Sonntag, 24. September 2017

Trotzwahl

Über Gründe, Bedingungen und Perspektiven der neu gewählten Republik

Trotz der gerade Wahl ein wenig Abstand zu nehmen, statt wie viele hier, gen Alex zu ziehen und gegen die bösen Rechten zu demonstrieren oder wie der größte Verlierer Schulz dem Testosteron auf andere Weise freien Lauf zu lassen, scheint mir das Gebot der Stunde.

Wir haben nun, wie alle europäischen Nachbarländer auch Rechtspopulisten im Parlament, ihre Sprüche bleiben peinlich und kündigen den Konsens der friedlichen Republik und besonders stark sind sie im Osten, bei denen, die sich freiwillig in diese Republik aufmachten, ohne bis jetzt schätzen zu können, was diese ausmacht außer 10 Sorten Zahnpasta. Hier haben die Feinde der Demokratie am rechten und linken Rand eine Mehrheit und es hilft nichts hier den einen zu tabuisieren, um sich als linke Volksfront zu solidarisieren, damit das Problem kleiner wird.

Der AfD ist im Parlament und sie werden sich hoffentlich dort bestmöglich blamieren, nichts erreichen und bald wieder verschwinden, wie es solche kurzzeitig aufkommenden Gruppen an den Rändern immer taten, weil die ganz große Mehrheit sich für die Demokratie entschieden hat und für die Mitte stimmte.

Wer nun meint, wie Seehofer den AfD noch rechts überholen zu müssen, wird genauso scheitern, wie linke Fanatiker, die alle Anhänger der Rechten als Nazis bezeichnen und zum Widerstand aufrufen. Die Mehrheit liegt wie die richtige Antwort in der Mitte. Noch nie hat die CSU ein solch schlechtes Ergebnis eingefahren wie nach ihrem bisherigen Schlingerkurs.

Die Mehrheit der Deutschen ist mit der Kanzlerin zufrieden. Bei einer Direktwahl hätte sie vermutlich sogar eine absolute Mehrheit errungen. Der Hass, der ihr vom rechten und teils  linken Rand militant organisiert entgegen schlug, zeugt nur davon, wie weit sich diese Ränder von der demokratischen Mitte entfernt haben.

Merkel hat in schwieriger Zeit viel Mut bewiesen. Es ist schade, dass Deutschland den Mut seiner Kanzlerin, die Deutschland und Europa in dieser Zeit so erfolgreich führt, nicht belohnt hat. Nicht Merkel hat polarisiert und den AfD stark gemacht, sondern ein SPD Wahlkampf, der auf Gerechtigkeit verlogen setzte, statt konstruktive Perspektiven zu setzen, mit denen die Mehrheit sich identifiziert.

Die SPD wird sich nun in der Opposition der Linken weiter annähern und hoffen, dass alles Heil von links kommt, wie sie es immer tat, wenn es ihr schlecht ging und weil die linken Stimmen schon immer die lautesten in der Partei waren, wenn auch selten die Intelligentesten, mich haben sie damals erfolgreich damit vertrieben. Sollte die SPD mit der Linken fusionieren oder sich ihr weiter annähern, was in der Opposition gegen Merkels Mitte Politik mit Jamaika relativ wahrscheinlich ist, können sich beide auch zusammen künftig bei unter 20% einrichten.

Wer nur die Verlierer verteidigt, hat keine Perspektive für die Zukunft, so hehr und gerecht dies alles klingen mag. Erfolgreich war die SPD als sie einen Schröder hatte, der als Automann eine auch ökonomische Perspektive bot, daran sollte sie sich besser erinnern, will sie sich nicht auf Jahrzehnte in der Opposition mit weiter schwindenden Anhängern einrichten.

Erfolgreich war auch der Umbau zu einer mehr ökologisch und nachhaltig orientierten Ökonomie, der dem Grünen Koalitionspartner zu verdanken war. Diese haben wohl immerhin noch besser abgeschnitten als die Linken, weil sie alle Probleme möglichst vermieden haben. Damit haben sie einen Teil ihrer linken Wähler an die SED Nachfolge Organisation, die sich heute Linke nennt, verloren. Es werden bei einer Regierungsbeteiligung noch mehr werden, aber es werden auch neue Anhänger dazu kommen, die den wirtschaftlichen Wert dieser nachhaltigen Politik zu schätzen wissen, offen ist nur, wie die Partei das innerlich überlebt. Sie hat mit ihren beiden Spitzenkandidaten zwei Köpfe in den Verhandlungen, die offen für Jamaika sind und zu den Realos gehören.

Flüchtlinge waren ein Thema und waren kein Thema in diesem Wahlkampf. Der AfD machte sie dazu und streute Angst in der Tradition der NSDAP, die genau damit auch erfolgreich wurde. Vor allem bei konservativen Wählern und Nichtwählern, die eher sonst der SPD zuneigen, verfing diese Politik der Polarisierung.

