Mittwoch, 9. Oktober 2024

Lektürentagebuch 8.10.24

Lektürentagebuch 8.10.24

Noch ein wenig bettlägrig blieb ich
Zum Lesen in Davos und Paris
Wollte es zumindest doch dann
Ging es plötzlich nach Hamburg

Nach der reichlichen sehr guten
Mahlzeit die Hans Castorp lobte
Während sein Vetter Joachim wie
Dort üblich nörgelte schlief der

Besucher aus dem Flachland schon
Am Tisch ein und wurde darauf von
Seinem Vetter schnell aufs Zimmer
Gebracht nur unterbrochen von der

Kurzen ersten Begegnung mit dem
In Wollsocken und Sandalen sehr
Deutsch gekleideten Doktor Krokowski
Der ein wenig beleidigt reagierte

Dies weil Hans sich nur als Besucher
Der im Kern gesund sei und keiner
Behandlung bedürfe vorstellte was
Dem Analytiker unvorstellbar schien

Wie Analytiker eben aus Überzeugung
Immer und überall Probleme suchen
Statt sich um Lösungen zu bemühen
Die sie überflüssig dann machten

Diese Begegnung verfolgt den bald
Eingeschlafenen Hans auch noch in
Seine Träume mit denen ein Kapitel
Endet um im nächsten dann in die

Hamburgische Heimat zu gehen
Mehr über den Protagonisten zu
Erfahren und seine Familie auch
Die Taufschale beim Großvater

Warum das frühe Waisenkind die
Eltern so früh verlor dass er sich
Kaum überhaupt noch erinnert was
Grund ist es im Schlaf zu erzählen

Wie ähnlich die Einrichtung der
Räumlichkeiten dem Haus meiner
Großeltern in Bremen war was die
Alten Traditionen gerne auch pflegte

So scheint mir auch die Pflege der
Traditionen dort sich kaum von denen
Ihrer Großeltern zu unterscheiden die
Doch noch Anfang des Jahrhunderts

Im Kaiserreich geheiratet hatten wo
Die eigenen Großeltern geboren wie
Alte hanseatische Familien scheinbar
Lieber nichts ändern an ihren Sitten

Es mischt sich da doch manches in
Den Familien aus denen ich komme
Doch erstaunlich vertraut sind mir die
Rituale mit dem Großvater dennoch

Der Welt in der auch Thomas Mann
In Lübeck einst aufwuchs von alten
Kaufmannsfamilien was meine nie war
Auf keiner Seite je und doch so ähnlich

Sind es die bürgerlichen Welten wie
Ihre vertrauten Rituale die dies Buch
Zu einer so nahen Heimat machen
Überlege ich und fühle mich lesend

Wieder wie zuhause in dieser Welt
Das Lungensanatorium erinnert mich
An die Klinik in Rohrbach in der ich
Über Jahre als Aushilfe arbeitete

Natürlich hat sich manches gewandelt
Doch anderes blieb mir innig vertraut
Ist mir mehr Heimat als jeder Ort denn
Mit dem Zauberberg wurde ich Leser

Waren die Buddenbrooks noch eben
Familiengeschichte in vielem ähnlich
Der Bürger Künstler Konflikt mir noch
Fremd als ich sie las und gruselig auch

Ist diese europäische Kulturgeschichte
In Davos wo ich einst Skifahren lernte
Als kleines Kind während mein Vater
Einen Kongress besuchte so vertraut

Wollte erst Joseph und seine Brüder
Den biblischen Roman fertig lesen
Welcher auch wunderbar ironisch ist
Doch mir nie zum Zuhause wurde

Ägypten ist weit weg für mich und
Die Bibel ein fremdes Märchenbuch
Was ich nicht ohne Zorn sehen kann
Die Josephsgeschichte sehr seltsam

Im Sanatorium Berghof fühle ich mich
Wie zuhause angekommen in vielem
Sehe nun auch die immer Ironie des
Großen Erzählers Mann seinen Witz

Diese Feinheit mit über fünfzig also
Nach über dreißig Jahren nochmal
Genießen zu dürfen ist ein Glück
Denke ich der vieles anders liest

So ist die Lektüre dieses Romans
Der eine Kulturgeschichte auch ist
Eine Reise zu mir und meinen
Wurzeln als liebender Leser

