Donnerstag, 26. September 2024

Lektürentagebuch 25.9.24

Lektürentagebuch 25.9.24

Heute durch Europa gelesen
Begonnen mit einem Berliner
Weiter mit einem Franzosen
Wie dann drei exzellenten Polen

So schreibt der Flaneur Franz Hessel
Über ein Wiedersehen beim Zahnarzt
Den er im Notfall aufsuchen muss um
Dort festzustellen er kennt das alles

Dringend ist ihm dies besonders
Weil er am Abend einen Termin hat
Der nicht aufzuschieben ist auch
Wenn der Leser nie mehr erfährt

Die Praxis liegt in seiner früheren
Elterlichen Wohnung was ihm beim
Betreten der Räume immer klarer wird
Er sieht alles wieder vor sich bevor er

Seine Spritze bekommt bis diese dann
Wirkt da eine Extraktion ansteht soll er
Sich einen Moment ausruhen kommt
Auf einen Diwan in sein Kinderzimmer

Nach dem der Übeltäter ihm endlich
Gezogen wurde ist ihm noch ein wenig
Schwindelig und er ruht sich wieder aus
Wobei er wohl einnickt weil unerwartet

Erscheint seine Kindheit mit Figuren wie
Der so bekannte Ort sich belebt bis der
Zahnarzt nach ihm sieht und er ganz
Dringend des Termins wegen weg muss

In seinen geliebten Garten geht heute
Mal wieder Alphonse Karr mit mir in der
Reise um meinen Garten aus der so
Geliebten bunten Anderen Bibliothek 

Erfuhr manches neues über Kreuzkraut
Wie den Lorbeer der gerne die Sieger
Wie Könige und Götter schmückte auch
In der Küche regen Gebrauch fand

Auch wenn die blättrige Würze dem
Autor Karr nichts gegen die ewigen
Lorbeeren der Dichter erscheint doch
Bringt ihn das dazu über die Ehre wie

Damit verbunden die Gleichheit noch
Nachzudenken wie in Revolutionen der
Machtmissbrauch nicht bekämpft wird
Ihn zu beseitigen bloß Macht erobert 

Je mehr Wechsel desto weniger
Veränderung folgert Karr daraus
Der zwei Revolutionen erlebte und
Die dritte noch weiter erwartet

Diese Worte erinnern an den großen
Tomasi di Lampedusa wenn in seinem
Leopard wo schon Tankredi zu seinem
Onkel dem Leoparden es sagte denn

“Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert.” 

Aus dem realen Garten in die immer
Phantastischen Welten von Bruno Schulz
In Der Zimtladen eingetaucht und dort in
Die Schneiderpuppen geschnuppert

Er berichtet wie immer mit vielen Farben
Schulz ist und bleibt ein Maler vom
Auftauchen der Puppen anstatt nach
Dem vorerst Abtauchen des Vaters

Wie dabei vom unerbittlichen weiblichen
Moloch den sie mit sich bringen wie nur
Weiblicher unerbittlich sein kann was
Worte sind die nachdenklich stimmen

Schulz ist so unglaublich bunt und reich
In den Bildern seiner Phantasie dass es
Zu empfehlen ist ihn nur seitenweise
In Gourmet Portionen lieber zu genießen

Daran halte ich mich inzwischen und bin
Hellauf begeistert von der bunten Breite
Seiner sprachlichen Bilder die ich so in
Kleinen Happen genießen kann

Vertraut ironisch und eher realistisch
Ist dagegen Andrzej Bobkowski in
Hinter dem Wendekreis inzwischen
Unterwegs im Südatlantik an Bord

Berichtet wie nur die weite leere See
Zusammenschweißt und die Passagiere
Der dritten Klasse miteinander verbindet
Während er aus dem Liegestuhl schaut

Mehr als viel blau und gelegentlich mal
Ein fliegender Schiff ist auf dieser Fahrt
Gen Westen nicht zu sehen was darum
Gelegenheit gibt sich viel aufzuregen

Etwa über die Sitten der portugiesischen
Burschen die als Handwerker von einer
Großen Firma geordert wurde und die nun
Aus Platzmangel in die 2. Klasse durften

Dort sollen sie sich nach Gerüchten aus
Der Küche seltsam bis unmöglich wohl
Benommen haben und Gardinen gegen
Ihren Zweck gebraucht haben was auch

Immer sie dabei taten erfahren die Leser
Noch nicht jedenfalls gaben sie so Grund
Für die 3. Klasse sich über sie aufzuregen
Die besser die Kabinen doch belegten

So gäbe es doch in der 3. Klasse genug
Akademiker unter den Auswanderern wie
Den Staatsanwalt oder den Arzt und auch
Ihn selbst mit seiner Frau als passender

Weiterhin wird von der sehr üppigen aber
Eintönigen Kost mit Pasta und Risotto im
Steten Wechsel berichtet was den guten
Bobkowski als Nörgler erscheinen lässt

Eine Schiffsreise ist lästig und in der
Dritten Klasse erst recht denke da an
Erfahrungen der Kindheit mit der Fähre
Gen England im Sturm was genügte

Verständlich ist wie einem dabei alles
Lästig werden kann und das Leben an
Bord nur ironisch noch erträglich ist
Aber muss irgendwer wirklich reisen

Zumindest gibt es auch in der 3. Klasse
Keinesfalls zu wenig eher ist manchen
Die auf den Teller geklatschte Portion
Gelegentlich etwas mühsam reichlich

Weiter mit den klugen Polen ging es
Zu Stanislaw Ignacy Witkiewicz der in
Abschied vom Herbst wieder Sätze die
Jeder Gedanken werten sind schrieb
 
So wenn er die gerade Kultur als
Voller Abfälle der zu Ende gehenden
Bürgerlichen Kultur beschreibt in der
Alle schon den nahen Tod spürten 

Sich niemand mehr Rechenschaft gab
Wer er war alle in den Abgrund stiegen
Den manche für den Gipfel hielten und
Expansion ersetzte dort das Schaffen

Wie passend wäre solches auch für
Unsere immer noch expansive Zeit
Die längst die Grenzen des Wachstums
Nach aller Vernunft schon überschritt

Propaganda kam für Glauben
Ausgelassenheit im Gewimmel ersetzt
Die Konstruktion der Persönlichkeit in
Dieser Zeit die so nah dem Abgrund ist

Erzählt von der metaphysisch erotischen
Transformation der letzten Tage mit den
Armseligen Blümchen des immer nur
Pseudoindividualismus in aller Leere

Nur der Weg zu etwas zählt alle Ziele
Verfliegen im Nichts tauglich wäre nur
Ein schöner Tod, doch zum Selbstmord
Fehlt Atanazy noch die Lust warum nur

Der Weg zu sich blieb während Hela
Im neuen Katholizismus versank wie
Sich dem heiligen Sein widmet also
Schaut der Zweifelnde eben in sich

Eine solche geistige Dichte ist im
Roman mehr als außergewöhnlich
Über jeden dieser Sätze könne als
Splitter für sich nachgedacht werden

Zum Glück muss ich nichts lesend
Erledigen sondern genieße nach
Lust soviel wie mir gerade gefällt
Witkiewicz ist ein großer Anreger

Den Mut zu haben gelegentlich auch
Absurden Gedanken zu folgen wie in
Ihrem Spiegel die Gesellschaft noch
Neu zu betrachten bleibt großartig

jens tuengerthal 25.9.24

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