Samstag, 14. Mai 2016

Theatererotik

The Erotism ist der Titel der Performance von Marie Golüke, die dieses Pfingstwochenende im Ballhaus Ost in der Pappelallee aufgeführt wird. Ein Titel der viele Gedanken weckt und vielleicht sogar manch lustvollem Gedanken Flügel verleiht. Kannte Marie schon aus anderen Stücken als großartige, junge Schauspielerin, die mit viel Körpereinsatz die Ränder des Darstellbaren auslotet und gerne auch überschreitet, bis ins unerträgliche geht, herausfordert und geistig so spannend ist, wie ihr Spiel mitreißend, aber ich hatte keine Ahnung, was mich an diesem Abend im Ballhaus Ost erwarten würde.

Wir wurden in die 3. Etage gebeten, bevor wir in den als Café mit erotischen Bezügen inszenierten Raum gelassen wurde, der weitgehend dunkel zunnächst blieb, bis auf die brennenden  Teelichter in den Gläsern auf den Tischen und so schon eine spezielle Club Atmosphäre kreierte. Schick machen sollten wir Zuschauer uns, in Abendgaderobe erscheinen und so folgte ich dem Wunsch der Darstellerin und kam im Anzug, auch wenn ich mich ein wenig verkleidet fühlte, schuf diese Situation schon eine sinnliche Stimmung besonderer Art.

Gut angezogene Menschen, die sich zum Thema Erotik zusammensetzen und darauf warten, was das Thema wohl mit ihnen macht - das hatte schon einen Kitzel, wie der beobachtende Flaneur beim Blick in die Runde immer wieder feststellte, wenn Blicke länger als gewöhnlich hängenblieben. All das war eine wunderbare Vorbereitung und alle waren gespaannt, was käme.

Marie Golücke saß auf einem Ikea-Tisch inmitten bereits als wir hereingelassen wurden und murmelte etwas, vor sich hin, was in der Unruhe des Ankommens noch nicht verstanden werden konnte. Sie war zu diesem Zeitpunkt noch angezogen, sprach Sätze aus dem Manifest der Erotik, wie die Zuschauer erst später, als sie es entrollte und vorlas begriffen.

Bald spielte der Tisch unter Marie seine große Rolle, wurde ihr zur Basis einer bis zum Wahnsinn getriebenen Wiederholung von etwas, das nach einer Yoga-Übung aussah, die sie mit tiefer hängendem Kopf an einem Ende durch stetes Aufschlagen ihres Hinterns zum Höhepunkt bringen sollte, während sie das Mantra von The Erotism stets wiederholte.

Lesungen, ein kurzer Filmeinspieler, eine Talkshow aus der Büchse und eine schöne Beteiligung des Publikums, die zu einer wunderbaren Inszenierung mit der schließlich doch ganz nackten Marie Golücke führte, beschlossen die erotische Performance, die uns Grenzen zeigte und sie zugleich überschritt, wie sie infrage stellte. Eine starke, sehr präsente Marie trägt diese Performance, die zum nachdenken sicher anregte, aber weit darüber hinaus auch eine seltsam erotische Spannung schuf, von der sich mancher noch fragt, ob sie sich wieder auflöst, wenn wie und worin und wo die Erotik letztlich bleibt.

Können wir uns der Erotik intellektuell nähern oder ist schon dieser Vorgang absurd?

Was löst die intellektuelle Auseinandersetzung mit Erotik in uns aus?

Zum Abschluss die Beschreibung der Performance von deren Facebookseite, die den Anspruch sehr schön beschreibt, um den es in dieser Performance geht, die ein sehr empfohlenes Erlebnis ist, wer kann, gehe hin und verkleide sich in Abendgaderobe, der Stimmung wegen, es lohnt sich und Marie Golücke ist immer wieder stark und beeindruckend.

“Erotik wird in der Regel mit Sexualität und Pornographie in Verbindung gebracht. Medial werden wir mit sexualisierten Bildern überschwemmt, Intimität wird beleuchtet, verhört und seziert. Die vermeintliche Offenheit kaschiert die nach wie vor bestehende große Unsicherheit und auch das Unwissen in Bezug auf Sexualität und Erotik. Eigene Phantasien finden kaum Raum, sich zu entwickeln.

Doch was ist Erotik eigentlich und welche Rolle spielt sie? Marie Golüke versucht dieser Frage in ihrer installativen Performance THE EROTISM nachzugehen und erstellt eine erotische Momentaufnahme aus intellektueller, medialer und vor allem persönlicher und individueller Sichtweisen. Ausgehend von Erotik als ein Paradox aus Schönheit und Zerstörung wird sie in erster Linie als eine innere Erfahrung verstanden, die zuerst bei sich selbst gesucht werden muss, bevor sie mit anderen geteilt werden kann.

Die Zuschauer werden gebeten, in Abendgarderobe zu erscheinen, um eine dem Abend entsprechende Atmosphäre zu kreieren. Im Anschluss an die Performance gibt es die Möglichkeit, zu einem Gespräch mit der Performerin zum Thema Erotik und deren Zuschreibungen.

Marie Golüke studierte Theaterwissenschaft an der LMU-München und Performance Studies an der Universität Hamburg. Ihren inhaltlichen Schwerpunkt legt sie vermehrt auf die Erforschung von Erotik, Sexualität in Verbindung mit Philosophie, Kunst und Kultur. Sie beschäftigt sie sich mit der Darstellung von Erotik, Sexualität und BDSM auf der Bühne. Unter anderem arbeitete sie zu diesen Themenfeldern mit Felix Ruckert und RP Kahl und modelt seit Jahren leidenschaftlich gerne für die künstlerische Aktfotographie.”

Karten gibt es unter www.ballhausost.de Telefonnnummer: 030 / 44049250

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