005c Fakten und Familien
Was schreibt Geschichte?
Sind es eher die Geschichtsschreiber oder berühmte Einzelpersonen?
Kommt es überhaupt auf einzelne noch an oder sind diese austauschbar im großen Lauf der Geschichte und ist es ein eher unwichtiger Zufall, wer gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt oben stand?
Die Sicht dieser Frage hat sich gewandelt. Während früher, auch geprägt durch die Macht solcher Personen, sich die Geschichtsschreibung eher an Einzelnen orientierte, versucht sie heute lieber die komplexen sozialen Zusammenhänge zu begreifen und nicht mehr alles an einer Person zu erklären.
So schauen wir heute lieber auf Epochen der Zeitgeschichte, wie Renaissance, Reformation oder Aufklärung, statt es an einzelnen Personen festzumachen, die natürlich immer nur eine Sicht zeigen und sich damit in der Suche nach Erkenntnis unnötig beschränken. So gesehen ist es klug, den Blick zu erweitern und alles erfassen zu wollen, was war, um ein vollständiges Bild der Zeit zu bekommen.
Wie immer ist aber auch dieses Bild auf den Horizont derer beschränkt, die darauf schauen und es so beschreiben, wie es ihrer gerade Realität entspricht, die nichts mit der Wirklichkeit der Teilnehmer zu tun hat und auch im Denken Moden unterworfen ist. Gerade gilt es in der historischen Forschung als schick, lieber auf den breiten sozialen Kontext und die Befindlichkeiten auch der unteren Klassen zu schauen. Von diesen wissen wir nahezu nichts und mutmaßen um so mehr, was ein weites Feld für die Forschung übrig lässt. Der Perspektivwechsel war damit jedenfalls eine effektive Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
Doch sollten wir uns klar machen, dass es auch nur eine Mode ist, die zwar dem Geist der Demokratie entspricht, grundsätzlich positiv ist, aber eben wie jede Mode auch den Horizont verengt, was insbesondere bei der Betrachtung der großen Familien sichtbar wird, von denen viele nichts mehr wissen oder lernen und was eben auch dazu führte, dass große Teile der Schüler relativ orientierungslos und gelangweilt in neu erdachten sozialen Epochen herumirren, ohne in einem Netz halt zu finden.
Es ist sicher richtig, dass Geschichte nie nur von einer Person geschrieben wurde, sondern es immer auch die gesamten Umstände sind, die den Verlauf der Ereignisse erklären. Doch sollten wir nicht meinen, dass die soziale Situation der Bauern als Leibeigene, von der wir sicher wissen sollten und die genaue Beschäftigung mit ihrem Leben nach ideologischen Grundsätzen, uns den Blick für Zusammenhänge gibt.
Die Geschichte Europas wurde immer wieder von wenigen großen Familien entscheidend bestimmt. Die Befindlichkeiten der Massen wie ihre Lebensumstände, erklären aber keine Zusammenhänge und weben keine Netze, sondern sind lediglich soziale Folklore, die das Gewissen entlasten soll und dafür die eigenen Lebensumstände preist und beruht im übrigen weitgehend auf bloßen Vermutungen.
Auch die angebliche Diktatur des Proletariats als Verkehrung der ursprünglichen Umstände war keine solche, sondern die immer noch Diktatur einer Partei, die alte Eliten ersetzte und Ideale umbenannte, um ihre Herrschaft neu zu legitimieren. Die russische Revolution brachte keine große Veränderung in der Art der Machtausübung sondern allein bei Namen und Gesichtern in der Führung, während sich die Umstände ländlichen Lebens kaum änderten, sehen wir von den katastrophalen Folgen realsozialistischer Misswirtschaft einmal ab.
Darum versteht den Lauf der Zeit nur wirklich, wer sich mit dem Handeln der Eliten und den Folgen ihrer Entscheidungen beschäftigt. Alle, die nur auf den großen sozialen Zusammenhang im kleinen Bereich schauen, mögen sich sehr engagiert für ein individuelles Verständnis einsetzen und dies aus bester demokratischer Motivation tun und stiften doch für die Mehrheit nur Verwirrung.
