Dienstag, 29. März 2016
Kulturgeschichten 0173
Nibelungenherzig
Treue und Zuverlässigkeit sind wichtige Faktoren in der Bündnispolitik, auch wenn diese nach gusto immer wieder ausgelegt wurde, die Erbfeindschaft zur Erbfreundschaft wurde, während treueste Partner zu bösesten Gegnern plötzlich werden, gilt doch, eine Regierung kann nur solange erfolgreich sein, wie sie die für ihre Macht Verantwortlichen davon überzeugen, dass sie sich selbst treu und zuverlässig ist.
Solange diese nur sich selbst oder einem sie einsetzenden Monarchen verantwortlich war, konnte sich da noch erfolgreicher belogen werden, als in einer offenen Demokratie mit freien Medien als vierter Gewalt. Staaten, die Medien kontrollieren wollen und totalitäre Macht ausüben, scheitern meist schnell spätestens an der Eitelkeit und Dummheit ihrer Machthaber. Schade ist es nur um die, die es auf dem Weg erwischt.
Ein lächerlicher Sultan vom Bosporus, der meint sich wie ein türkischer Großonkel aufspielen zu dürfen, mit seinen vorgestrigen Vorstellungen von Demokratie und seinem mittelalterlichen vom islamischen Aberglauben geprägten Frauenbild, macht sich mit seiner Einbestellung der Botschafter nur lächerlich. Er hat es nicht verstanden und wird über kurz oder lang über die sich selbst gestellten Fallen der Untreue wohl stolpern, sobald ihm die hysterische Kontrolle entgleitet, er nicht mehr als Flüchtlingsauffangbecken noch ein wenig gebraucht wird. Noch jubeln ihm konservative Türken zu, die nicht verstanden haben, dass die Zeiten sich änderten und denken das neue Chauvitum aus Ankara sei ein Erfolgskurs, doch macht sie das auf Dauer nur noch lächerlicher und auch 5000 seit dem Sommer getötete Kurden weisen nur auf die fehlende Kultur dieses geistig provinziellen Anatolen hin. Die Türkei beweist jeden Tag aufs neue, dass sie nicht nach Europa gehört, der erdogansche Islam mittelalterlich blieb und nicht integrierbar ist, was gut so ist und zumindest die Verhältnisse klärt, auch wenn wir ihn gerade ein wenig bezahlen, um nicht die rechten Populisten in Europa weiter zu stärken, die sonst Putin mit russischem Öl finanziert.
Wer sich aufspielt, weil er sich mächtig und gebraucht fühlt, ohne die Spielregeln der Demokratie verstanden zu haben, wird vor ihren Toren verhungern, wenn es um seine Existenz geht. Ankara drängt nach Europa und fordert Treueeide der NATO im Kampf gegen die Kurden und doch bekommt der nach Bedeutung so gierige, seinem Wesen nach nur noch lächerliche, türkische Pascha, wenn es irgend geht, eine Abfuhr nach der anderen, weil sich keiner, wenn er es vermeiden kann, mit diesem hässlichen Schmuddelkind zeigen will. Obama empfängt ihn nicht, Merkels Kurs zur Türkei ist bekannt und daran werde auch kruzfristige Zugeständnisse zur Krisenbewältigung nichts ändern.
Ankara hat keine treuen Freunde in der NATO und nicht in der EU, nur skeptische Beobachter, die es sich selbst lächerlich machen lassen, um unnötiger diplomatischer Verwicklung zu entgehen. Es hat auch keine Freunde in der arabischen Welt, hat Israel vergrault, die Kurden sich zu ewigen Feinden gemacht wie die Versöhnung mit den Armeniern immer wieder verhindert. Dies kleine Turkvolk ist isoliert mit vorgestrigen Anschauungen nicht zukunftsfähig, hat auch noch Streit mit dem russischen Potentaten angefangen und kann mit keinem Zuspruch mehr rechnen, vielmehr fragen sich eher alle, wann er endlich fällt, der lächerliche Sultan.
