Samstag, 14. Dezember 2024

Diwansichten

Diwansichten

Vom Diwan aus blicke ich
Gen Osten auf eine Wand
Nördlich und südlich dagegen
Sehe ich schöne Bücher 

Hätte ich hinten Augen wie
Keine Kapuze auf der Glatze
Es ist halt Hoody Zeit in Berlin 
Sähe ich noch mehr Bücher

Was macht eine leider nicht
Mehr weinberankte Wand gegen
Überall Bücher um mich rede ich
Das Grau Berliner Hinterhöfe schön

Geputzte Scheiben ließen sicher
Alles weniger grau erscheinen
Doch Wand bleibt Wand egal
Wie sauber meine Scheiben sind

Senke ich den Blick etwas dominieren
Elektrischer Kamin und Lesesessel
Über Wände hinter Fenstern zwischen
Denen Kant und Diderot hängen 

Die Aufklärung umgibt mich also hier
Nach allen Seiten was in Berlin nur
Wenige Orte von sich sagen können
Damit lebe ich wohl wie Candide

In der besten aller möglichen Welten 
Trotz aller Katastrophen und Kriege
Außerhalb dieser Bibliothek die auch
Darum ein alleinstehender Leser als

Ohne alle Götter glückliches Wesen
Das nur gelegentlich Göttinnen in Gestalt
Der Venus dort huldigt bewohnt 
Aber lieber mehr für sich bleibt

Über den Blick vom Diwan in die
Welt will ich dichten und was auf
Diesem von ihr erlebt wurde der
Horizont ist also beschränkt

Ob dies wen interessiert als den
Bewohner des Diwan der Nachts
Zur Quelle der Träume mir wird
Ist ungewiss bei nur Diwanlyrik

Doch immerhin kreisen diese
Um die beste vorstellbare Welt
Friedlich und gefüllt mit Liebe
Wie der Lust hier zu leben

Im arabischen war der Diwan
Eine Sammlung von Gedichten
Eines Dichters oder auch einer
Gemeinschaft wie eines Stammes 

So wurden die Kassiden wie diese
Verse hießen an den Lagerplätzen
Wandernder Nomaden einst erzählt
Sind älter teils als der Islam noch

Dazu dichtete Al Mutanabbi einst
Ihr habt oh Lagerplätze in den Herzen
Platz genommen womit sie verlassen
Blieben aber die Herzen gewannen

Bleibe auf meinem Diwan so lang
Wie so viel ich nur kann um von
Den Gedanken dort zu erzählen
Wie dem was mir dort geschah

Der Diwan des Dichters der nun
Auf dem Diwan darüber dichtet 
Besteht aus über 16.000 Gedichten 
Veröffentlicht in den Flaneurgedanken

Wie der vermutlich gleichen Menge für
Alle meine Musen bis dahin bis heute
Die keine als sie bisher lasen doch
Gehören sie zu diesem Diwan auch

Der Ort des Schreibens wie auch
Realer Liebesakte dort als Quelle
Lustvoller Lyrik immer wieder
Steht westöstlich im Osten Berlins 

Auf diesen kam ich von Westen her
Erst nördlich dann südlich aber stets
Tief im Westen wo vermutlich auch 
Die Wurzeln seines Rahmens lagen

So wird am Diwan auf dem Diwan
In Dienste der Dichtung weiter noch
Gedichtet und geliebt dankbar für
Die wunderbaren Musen alle bisher

Alles wird Teil des einen Diwan wie
Viel davon hier schon entstand ob
Davor oder danach dahingestellt
Jedenfalls mit Lust an der Dichtung

Weil mehr als einen Diwan seiner
Zeit kein Dichter je erreichen kann
Genieße ich dies auf dem Diwan
In Erinnerung lustvoller Stunden

Der Blick führt längst ins Dunkel
Die Wand wurde unsichtbar dafür 
Flackert der Kamin vor Büchern
Was Paradies mir gerade genug

jens tuengerthal 14.12.24

1 Kommentar:

  1. Das Gedicht „Diwansichten“ gleicht einem poetischen Essay voller Exkurse.
    Es ist eine Meditation über den persönlichen Freiraum, die Literatur und die Bedeutung der Poesie. Der auf dem Diwan sitzende Dichter beschreibt die Welt um ihn herum, voller Bücher, Erinnerungen und intellektueller Inspirationen.
    Diwan ist nicht nur ein Möbelstück, sondern auch ein kreativer Raum. Der von Büchern umgebene Dichter fühlt sich in Kultur und Philosophie versunken, was durch den Bezug zu Kant und Diderot – einem Symbol der Aufklärung – unterstrichen wird.
    Diwan erinnert uns als Gedichtsammlung in der arabischen Tradition an das literarische Erbe, das verschiedene Kulturen und Epochen verbindet. Al-Mutanabbis Erinnerung verleiht der Sehnsucht nach verborgenen Orten und Erinnerungen eine Dimension der Universalität.
    Diwan ist auch ein Ort der kreativen Freiheit und Intimität – es wird zum Mittelpunkt der Welt, zum Ausgangspunkt für die Erkundung der Vergangenheit, Gegenwart und Fantasie.
    Das Gedicht ist eine wunderbare poetische Betrachtung über den Platz der Kreativität im menschlichen Leben, das Aufeinandertreffen von Vergangenheit und Gegenwart und das ständige Bedürfnis, die Welt durch Literatur zu erschaffen und zu erleben.
    Glückwunsch!

    AntwortenLöschen