Sich mit Einzelfällen im Detail beschäftigen, braucht historisch betrachtet eher viel Phantasie als Fakten und trägt nichts dazu bei, den Zusammenhang zu verstehen, in dem historische Ereignisse stehen, warum es wichtig für uns ist, sich damit zu beschäftigen. Das Einzelschicksal mag tragisch oder gerade besonders glücklich sein, es ist völlig irrelevant für den großen Zusammenhang und wer den nicht lebendig verstehen lernt, wird sich nie im Urwald der Geschichte zurechtfinden.
Ein Biologe mag sich mit der Lupe in den Wald begeben und das Liebesleben der Borkenkäfer wissenschaftlich erforschen, solche Forschung hat sicher ihren Wert und eine große Bedeutung - aber wenn ich jemandem den Wald als Ganzes beschreiben möchte, sind solche Detailkenntnisse völlig unwichtig und tragen eher zur Verwirrung bei. Dies noch mehr, wenn sie weitgehend spekulativ sind und mehr einen sozialen Zweck verfolgen als einen historischen Überblick zu geben, den es braucht, um zwischen den Zeiten zu surfen.
So werden seit den 70ern Generationen von sozial sehr engagierten Schülern mit solch spekulativen Thesen gelangweilt, um von den großen Namen und Familien wegzukommen und im Ergebnis finden sich sogar Historiker immer schlechter in der Zeit zurecht und verlieren schnell den Überblick.
Sozialgeschichte und die Geschichte der sogenannten kleinen Leute ist nett, als Arabeske für Spezialisten, die sich noch mit neuen Blumen schmücken oder als Forscher eine neue Entdeckung offenbaren wollen. Es ist nichts, dagegen zu sagen, den Horizont auch auf diesem Gebiet noch zu erweitern, sofern das Gerüst steht und das Fundament stabil genug ist.
Zwischen weitem Blick und Details, die anschaulich machen, wie Leben war, liegt ein weites Feld der Phantasie. Auch wenn wir uns eine irgendwie Vorstellung erschließen können, wie die Menschen genau lebten und dies anschaulich machen, damit die Identifikation größer wird, nützt uns dies Wissen nichts zum Verständnis der Zusammenhänge, es verwirrt eher und konkretisiert meist falsche Vorstellungen.
Es ist so, wie wenn wir kleinen Kindern Geschichten von vermenschlichten Tieren über deren Familienleben vorlesen. Kann gemacht werden und Kinder lieben solche Geschichten, wie etwa der Wind in den Weiden aber es schafft kein Verständnis für Tiere und ihre Lebensumstände sondern vermenschelt sie, was weder das Verständnis fördert, noch den Tieren gut tut. Es fördert eher den Wunsch vieler Kinder nach einem Haustier, dieser modernen Form der Sklavenhaltung als Amüsement für gelangweilte Großstädter.
Tiere sollten möglichst in der Natur leben und nicht in Wohnungen oder Zoos, damit wir sie betrachten und uns an ihnen messen können, wie sie sich im Knast verhalten. Würden wir besuchenden Außerirdischen einen Knast zeigen, in dem Menschen eingesperrt leben, damit sie Verständnis für unsere Gattung und unser Verhalten entwickeln?
Noch zur Jahrhundertwende gab es in Zeiten des Kolonialismus auch Menschenzoos in denen Eingeborene aus den Kolonien in ihren Kostümen, teilweise mit den Tieren ihres natürlichen Lebensraums ausgestellt wurden, damit sich die Menschen in der Heimat der Kolonialherren ein Bild vom Leben dort machen können.
Dies scheint uns heute völlig absurd, verstößt gegen jede Menschenwürde und wäre hier verboten, wo doch schon das Bundesverfassungsgericht vor vielen Jahren die Peep-Shows verboten hat, weil diese Zurschaustellung nackter Frauen als Objekte meist männlicher Gier gegen Einwurf von 1DM für eine Minute als entwürdigende Versachlichung galt, die wir nicht erlauben dürften.