Wenn Treue ewig sein soll sprechen wir gern von der Nibelungentreue, oft ohne zu wissen, was es damit auf sich hat. Am 29. März 1909 verlas der deutsche Reichskanzler Bernhard von Bülow eine Rede vor dem Reichstag, in der sich das Deutsche Reich demonstrativ hinter die umstrittene Annexion von Bosnien-Herzegovina durch Österreich stellt. Damit wird zunächst die bosnische Annexionskrise außenpolitisch beigelegt, jedoch verärgerte die Rede Rußland und England sehr, die diese Aneignung nicht anerkennen wollten, während Bülow zum ersten mal den Begriff Nibelungentreue gebraucht.
Bis zur formellen Annexion hatte Bosnien-Herzegovina noch zum osmanischen Reich gehört, dessen Macht aber schon seit 1683 immer mehr schwand, entscheidend durch die militärischen Siege von Prinz Eugen. Später folgten darauf die Unabhängigkeitsbestrebungen der europäischen Völker. Das längst unbedeutend gewordene und dem Untergang geweihte osmanische Reich konnte überhaupt nur nochh eine gewisse Zeit Besitz in Europa behaupten, weil sich Österreich und Rußland uneinig waren, wem der osmanische Besitz zufallen sollte. Dabei spielte auch die Politik der übrigen europäischen Mächte eine Rolle, die unbedingt eine Ausdehnung des russischen Einflusses in Richtung Daradanellen und Bosporus verhindern wollte. Dieser war nach dem Sieg im Russisch-Osmanischen Krieg enorm gewachsen, warum die übrigen europäischen Mächte zum Mißfallen Rußlands die osmanischen Gebiete neu aufteilten. So blieb Bosnien-Herzegovina nach dem Berliner Kongress zwar osmanisch wurde aber österreichisch verwaltet und unterstand dem kuk-Finanzministerium.
Bereits im September 1908 hatten der russische und der österreichische Außenminister vereinbart, dass Österreich Bosnien und die Herzegovina erhalten sollte, während Russland dafür im Gegenzug mit einer Unterstützung Österreichs für die exklusiven Durchfahrtsrechte am Bosporus und an den Dardanellen rechnen konnte. 1908 war das richtige Jahr für die Annektierung da auch der dreißigjährige Verwaltungsvertrag mit dem osmanischen Reich von 1878 in diesem Jahr auslief. Die Schwäche des osmanischen Reichs durch die Revolution der Jungtürken nutzten auch Kreta, Rumänien und Griechenland. Als die Jungtürken auch bosnische Abgeordnete ins neue Parlament entsenden lassen wollten, obwohl es seit 30 Jahren von Österreich verwaltet wurde und dieses viel in den Aufbau dort investiert hatte, schritt der Kaiser ein und annektierte per Federstrich. Dabei gab es Pläne auch noch Serbien zu erobern und alle Slawen unter der Krone Österreichs zu einen, das dann zu einer Art monarchischem Jugoslawien geworden wäre und dem Balkan vielleicht viel erspart hätte wie Europa einen 1. Weltkrieg, der mit dem Mord an Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajevo seinen Ausgang nahm.
Beinahe wäres es über diese Annexion schon zum erst 6 Jahre später ausbrechenden Krieg gekommen, da in Russland sich die Panslawisten wehrten und diese sich betrogen fühlten, da Großbritannien die Einhaltung des mit Österreich geschlossenen Vertrages zu den Seerechten verhinderte, was jedem absehbar gewesen wäre, der britische Politik des Gleichgewichts kannte. Die Osmanen reagierten mit dem Boykott österreichischer Waren, der viele Händler der Region schwer schädigte. Den Krieg verhinderte nur die Schwächung Rußlands durch den vorher Krieg mit Japan und die nicht bedingungslose Solidarität Frankreichs. Dagegen hatte Bülows Rede von der Nibelungentreue diese Gefahr eher erhöht.
Österreich-Ungarn hatte der mit der Annektierung zunächst nur Ärger und ständig neue Probleme, die schwer zu lösen waren. Zunächst wurde darüber gestritten, ob es eher zu Ungarn oder zu Österreich gehören sollte und sich schließlich darauf geeinigt, es gemeinsam zu verwalten. Es kam auch zu Aufständen in anderen Teilen des Reiches, plötzlich forderten auch die Kroaten einen Teil und wollte kuk in einen neuen slawisch geprägten Dreiklang verwandeln, wovor es Wien logisch gruselte. Das Risiko und die Folgen waren sicher höher als der Gewinn, was auch das Attentat von Sarajewo 6 Jahre später betätigte. So war innenpolitisch durch die Annexion mehr Unfriede entstanden und der pathologische Nationalismus auf dem Balkan noch verstärkt worden, der dort schon vorher nahezu alle Vernunft leicht ersetzte.