Sie beflügelt mein Sein als Erzähler
Neu und lässt lange liegen gelassenes
Neu beflügelt langsam wieder erwachen
Zeigt was sich verbinden darin sollte

Muss nicht wie Heinrich Mann noch
Mit etwas abrechnen oder irgendwen
Bloßstellen sondern lieber sichtbar
Werden lassen was Welten baute

Worauf ruht die bürgerliche Welt
Was ist von ihr geblieben heute
Hundert Jahre nach dem Erscheinen
Wie 117 Jahre vor der Handlung

Lese nicht einfach ein Meisterwerk
Nochmal sondern durchlebe es nun
Zum Glück etwas weniger hustend
Ganz neu und es formt mich wieder

Etwas älter inzwischen als Mann
Zur Zeit des Erscheinens war der
Noch seinen 50. vor sich hatte
Dafür bereits vielfacher Vater war

Was mir soweit ich weiß nur einmal
Mit der zauberhaftesten Tochter die
Ein vorlesender Vater finden konnte
Gelang damit genug der Vergleiche

Bei der ersten Leseerfahrung war
Hans Castorp mit schon Examen
Älter als ich der noch nicht mal sein
Abitur gemacht hatte ein anderer

Heute ist er ein junger Knabe mit
Kaum Lebenserfahrung denke ich
Milde sein Liebesspiel belächelnd
Dem Erzähler selbst viel näher

Lese- und Lebenserfahrung
Ändert den Blick auf die Lektüre
Kann ihn noch mehr genießen
Ohne etwas erledigen zu wollen

Kann jedem frühen Leser nur raten
Große Bücher noch einmal zu lesen
Wie mit Liebe neu zu betrachten was
Diese Bücher auch aus uns machten

Bin ich Settembrini eher gefolgt als
Freimaurer und Humanist der stets
Die Aufklärung gegen die Romantik
Als unvernünftige Zeit gerne lobte

Was vom Hans ist noch in mir oder
Sind die Vettern mir heute fern mit
Ihren jugendlichen Bedürfnissen
Noch etwas im Leben zu werden

Habe inzwischen auch wie Hans
Den eigenen Vater beerdigt was
Innerer Reifung nicht schaden muss
Betrachte die Lektüre vielfältig neu

Lange vertrautes neu zu erlesen
Sich in bekannte Welten zu begeben
Aber als ein anderer der längst in
Ganz anderen Ligen Leben spielt

Ein wunderbares Erlebnis was ich
Allen Leserinnen nur raten kann
Weil es neue Welten entstehen lässt
Die sich mit vertrautem in mir verbinden


Schön war es auch wieder mit dem
So liebevoll freundlichen Flaneur
Franz Hessel in Paris zu Besuch
Im Moulin Rouge beim Tanztee

Wie dieser noch kostenlos um
Eine Probevorführung der noch
Debütantinnen nächtlicher Shows
Erweitert wurde und wie es wirkte

Auch hier betrachtet Hessel als
Inzwischen älter gewordener das
Jugendliche Treiben beim Tanz
Was ihm so seltsam vertraut ist

Die jungen Damen die sich noch
Ein wenig verkleiden für die Rolle
Von der sie noch nicht wissen wie
Sie welche länger spielen wollen

Fein beobachtet Hessel das Treiben
Wie den Umbau der Bühne und die
Dort Ballettshow mit leicht sinnlichen
Einlagen nach dem dort Tanztee

Er freut sich am erlebten immer noch
Auf der Suche nach einem für ihn
Guten Feuilleton der sein Dasein als
Journalist rechtfertigen könnte doch

Wo diese Tanzstunde schon gut schien
Kamen doch Fragen auf bezüglich der
Leser und was er erzählen wollte wie
Bei der Teilnahme am Auflauf zum 1. Mai

Das seltsam revolutionäre Volksfest
Was französisch mit Sozialismus spielt
Eine ältere eigene Revolution hat die
Europa mehr gab als Sozialismus je

Er wahrt die Distanz und sucht doch
Nähe um dabei zu sein als Flaneur
Der unberührt berichtet von Parolen
Die im munteren Volksfest enden

Es ist eine Freude mit Hessel durch
Paris in seine Geschichte wie damit
In Erinnerungen in die eigene auch
Zu reisen auf dem Diwan bleibend

jens tuengerthal 8.10.24

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