Ob gerade dieser eine Bereich im Milliardengeschäft mit dem Sex wirklich der entwürdigendste war oder da nicht andere viel schlimmer sind, sei hier dahingestellt, da es um das Menschenbild durch die Zeiten weniger gerade geht als eine aufgeklärte Betrachtung der Geschichte, zu der aber die Art und Weise, wie ich schauen lerne, dringend dazu gehört.
Wer Frauen mit gespreizten Beinen für eine Minute sich nackt kaufen kann, könnte dadurch ein Verhältnis zu Sexualität und Liebe entwickeln, das dem Handel eher gleicht als einer Partnerschaft. Genau wie Kinder, die Tiere im Zoo kennenlernen ein Bild gestörter Kreaturen in Gefangenschaft als natürlich vermittelt wird.
Dabei ist die Pornoindustrie längst umgeschwenkt und zeigt immer mehr Filme, in denen sich die Darsteller wechselseitig um ihre Befriedigung bemühen und hat sich so entgegen aller immer noch lauten Kritik an ihr der Natur wieder angenähert. Sie zeigt zumindest teilweise Sex, wie er sein kann. Natürlich gibt es auch da seltsame Spielarten mit oder ohne Gewalt, wie manche Menschen auch im realen Leben solche Varianten bevorzugen, die andere als krank empfinden.
Bin mir nicht sicher, ob Peep-Shows den Darstellerinnen mehr schaden, als es etwa Stundenhotels mit Flat zum vögeln tun, ob gekaufte Sexualität nicht entweder völlig verboten gehörte oder ganz frei gegeben und wie wir dabei die älteste Form der Prostitution, die Ehe einordnen wollen, in der gerade erst mühsam die Vergewaltigung für strafbar erklärt wurde.
Der Ausflug führt aber nur scheinbar weg vom Thema dem in Schulen und Museen vermittelten Geschichtsverständnis, bei dem sich Spezialisten an Details aufgeilen und darüber den Überblick vergessen, während die Leser oder Zuhörer mit wenig unwichtigem Wissen allein gelassen werden, statt zunächst den Zusammenhang zu vermitteln.
Dazu gehört der Rahmen, in dem Geschichte ablief und wenn bedeutend genug eine Kenntnis der Personen, die Geschichte bewegten. Es ist viel weniger, als viele angesichts der Stoffberge fürchten, was es braucht, um sich zurechtzufinden. Wenige Namen von Epochen und ihre ungefähre zeitliche Einordnung als Raster. Ein paar Familien, die das Geschehen konkreter machen und den Zusammenhang darstellen.
Um nicht nur abstrakt darüber zu schreiben, auch wenn das Netz immer ein abstraktes Modell bleibt, so ist Europa, seine Grenzen und seine Geschichte nicht ohne Kenntnis des Hauses Habsburg verständlich, das sich ganze Königreiche glücklich erheiratete und so von einem unbedeutenden Geschlecht auf der Schweizer Habichtsburg zum mit wenigen Ausnahmen am längsten regierenden Kaisergeschlecht wurde.
Dort gibt es etwa Kaiser Maximilian I., der sich Burgund erheiratete, während sein Vater noch Krieg mit Max späteren Schwiegervater suchte und dessen Sohn, der schöne Philipp, dann Spanien erheiratete, das dessen Schwiegereltern Ferdinand und Isabella gerade erst von den Mauren befreit und über die Kronen Aragons und Kastiliens geeint hatten, das aber, weil Ferdinand und Isabella den etwas fanatischen Kolumbus, bei seinem Versuch gen Westen nach Indien zu kommen, finanzierten, plötzlich stinkreich wurde und um die ganze Welt reichte, warum wiederum Maximilians Enkel Karl, der als Karl V. Kaiser im Reich wurde und als Karl I.König in Spanien war, derjenige genannt wurde, in dessen Reich die Sonne nie unterging. Von da aus wird die spanische Prägung Südamerikas verständlich, der Name der Philippinen und auch die Politik im Reich, in dem Karl sich mit Luther und dem ihn anhängenden Reichsfürsten herumschlagen musste, was den neuen spanischen Reichtum neben anderen Kriegen fast auffraß.