Eine Lösung fand sich schließlich auf dem Verhandlungswege indem Österreich 50 Millionen an das osmanische Jungtürkenreich zahlte und sich für die Aufhebung der Handelssperren gegen diese einsetzte. Die Annexionskrise konnte so gerade noch friedlich beigelegt werden, ein Balkankrieg wurde noch verhindert, der 1912 ausbrach und mit dem 1914 auch der 1. Weltkrieg seinen Anfang nahm. Die Situation dort war explosiv und es galt, sich vorsichtig um einen Kompromiss zu bemühen.
Damals zeigte sich bereits, wie sehr Österreich-Ungarn in allen außenpolitischen Fragen auch auf die Hilfe des Deutschen Reiches angewiesen war, warum der beschworenen Nibelungentreue solche Bedeutung zukam und warum sie sechs Jahre später schnell in den Weltkrieg führte, so wenig reflektiert oder sinnvoll sie war, da keine deutschen Interessen dort verfolgt wurden oder gefährdet waren.
Nibelungentreue meinte eine bedingungslose, hoch emotionale und meist verhängnisvolle Treue, die auf den mittelhochdeutschen Begriff der triuwe zurückgeht und damit die persönliche Bindung der Beteiligten im mittelalterlichen Lehensystem beschreibt.
Bezugspunkt zum mittelalterlichen Epos des Nibenlungenliedes ist, dass die Treue stets als Quintessenz des Nibelungenliedes angesehen wurde. So hat sich dem Epos nach Hagen von Tronje des Mordes an Siegfried schuldig gemacht, den Gemahl Kriemhilds, die darauf Rache fordert. Kriemhilds Brüder die Burgunderkönige Gunter, Gernot und Giselher sind irgendwie auch beteiligt, wobei unklar ist wie schwer ihr Tatbeitrag wog, jedoch wäre Kriemhild bereit, ihnen zu verzeihen, sofern sie ihnen Hagen ausliefern, was diese unter Berufung auf Freundestreue verweigern.
Warum Bülow diese seltsame Treue jenseits aller Vernunft beschwor, ist bis heute nicht klar, vermutlich leiteten die deutsche Politik zu diesem Zeipunkt noch hehre Ideale, die an mittelalterliche Traditionen anknüpften. Dabei war seit 1904 bekannt, dass Frankreich und England eine Entente cordiale bildeten, die gemeinsam mit dem Bündnis mit Rußland die Mittelnächte in der Krise vollkommen isolierte. Vielleicht ist darum der Begriff der Nibelungentreue so passend, der nicht politisch pragmatisch oder irgend vernünftig ist, sondern an Sagenwelten anknüpft und mit mittelalterlichen politischen Bildern arbeitet.
Stärker noch kam der Begriff in der NS-Zeit in Aufschwung. So war der Wahlspruch der SS “Meine Ehre heißt Treue” und Hitler erwartete eine durch Eid zu bekräftigende persönliche Treue, die kultisch aufgeladen wurde und heute albern erschiene, wären seine Wirkungen nicht so grausam gewesen. Dadurch sollten Volk und Führer zu einem Volkskörper zusammenwachsen und die Treue wurde zur Leitidee des diktatorischen Systems in seiner ganzen sonst Lächerlichkeit mit kultischem Status über die heutige Politik sich nur noch wundern kann. Neben den innenpolitischen Eiden arbeitete Hitler als Diktator auch außenpolitisch mit höchstem Risiko, um gegebenenfalls sein ganzes Volk mit in den Untergang zu reißen, seiner gestörten Rasseidee aus wahnhaften Vorstellungen entsprechend, die heute nur noch als pathologisch bezeichnet werden können.