Bedenken wir, wieviele Menschen unkontrolliert ins Land kamen, ist die Veränderung bei der Kriminalität nahezu vernachlässigenswert, auch wenn der AfD noch so laut schreit. Schauen wir, mal abgesehen vom wie immer Berliner Chaos, wie gut die Integration klappt, kann Merkel mit ihrem “Wir schaffen das” eigentlich nur mit Beifall und Stolz zugestimmt werden. Es ist nicht alles gut, aber die Lage, die eskaliert war, ist relativ unter Kontrolle, Deutschland hat eine neue Vorbildfunktion in Europa errungen und das nicht nur als Mahner für schwäbische Haushaltspolitik, sondern als Vorkämpferin der Menschenrechte, was diesem Land angesichts seiner Geschichte gut steht.

Dies hätte sich in deutlich mehr Stimmen für Angela Merkel niederschlagen können und sollen, wenn gute Politik belohnt werden soll, tat es aber nicht, weil die Kanzlerin keine Blenderin ist, sondern ruhig ihren Job erledigt, nichts aufregendes zu bieten hat auf den ersten Blick, einfach gute Arbeit zuverlässig leistet. Schade ist nur, dass die Mutti der Nation nicht genug Gespür für eine Stimmung der Angst hatte, die von Russland finanziert angeheizt wurde, ihr ruhiges Regieren zu stören.

Fraglich nur ist, was sie hätte tun können, um dies zu verhindern oder zu ändern, während sich SPD Granden nebenbei von Putin hofieren lassen, der auch AfD und Linke finanziell unterstützt, der Demokratie im Land damit bewusst schadet. Es wird viel in der Zukunft an der Politik mit Russland liegen und inwieweit einer ihrer Koalitionspartner dort einen Weg der Annäherung nach Europa gegen alles Geschrei vom Kalten Krieg wieder eröffnet. Mit einem unberechenbaren Trump in Washington braucht Europa auch mehr Stabilität im Osten, eine Partnerschaft statt eines Kampfes, den keiner gewinnen kann.

Die Grünen Freunde der Ukraine, die auch dortige Faschisten großzügig  pragmatisch zu übersehen lernten, werden sich dem sicher zunächst entgegenstellen, die Liberalen haben mit vollem Risiko das Gegenteil schon vorher klargemacht und das wird in eine konstruktive Richtung weisen können, die auch der Linken und dem AfD bald den Hahn zudreht und diese fragwürdigen braunen Kohorten wieder in die Minderheit schickt, in die sie gehören. Auch die ominöse Tätigkeit russischer Hacker im Netz wird dann bald wieder enden oder weniger werden.

Es ist gut, wenn sie SPD und Linke nun in der Opposition finden und einigen, damit entscheidet die SPD selbst, ob sie eine Zukunft in der Regierung hat oder ewig nörgelnde Opposition und nur Stimme der Verlierer bleibt, die bei einer erfolgreichen auch liberalen Politik immer weniger werden sollten.

Es gehört auch zu unserer Zeit, dass traditionelle Bindungen nachlassen, es mehr Wechselwähler gibt oder solche, die taktisch wählen. Wir kommen in eine neue Situation, die unsere Demokratie nicht gewohnt ist. Es werden sich die radikalen Stimmen am Rand, also AfD und Linke jagen, wozu die Spitzen beider Seiten auch schon aufriefen. Wünsche ihnen ein fröhliches Halali dabei und hoffe der Rest kann nebenbei zum demokratischen Diskurs zurückfinden.

Die AfD Wähler werden nicht für die Demokratie zurück gewonnen, indem wir sie als braune Faschisten lautstark beschimpfen oder Randale gegen sie veranstalten, im Gegenteil, all dies fördert nur die Unsicherheit und Angst, stärkt sie nur, die ihre kommunikative Unfähigkeit bald von alleine beweisen werden und dazu braucht es keine Diskriminierung ihrer Wähler, die am besten erkennen, welchen Fehler sie machten, wenn alle möglichst ruhig und effektiv ihre Arbeit erledigen.

Frankreich hat den Front National überstanden, dieser zerlegt sich gerade selbst noch weiter nach herben Verlusten, Belgien hat den Vlaams Blok, Österreich die FPÖ, in Großbritannien haben sich die Radikalen gerade wieder geschrumpft - auch diese Stimmen gibt es, sie drücken eine Angst und Unzufriedenheit aus, der sich die Politik nun konstruktiv annehmen muss, damit der Wahlspruch der CDU, vom Land in dem wir gut und gerne leben, auch wieder für eine Mehrheit der Konservativen stimmt.

So gesehen ist das Ergebnis nicht so schlecht. Eine vermutlich Jamaika Koalition überlässt Merkel den Raum rechts, auch wenn die FDP dort fischen will, wird ihr dreitagebärtiger Spitzenkandidat als designierter Außenminister wenig am rechten Rand bewegen können, dafür aber hoffentlich wieder das traditionell liberale Image als derjenigen stärken, die für Freiheit einstehen, wenn er nicht den Fehler macht, Schäuble verdrängen oder nachfolgen zu wollen oder Gabriels Superwirtschaftsministerium, das immer farblos blieb außer der Proteste der eigenen Linken gegen Panzergeschäfte mit Saudi Arabien.