Die Habsburger waren wie mit der Kaiserkrone vermählt und wurden meist zu Kaisern gewählt, seit sie diese einmal errangen mit wenigen Ausnahmen aus Luxemburg und Bayern. Nach der Auflösung des Reiches infolge von Napoleons Eroberungszug in Europa, wurden sie Kaiser von Österreich und blieben das bis es 1918 mit der Monarchie in Österreich-Ungarn endete. Neben Maximilian, Karl und den Philipps sind noch Maria Theresia und ihr Sohn wichtig. Eher für Filmfans von Bedeutung ist, dass die letzte Kaiserin Elisabeth aus dem bayerischen Herrscherhaus der Wittelsbacher mit Spitznamen Sissi hieß und irgendwann von einem italienischen Anarchisten, der um Freiheit rang, umgebracht wurde und die Rolle als Sissi erst Romy Schneider berühmt machte.
Oder die Hohenzollern, ein schwäbisches Geschlecht mit seiner Stammburg bei Hechingen, was Karriere als Reichsgrafen von Nürnberg machte, dem Kaiser gute Dienste leistete und dafür mit der Kurwürde, also dem Titel eines Kurfürsten von Brandenburg, belohnt wurde. Unter dem Großvater vom berühmten Alten Fritz beakm dies Kurfürstentum ein Königreich tief im Osten, im Land der Pruzzen, das Ostpreußen hieß und ursprünglich Land des Deutschen Ordens war. Diese Krone galt nicht im Reich, wo es nur den Kaiser, den König von Böhmen und die sonst Kurfürsten bis dato gab. Sie hatte keinen Wert als ein gekaufter Titel auf einer Visitenkarte und sie waren bis zu Friedrich dem Großen auch immer nu Könige in Preußen, da irgendwo im Osten, nicht von Preußen. Das erreichte Fritz erst mit der Teilung Polens, die er mit Zarin Katharina, dem aufgeklärten Vorbild Merkels und besten Freundin seines Bruders Heinrich, und Maria-Theresia vereinbarte, weil die polnischen Fürsten sich nicht einigen konnten. Friedrich ist eigentlich der einzig bedeutende König aus dem Geschlecht der Schwaben in Berlin. Sein Urgroßvater, der auch der große Kurfürst genannt wird, hat sich nochmal wacker gegen die Schweden geschlagen, bei Fehrbellin übrigens, warum in Berlin immer noch manche Straßen nach diesem Provinznest heißen. Sonst gibt es keine besonders hervorragenden Herrscherpersönlichkeiten aus diesem Haus. Dies auch wenn der spätere sogar Kaiser Wilhelm I, ein Sohn der berühmten, romantisch verklärten Königin Luise, verehrt wurde, als stände er in der Nachfolge Barbarossas, der angeblich auch einen großen Bart trug, aber dem auch schwäbischen Geschlecht der Staufer entstammte. Von Bedeutung war da eher sein leicht cholerischer Kanzler Bismarck, der die neue Reichseinigung ohne Österreich dafür mit preußischem Kaiser erzwang durch von ihm provozierte Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich. Dessen Sohn Friedrich III. hatte nach dem uralt gestorbenen Vater von 1888 nur 90 Tage und der ihm folgende auch körperlich behinderte Wilhelm II. machte sich einen Namen durch grauenvolle Architektur Schandmäler wie dem Berliner Dom, eine unsinnige Flottenpolitik und den unnötigen Einstieg in den 1. Weltkrieg durch die von ihm geschätzte Großmäuligkeit, was immer diese sonst kompensieren sollte. Die letzten Hohenzollern waren zumindest ein guter Grund, warum es in Deutschland seit 1918 keinen König oder Kaiser, außer im Fußball, mehr gibt und das scheint auch relativ gut so.