Ähnliche Verhaltensweisen sind teilweise auch beim türkischen Sultan zu beobachen, der seine diktatorischen Ideen und wahnhaften Anwandlungen gegen Journalisten und soziale Netzwerke vom Verfolgungswahn getrieben immer weiter treibt und es fragt sich nur, warum ihm noch so viele sonst vernünftige Menschen folgen, da auch sein scheinbarer ökonomischer Erfolg auf tönernen Füßen in einem System der Vetternwirtschaft steht, die in einer globalen Wirtschaft keine dauerhafte Sicherheit mehr bietet, ihn nur aufgrund der gerade politischen Krise in der Region noch im Amt stabilisiert. Schwierig ist nur, dass es auch sonst an zuverlässigen Partnern in der Region eher mangelt und deren demokratische Legitimation mindestens fragwürdig ist.
Merkel wird, ihrer bisherigen Linie folgend der Türkei nur die gerade notwendigen Zugeständnisse gewähren ansonsten aber den Sultan und sein Land auf Distanz halten. Von Nibelungentreue spricht hier niemand mehr und in freien Ländern wird diese Politik kritisch diskutiert.
Ob sie sich mit ihrer fast Nibelungentreue zu den USA gegenüber Rußland immer klug verhielt, scheint der Diskussion eher wert. Auch angesichts fraglicher Alternativen und totalitärer Neigungen des russischen Präsidenten Putin, der russisches Volk auch außerhalb seiner Landesgrenzen meint verteidigen zu dürfen und russische Interessen etwa auf der Krim zur Not wieder mit Gewalt durchsetzt, was aber so voraussehbar wie berechenbar war. Auch das Eingreifen nach dem vom Westen unterstützten Putsch in der Ukraine war absehbar und berechenbar, da Rußland nicht genug als Partner an die NATO gebunden worden war, seit Ende des Kalten Krieges, warum hier eine mehr Pendeldiplomatie womöglich für Europa sinnvollere Ergebnisse gezeitigt hätte als die gewohnt kurzsichtige Machtpolitik der imperial agierenden USA, die ihren Einflussradius erweitern und Rußland ärgern wollten.
Ansonsten ist der Pragmatismus einer Merkel, die behauptet nur zu tun, was sie als alternativlos ansieht, sinnvoller als der Dogmatismus, der in der sagenhaften Nibelungentreue steckt, die keinen Wert an sich verkörpert, sondern nur ein überhöhtes Zusammenhängen auf Gedeih und Verderb erklärt. Einen Krieg um jeden Preis zu vermeiden ist sicher klüger, als ihn durch sagenhafte Begriffe zu provozieren. So scheint auch gegenüber Erdogan eine Diplomatie, die ihn sich lächerlich machen lässt in seinem Sultanspalast vermutlich nachhaltiger als eine neue Boykottpolitik, welche die Situation weiter eskalieren ließe und damit möglicherweise den politischen Handlungsspielraum unnötig einschränkte. Der türkische Clown in Ankara, mag sich ruhig weiter zur Witzfigur machen, während er meint, den starken Mann zu spielen, es wird ihn sicher nicht weiter nach Europa führen, sondern die Tore fest verschließen und Europas interne Solidarität erhöhen. Dazu vorher gewisse Kompromisse einzugehen, um handlungsfähig zu bleiben und nicht von Putin und seinen hier agierenden Medien von rechts her getrieben zu werden, scheint politisch klug.
Ob es dennoch klüger wäre, die Konfrontation mit Russland zu beenden und diese gemeinsam mit der Ukraine stärker in die NATO einzubinden, scheint eher eine strategische Frage, in der sich europäische Freiheit auch gegenüber den USA besser bewähren könnte als in einer weiteren Konfrontation, in der Europa nur verlieren kann. Um für den Konflikt mit dem IS den Rücken frei zu haben, ist ein Bündnis mit Russland wohl weiser als die untaugliche Nibelungentreue, die zu nichts als hehren Versprechen führt, bei denen aber die Vernunft zu schnell aussetzt.
Nibelungentreue ist heute ein untauglicher Begriff. Politik soll lieber pragmatisch handeln und dabei auch lieber nicht behaupten, sie sei alternativlos. Dann finden sich in offenen Demokratien unter den Zwängen der globalen Wirtschaft die vernünftigsten Lösungen. Wohin sie uns im 20. Jahrhundert zweimal führte, sollte Lehre genug sein, künftig lieber auf undogmatischen Pragmatismus zu setzen.
jens tuengerthal 29.3.2016
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