auskennt und wünschte mir, um mit so etwas nicht belastet zu werden, irgendeine Stiftung an die es fließen könnte. Reichtum ist eine Last, die ich nicht erstrebenswert finde - von mir aus könnte ich meine Fähigkeiten für den Staat einsetzen und würde von ihm dafür ein auskömmliches Bürgergeld bekommen und wäre damit zufrieden. Aber das ist meine Sicht und mein Problem - muss keiner so machen und sollte nie vorgeschrieben werden.

Nur was mich sehr stört, ist, wenn die Medien, die eigentlich den Staat kontrollieren sollen, dessen Aufgaben übernehmen, Jagd auf Steuerflüchtlinge machen und also quasi im Dienst des Staates gegen die eigenen Bürger kämpfen. Dann haben wir einen Überwachungsstaat, der im Sinne einer fiktiven höheren Steuergerechtigkeit sogar private Jäger findet, die ihre Opfer vor sich her treiben und mit privaten Mitteln an den öffentlichen Pranger stellt.

Was soll das und wer entscheidet darüber, wessen Steuerdaten hier ungefragt veröffentlicht und ausgewertet werden?

Solange keine Straftat vorliegt, nicht mal eine Anklage im Raum steht, verrät eine Presse, die ihre Bürger öffentlich als Volksverräter anklagt, denn nichts anderes geschieht hier, ihre Aufgabe als Kontrollorgan und macht sich moralisch lächerlich. Dabei ist völlig egal, wie wer seinen Reichtum verdient hat, den er steuerlich günstig anlegt. Der Hass auf Reichtum und Reiche, wie er hier immer wieder befördert wird, ist in der Sache sehr schädlich, könnte die besten des Landes vergraulen, auch wenn der Staat durch diese Anklage eines möglicherweise legalen Verhaltens keinerlei realen Gewinn hat als noch mehr Informationen über das Steuerverhalten der Bürger.

Es ist darum so wichtig, sich gerade jetzt zu überlegen, wie wir künftig miteinander leben wollen, wie viel Macht und Kontrolle der Staat haben darf, diese immer durstige Krake und wie sehr die Bürger auch vor ihm geschützt werden müssen. Wer Geld verdient und dabei so investiert, dass er weniger Steuern zahlen muss, ist ein kluger Investor. Viele Großbanken haben einen Sitz auf diesen kleinen steuerlich günstigen Inseln - damit verdienen diese wiederum viel Geld - wer wollte die erfolgreiche Politik eines Unternehmens verurteilen und auf wessen Seite stehen alle, die es tun?

Diese öffentliche Anklage und dieser wieder eingeführte Pranger gefallen mir nicht. Dagegen laut zu werden, scheint mir dringend geboten. Anklage erheben im Rechtsstaat nur Gerichte als dritte Gewalt im Staat. Wo Journalisten öffentlich anklagen, verurteilen und mit dem Pranger foltern, haben sie ihren Job nicht verstanden und sollten über ihre Aufgabe nachdenken, statt vermeintlich gewinnträchtige Skandale zu produzieren. Mit der Herausgabe von Büchern und Filmen war diese Süddeutsche Zeitung unschädlich erfolgreicher.

jens tuengerthal 6.11.2017

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