Die Kurfürsten, was die Hohenzollern waren, bis sie sich selbst krönten, wiederum wählten den Kaiser im Nachfolgereich des römischen Reiches, das von den Franken gegründet wurde, die aus dem Großraum Aachen stammten und sich als Hausmeier am Hof der französischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger hocharbeiteten , die sich wiederum der Sage nach direkt auf Maria Magdalena zurückführten. Zur Zeit der Karolinger war, was heute Frankreich und Deutschland ist ein Reich. Allerdings nur bis zum nördlichen Verlauf der Elbe zunächst. Der wilde Osten wurde erst später christianisiert und Teil des heiligen Reichs, dessen weltliche Krone der Papst verlieh.
Bei der Christianisierung, die fälschlich mit Zivilisierung gleichgesetzt wird, wurde die alte Kultur und die Erinnerung an sie weitgehend zerstört, wie es der IS heute noch versucht zur Empörung der auf diese Art einst kultivierten Völker im Norden. Besonders hervor tat sich da einer aus einem anderen berühmten und wichtigen Geschlecht, das immer ein wenig größer scheinen wollte, als es tatsächlich war, aber dann doch das älteste und am längsten regierende Geschlecht wohl war, sehen wir vom Haus Mecklenburg ab, die schon vor der Christianisierung dort herrschten und keiner weiß wie lang genau. Es sind die Welfen, oder später das Haus Hannover, das in Personalunion in England regierte. So ist jener berühmte Heinrich der Löwe, der den Obotriten und anderen den Glauben mit dem Schwert nahe brachte, ein Vorfahr vom heute eher als Pinkelprinz bekannten Ernst August von Hannover.
Dieser Sproß des alten Fürstengeschlechts, war zuletzt mit einer Tochter des Fürsten von Monaco verheiratet, einem autonomen Fürstentum am Mittelmeer auf französischem Staatsgebiet mit dem Namen Grimaldi, die ein ursprünglich aus Genua stammendes Geschlecht sind und das seit 1275 dort regiert. Heute machtpolitisch völlig unbedeutend, eher seit Fürst Rainier der Vater des regierenden Fürsten, dessen kleine Schwester Ernst August einige Zeit heiratete, die Schauspielerin Grace Kelly als Gracia Patricia heiratete, die so tragisch bei einem Autounfall verstarb, ein Lieblingsthema der Klatschpresse immer wieder.
Früher war das anders, als zur Zeit der Stauferkaiser, sich Barbarossa und auch sein Enkel Friedrich II. von Hohenstaufen, nicht zu verwechseln mit dem späteren König in und von Preußen, sich Kaiser, Papst und italienische Städte beständig stritten und bekriegten. Dieser Kampf hieß der zwischen Guelfen und Ghibellinen. Erstere haben sich nach den Welfen als papsttreue Truppen benannt, letztere sich nach den Waiblingern, dem Stammsitz der Staufer, wie deren Schlachtruf genannt. Dieser Kampf zwischen Welfen und Staufern und damit auch Kaiser und Papst, war als der zwischen Guelfen und Ghibellinen einer zwischen den italienischen Städten und untereinander um die jeweilige politische und ökonomische Vorherrschaft, wobei auch gerne die Seite nach Nützlichkeitserwägungen gewechselt wurde. In diesem Streit wiederum wurde die Familie Grimaldi, die papsttreu und also auf Seiten der Guelfen oder Welfen stand, aus ihrer Heimat Genua um 1290 vertrieben. Damals gehörte Monaco noch zu Neapel, war jedenfalls ghibellinisch auch mit seiner Universität, was über die normannische Mutter des Kaisers Friedrich Staufererbe wurde aber vom ersten Grimaldi in Monaco, Francesco I., im Handstreich genommen, bei dem er sich als Franziskaner verkleidet in die Burg schlich und so durch einen geschickten Betrug siegte, statt in offener Schlacht. Wie immer wir den Begriff mittelalterlicher Ehre definieren, dies war eine völlig ehrlose Eroberung, ein schlichter Betrug, der aber seit 1297 hielt und so hatten mit Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August zwei in der Nachfolge der Guelfen, quasi aus einer Partei geheiratet.
