Donnerstag, 31. Oktober 2024

Lektürentagebuch 30.10.24

Lektürentagebuch 30.10.24

So sehr ich den Zauberberg liebe
Wirkt er konzentriert auf mich wie
Proust fast wie ein Abführmittel
Für Literatur und Leben schon

Vielleicht braucht es mal eine Pause
Um die feine Sprache auch wieder
In ihrer Ironie genießen zu können
Mit einem Lächeln über das Leben

Das letzte Kapitel handelte von so
Faden Dingen wie Rechnungen die
Nach der ersten Woche anstanden
Wie Zweifeln an Hofrat Behrens

Erstere befindet der Hanseat für
Korrekt letzteren verteidigt Vetter
Joachim mit Vernunft und Erfahrung
Gegen aufkommende Verdächtigung

Dieser Verdacht nährte sich wie alle
Verschwörungen von Urteilen über
Bloße Spekulationen statt Wissen
Davon halte ich immer weniger

Einzig das Ausräuchern wäre doch
Im Vergleich zu allem übrigen etwas
Überteuert aber das sei angesichts
Mäßiger Preise ansonsten akzeptabel

Auch die von ihm nicht genutzte
Medizinische Konsultation nimmt er
Als dazugehörig billigend in kauf nur
Ob der Hofrat als früher Patient ein

Entschieden genügender Gegner
Der Krankheit ist scheint ihm doch
Zweifelhaft nachdem er erfuhr dass
Schon dessen Frau hier verstarb

Er selbst sich wohl zeitweise noch
Infiziert hatte und darum einfach
In Davos blieb auch ohne Frau 
Weil die Luft so heilsam wäre

Doch zerstreut Joachim diese ersten
Zweifel an der Integrität des ganzen
Sanatoriums und der Aktionäre hinter
Diesem mit leichter Hand schnell

Es sei weder gewiss ob der Hofrat
Noch gezwungen sei hier zu sein
Oder gar selbst krank wäre was
Hans zur Zufriedenheit genügte

Er lebte günstig und hatte darum
Keinen Grund zur Klage und also
Gingen die beiden die Rechnung gleich
Begleichen um es erledigt zu haben

Dabei sieht Hans erstmals auch das
Untergeschoss was da am Hang
Gelegen doch eigentlich keines ist
Dennoch ist zumindest das direkt

Am Treppenhaus gelegene Zimmer
Von Doktor Krokowski wie eine
Dunkle Höhle was passend scheint
Für Expeditionen ins Unterbewusstsein


Parallel dazu las ich noch Breloers
Ein fabelhaftes Glück wo es um die
Homosexualität Manns geht und wie
Er diese mit einem Freund pflegte

Dies durch Lektüre eines Buches
Was über sexuelle Sonderlichkeiten
Medizinisch wohlwollend aufklärte
Darunter auch die Homosexualität

Die Knaben sprechen in einer etwas
Schwül seltsamen Stimmung über
Ihre geringere Neigung zu Damen
Denen andere sonst nacheiferten

Es ist diese ganze Situation wohl
So gut und verklemmt beschrieben
Dass schon die Lektüre unangenehm
Für den Leser sich dabei anfühlt

Wie als peinlicher Schnüffler kommt
Sich der Besucher in Manns Leben
Dabei vor und fragt sich warum dies
Immer wieder ein Thema sein muss

Sicher prägt die sexuelle Neigung
Auch die Persönlichkeit doch ist
Was Thomas Mann in seiner Rolle
Als Autor und Bürger ausmacht

Deutlich anderes als Sexualität
Die ohnehin eher ein Randthema
Auch in seinen Schriften nur ist doch
Immer in den Mittelpunkt wieder

Von skandalsuchenden Autoren
Gerne gerückt wird so auch hier
Durch eine schwüle Atmosphäre
Die sogar real gewesen sein mag

Denke ich an die ersten Versuche
Auf diesem Gebiet von mir auch
Unter Freunden nach von denen
Manche diese Neigung teilten

Stelle ich keinen Unterschied fest
Auch wenn es mich zu Frauen zog
Ist die Sexualität seltsam belegt bei
Den ersten Versuchen der Erfahrung

Das ist eher peinlich in Erinnerung
Als von nonchalanter Größe noch
Von irgendeiner weiteren Bedeutung
Was wir im verborgenen einst taten

Auch die Versuche unter den Damen
Gleichen Alters im Bekanntenkreis
Gar der ferneren Verwandtschaft sind
Normale Teile des Heranreifens