Noch ist alles offen, aber eine Kanzlerin Merkel, die zwischen Liberalen und Grünen ausgleichen muss und doch als konservative Kraft wieder da steht, könnte besser sein als mit der vorlauten aber immer häufiger peinlichen SPD, die sich auf ihre Kosten ständig profilieren musste in diesem Männerverein mit Frauen zur Dekoration. Die Grünen können für Ideen kämpfen, die ohnehin kommen, wie die Elektromobilität und nachhaltige Energieerzeugung, was wieder für eine Spitzenposition dabei in der Weltwirtschaft sorgen könnte, die mehr Zukunft hat als die vereinsmeierische Kohlesubvention der Sozen.

So gesehen, ist dies Wahlergebnis nicht toll und erfordert viel Arbeit und Verhandlungen danach, aber ich denke, es wird dem Land gut tun. Als erstes muss viel Geld auch in die  politische Aufklärung durch die Bundeszentrale im Osten investiert werden, da nur Aufklärung eine Perspektive nun noch hat. Erst wenn die Menschen selbst beginnen, kritisch zu denken, statt von Moskau finanzierte und vorgebetete Psalmen der Verschwörung nachzubellen, wird sich im Denken dort etwas ändern. Es leben dort Menschen, die aus einem Land kommen, in dem von 1933 bis 1989 keine Demokratie herrschte. Da braucht es viel Arbeit, gute Nerven und Zeit, noch etwas zu ändern.

Der Afd sitzt im Bundestag, darum ist weitere Dämonisierung erstmal müßig. Nun müssen sie zeigen, was in ihnen steckt. Können sich in der Führung weiter öffentlich zerstreiten, die Menschen mit Tabubrüchen nerven, die zu einer weiteren Polarisierung gegenüber links führen, wo sich dann Sozen und Linke als Antifaschisten zum wechselseitigen Untergang solidarisieren werden, wenn nicht endlich wieder einer aus der Mitte bei der SPD stark wird. Doch ist die Vermutung größer, dass sie  sich nun um Sigmar scharen und nichts ändern, sondern lieber den Buhmann beschimpfen, den genau diese Rolle nur stärker macht.

Also abgesehen von der vermutlich eher nervigen und fruchtlosen Opposition sind aber die Aussichten für eine Regierung der Mitte relativ gut und es werden dabei wohl die Interessen eines großen Teiles der Bevölkerung berücksichtigt und es könnte stabiler durch die Krise führen als es bei solch unsicheren Kandidaten wie Schulz jemals aussah.

Die Situation ist, wie sie ist und es gibt verschiedene Mehrheiten in der demokratischen Mitte, schade ist, dass eine vorbildlich arbeitende Kanzlerin für ihre zuverlässige Arbeit nicht belohnt wurde, sondern als erste Beamtin des Staates, die null Neigung zum Populismus hat, sondern lieber ruhig ihre Pflicht preußisch korrekt erledigt, für einen grauenvollen Wahlkampf der SPD ohne glaubwürdigen Kandidaten bestraft wurde. Das hat sie nicht so verdient, so sehr ich sie früher auch kritisierte, wirkte kein CDU Kanzler bisher besser und nachhaltig konstruktiver für unser Land als Merkel - vielleicht kann sie es in der neuen Rolle nun den Menschen wieder besser beweisen und ihrem Vorbild Katharina der großen Aufklärerin weiter nacheifern, denn der Osten braucht dringend Aufklärung - zerrissen zwischen den Feinden der Demokratie an den radikalen Rändern, die normale und zuverlässig gute politische Arbeit, nicht zu würdigen wissen.

Im Vertrauen auf Merkels ruhige Hand, sehe ich der Zukunft auch nach dieser Wahl gelassen entgegen. Mag der AfD sie jagen wollen, wird sie es abprallen lassen und diese nur sich selbst offenbaren - wenn die russischen Propagandasender das Programm und die Richtung ändern, wird sich manches Problem von alleine erledigen. Es gibt viele Baustellen aber es geht nun ruhig weiter in die Zukunft und gute Demokraten werden den AfD lieber sich selbst erledigen lassen, als ihn nun niederzubrüllen. Aufklärung braucht Zeit, Ruhe und Geduld, kein Geschrei, davon hat die Mehrheit nun ohnehin genug. Von denen, die gewählt haben, wählten 80% Parteien der Mitte, die paar Radikalen am linken und rechten Rand wird eine gestandene Demokratie wie die Bundesrepublik schon gut wegstecken können. Regen wir uns weniger auf, schauen wir lieber, wie sie ihre Arbeit erledigen.

jens tuengerthal 24.9.2017

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