Diese Hochzeit, um noch ein wenig beim flachen Tratsch zu bleiben, der sich manchmal so schön mit der alten Geschichte vermischt, musste die Queen genehmigen. Hatte doch England das Haus Hannover in Personalunion regiert für lange Zeit, war sie die Chefin des Clans, die aber wohl keine Einwände erhob. Elisabeth II. - inzwischen die am längsten regierende Monarchin der Welt, auch wenn sie nur noch repräsentiert im bald biblischen Alter steht für eine alte und weitverzweigte Familie, die auch mit dem deutschen Kaiserhaus eng verwandt war. Eigentlich trägt sie einen deutschen Namen und entstammt dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha, da mit Queen Victoria das Haus Hannover als regierende Linie in England ausstarb. Dieser Name gefiel jedoch den Briten während des Krieges auch gegen das kaiserliche Deutschland nicht so gut, weshalb die königliche Familie sich nach ihrer Residenz Schloss Windsor nannte. Dies Schloss oder was aus ihm mit der Zeit wurde, ist seit 1066, als der Normanne Wilhelm der Eroberer als letzter England nochmal eroberte, im Besitz der königlichen Familie und damit länger als ein Haus dort regierte.
Die Engländer stritten sich lange auch um ihre Krone, nannten es Rosenkriege, die zwischen den Häusern York und Lancaster blutig ausgefochten wurden, bis auch der letzte Erbe fiel und ein indirekter Erbe Henry VII. und damit das Haus Tudor an die Macht brachte, der wiederum durch Hochzeit mit dem unterlegenen Haus York dieses an der Macht beteiligte, vielleicht war es auch umgekehrt, denn ehrlich gesagt, fische ich alles, was ich gerade schreibe nur aus der Erinnerung und dem hohlen Bauch, in dem mein Netz mit Stichworten zwischen den Zeiten springt und fischt. So wichtig ist das auch nicht, um zu verstehen, warum die erste Elisabeth in England an die Macht kam, eine Enkelin Heinrichs VII., Tochter von Heinrich VIII. aus dessen zweiter von Rom nicht anerkannter Ehe, die zur Gründung der anglikanischen Kirche führte, was ungefähr zeitgleich mit der Reformation im Reich ablief und doch einen ganz eigenen Weg ging.
Elisabeth entstammte also einem jungen Geschlecht an der Macht und kam erst an diese, nachdem ihre Schwester Maria, die auch die katholische oder die blutige genannt wird, der Gemetzel unter den Anglikanern wegen, die sie als Königin anrichtete, gestorben war. Maria wiederum war auch eine Enkeltochter von Ferdinand und Isabella von Spanien wie Karl V. dessen Sohn Philipp, der spätere Philipp II. von Spanien und den spanischen Niederlanden, sie heiratete aber nicht erfolgreich schwängerte. So fiel das Erbe nach ihrem Tod der Schwester Elisabeth zu, England wurde wieder anglikanisch und es begann eine lange Herrschaft, die zum Empire und Englands Weltherrschaft führte, die Spanien ablöste.
Der Witwer ihrer Schwester Maria Philipp hatte als König von Spanien zunächst auch versucht Elisabeth zu heiraten, doch wollte diese sich keinem Mann unterwerfen und ließ ihn abblitzen. Dafür schickte sie ihre Piraten unter der Führung von Sir Francis Drake los, der spanische Schiffe mit Gold aus Südamerika kaperte und den Zorn Spaniens auf sich zog, das daraufhin mit seiner berühmten Armada gen Norden zog und sich grausam rächen wollte. Die spanische Flotte war damals der englischen ungefähr so überlegen wie die der USA heute dem Rest der Welt. Dennoch gewannen Elisabeths Truppen durch die Königin persönlich angefeuert mit Tricks und doppelten Boden, dem auch noch das Wetter und die Wendigkeit ihrer viel kleineren Schiffe half - so ging die berühmte Armada unter und England gewann erstmals die maritime Weltmacht, die sie lange behalten sollten.