Viel spannender als die spekulative
Neigung finde ich bis heute wie es
Mann schaffte das Leben als guter
Verheirateter Bürger doch zu führen

Seine Kinder zu zeugen wie seine
Katia zu lieben und ihr zumindest
Körperlich ziemlich treu zu bleiben
Weil ihm das Sein wichtiger war

Wenn ein Autor damit jener Rolle
Die er für sich wählte sogar den
Vorrang über die eigenen Triebe gibt
Ist diese Rolle wichtiger als jene je

Schwul zu sein ist heute keinerlei
Problem mehr in der zivilisierten
Kultivierten westlichen Welt anders
Ist dies in totalitären Staaten noch

Der nahe und ferne Osten hat da
Eher ein verklemmtes Problem wie
Putin es gerne zelebriert was nur
Mehr über diesen noch verrät

In Berlin ist es völlige Normalität
Angesichts derer eine so etwas
Verklemmte Aufdeckung peinlich 
Doch eher wirkt als aufklärend

Skandal Skandal Thomas Mann war
Ja was nun Bi oder doch Schwul ist
Völlig egal bei der Beurteilung des
Werkes dieses Autors denke ich

Doch darum haben sich lange
Schon die Biografen gebalgt die
Auf den großen Skandal hofften
Den es dafür aber nie wirklich gab

Viel wichtiger darum wäre es die
Rolle als Bürger zu untersuchen
Der er den Vorzug vor seiner auch
Sexuellen Neigung immer gab

Dies anders als seine Kinder
Denen er völlige Freiheit gab
Welche Klaus und Erika auslebten
Ohne literarisch bedeutend zu werden

Thomas entschied sich dafür seine
Lebensrolle konsequent zu spielen
Ließ darum die Sexualität nur die
Zweite Geige im Werk spielen

Werk und Leben ähneln sich bei
Thomas Mann erstaunlich stark
Er hat seine Neigungen literarisch
Ausgelebt und ist Bürger geblieben

Dieser Unterschied macht ihn aus
Wie auch das Werk groß sogar dann
Wenn ihm sexuelle Praxis fehlte sind
Die Kinder nicht vom Himmel gefallen

Der entscheidende Punkt für mich ist
Die Entscheidung des Autors für sein
Leben zu akzeptieren statt ihm ein
Anderes ungelebtes zu unterstellen

Nehme Thomas wie er sich darstellte
Was seinem Selbstbild wohl entsprach
Zumindest wie er gesehen werden wollte
Als Familienvater mit einer Neigung

So wie er bei Hans Castorp mit dieser
Für Pribislav Hippe spielte so wollte er
Auch selbst darin wohl gesehen werden
Ohne es noch weiter zu thematisieren

Spannend ist für mich darum der Mensch
Thomas Mann in der Rolle die er für sich
Wählte und bewusst spielte statt nur den
Unterdrückten Homosexuellen zu sehen

Solche Skandalisierung ist auch wenn
Sie literarisch gut gemeint sein mag
Eher peinlich und überflüssig immer
Schadet damit allen Seiten nur

Wer sich auf das Niveau der
Regenbogenmedien begibt wird
Nichts anderes mehr schaffen
Damit leider schnell entbehrlich

Mann ist unvergessen weil er
Seine Rolle konsequent lebte
Die Zweifel zur Literatur machte
So nehme ich ihn beim Wort

Es gibt auch Stellen im Werk
Von Thomas Mann bei denen
Kenner queerer Welten lächeln
Weil es ihnen vertraut bekannt ist

Doch groß ist Thomas Mann nicht
Weil er auch diese Neigung hatte
Sondern weil er seine Rolle lebte
Dem Bürgertum die Worte gab

Dieser Teil seines Seins scheint
Ihm bedeutender gewesen zu sein
Als seine Neigung auszuleben die
Keiner wohl mehr bezweifeln wird

Doch ist die Neigung egal wenn es
Um das Werk geht und ich bin nun
Gespannt wie Breloer dies im Verlauf
Sprachlich weiter lösen wird

Hier ist die ganz Werk konzentrierte
Biografie von Borchmeyer vorzüglich
Der sich an den Autor hält statt über
Den Menschen zu spekulieren

Thomas Manns Verdauung ist mir
So egal wie dessen Produkte doch
Sein literarisches Werk bleibt wichtig
Über dieses denke ich gerne nach

jens tuengerthal 31.10.24

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