Elisabeth war eine gebildete Frau und betrieb auch mit ihren Geheimdiensten aktive Politik in ganz Europa, so auch in Frankreich, wo sie zu ihrer Zeit dem Protestanten Heinrich von Navarra half, den Thron zu erobern, der ihm nach der Hochzeit mit der letzten Erbin des Hauses Valois zustand. Dies war auch eine Rache für das Blutbad, das die Katholiken unter den Protestanten anläßlich der Hochzeit von Henry anstellten in der sogenannten Bartholomäusnacht.
Henry wurde nach vielen Wirren später König Henry IV., auch wenn er vorher noch unter anderem gegen die erzkatholische Fraktion im Bündnis mit dem vorigen Henry aus dem Hause Valois im Krieg der drei Heinriche kämpfte, erließ ein Toleranzedikt gegenüber den Hugenotten, denn für den Frieden in Paris war er noch einmal zum Katholizismus konvertiert mit den strittigen Worten, Paris sei eine Messe wert. Egal, was er nun dazu wirklich sagte, blieben diese Worte in Erinnerung und sind Teil des Netzes, mit dem ich zwischen Personen und Zeiten leicht springe. So war Berater von Henry der hier schon häufiger zitierte Michel de Montaigne, jenes große Vorbild aller Essayisten, vor dem sich diese verglichen dürren Zeilen nun verneigen, was den Kreis ein wenig schließt.
Ein Enkel Henrys wurde Ludwig XIV., der wiederum das Toleranzedikt des Großvaters aufhob, die Hugenotten zum späteren Wohle Preußens vertrieb, das unter dem großen Kurfürsten allen Flüchtlingen Heimat bot, was diese mit Fleiß und Treue beantworteten und später einige der treuesten Offiziere und begabtesten Künstler wurden. So verschob sich ganz langsam das Schwergewicht von Westen nach Osten und Preußen wurde über mehrere Generationen unter genialen Feldherren wie Friedrich II., York und Moltke zur zentralen Supermacht, die sich dann unter Wilhelm II. total überschätzte und überall Krieg suchte, den sie natürlich im Bündnis mit dem längst moribunden Österreich verlor, um dann zur Republik zu werden, die nach 15 Jahren in die mehr oder weniger gewählte NS-Diktatur unter Hitler mündete, die Preußen ganz und Deutschland erstmal militärisch untergehen ließ, um auf den Ruinen in den schon Flammen des Kalten Krieges zwei neue Staaten ab 1949 zu errichten.
Jener Ludwig aber focht zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert noch manchen Krieg aus, den er gegen England in Übersee um Kolonien verlor aber in Europa erfolgreich gewann. Dazu gehören der pfälzische und der spanische Erbfolgekrieg. Um die Pfalz ging es, weil sein, ich meine, Bruder die berühmte Liselotte von der Pfalz heiratete, die vor allem durch ihre detailreichen und teils auch frechen und pikanten Briefe vom königlichen Hof berühmt wurde. Bei diesem Krieg wurde das Heidelberger Schloss zur bis heute berühmten teilweise Ruine und die Altstadt weitgehend zerstört, um dann wieder in der heute bekannten Pracht aufgebaut zu werden.
Heidelberg ist auch ein wichtiger Ort der deutschen Geschichte dieser Zeit, die manche europäischen Netze spannt. So hat der damalige Kurfürst von Heidelberg, der sich 1618 gegen die Habsburger und auf Drängen der böhmischen Stände zum König von Böhmen wählen ließ, den Dreißigjährigen Krieg mit ausgelöst, auch wenn immer wieder gesagt wird, dieser habe mit dem Prager Fenstersturz begonnen, stehen die Ereignisse doch in einem engen Zusammenhang. Dieser später Winterkönig genannte, weil er nur einen Winter lang in Prag als König residierte, bis ihn die geballte Habsburger Militärmacht wieder vertrieb, war mit der Tochter des Nachfolgers von obiger Königin Elisabeth I. verheiratet, der er zum Willkommen, wenn ich mich richtig dunkel erinnere, als Liebesgabe in einer Nacht ein Tor im Heidelbergerschloßgarten errichten ließ.
Damit war sie eine Stuart und Enkelin der längst von Elisabeth nach zahlreichen katholischen Putschversuchen hingerichteten Maria Stuart, die wiederum Witwe des jung verstorbenen französischen Königs war und später Königin von Schottland wurde, bis die Schotten sie teilweise vertrieben und sie bei ihrer Kusine Elisabeth Asyl suchte, was nach zahlreichen Intrigen unter dem Fallbeil endete, auch wenn die Königin von England gegen den Rat ihres Hofs zuvor noch alles versucht hatte, die Hinrichtung zu verhindern.
Jakob, der Nachfolger Elisabeths, die nie heiratete und keine Kinder bekam, der Legende nach jungfräuliche Königin hieß, was aber wohl nicht ihrer gelebten Realität entsprach, in der es einige bedeutende Liebhaber gab, wurde protestantisch erzogen, vereinigte den schottischen und den englischen Thron und setzte Elisabeths erfolgreiche imperiale Politik fort. Er unterstützte wie seine Tante auch die Republik der Vereinigten Niederlande, die in einem neunzigjährigen Befreiungskampf ihre protestantische Unabhängigkeit von den katholischen, spanischen Niederlanden erfochten und in dieser Epoche, die auch das goldene Zeitalter der niederländischen Malerei genannt wird, mehr Flüchtlinge aufnahm als sie Einwohner hatten, die aus den noch spanischen Niederlanden flohen.
Diese kleine Republik hat sich als reiche See- und Handelsmacht so erfolgreich etabliert gerade im sehr gewinnträchtigen Gewürzhhandel mit Asien, dass sie lange auch mit England um die Vorherrschaft focht. Reiche Familien wurden Auftraggeber für bedeutende Künstler von Vermeer bis Rembrandt und viele mehr, die Millionen von Bildern für ihre reichen Kunden produzierten im winzigen Land hinter den Deichen. Regiert wurden die Niederlande als Republik vom Statthalter aus dem Geschlecht Nassau-Oranien, die bis heute dort regieren, warum die Niederländer Oranje rufen und tragen, was deren Aussprache des französischen Orange entspricht, wo der Titel ursprünglich herkam und über den Umweg einer Ehe mit Nassau schließlich in die protestantischen Niederlande wieder gelangte.
Den Titel Prinz von Oranien nehmen heute drei Gruppen für sich in Anspruch, zum einen das niederländische Königshaus von Nassau-Oranien, dann das verwandtschaftlich eng verbundene Haus Hohenzollern-Preußen, deren momentaner Chef Prinz Georg Friedrich auch den Titel eines Prinzen von Oranien trägt und das französische Geschlecht der Marquis Mailly-Nesle.
Die großen europäischen Häuser sind jedenfalls alle erstaunlich eng und vielfach miteinander verwandt, was auch daran lag, dass regierende Häuser nicht unter Stand heiraten durften und damit die Auswahl logisch beschränkt war. Insbesondere das Haus Habsburg heiratete lange zwischen der spanischen und der österreichischen Linie immer wieder unter Vettern, dass die erbliche Degeneration, durch besonders ausgeprägte Merkmale immer deutlicher wurde.
Irgendwann endete aber die Zeit Habsburgs in Spanien, als sich wieder Ludwig XIV. mit dem stärkeren Erbanspruch durchsetzte und den Thron für das Haus Bourbon forderte, also seine Familie, auch wenn im Friedensschluß vereinbart wurde, dass es nicht in Personalunion regiert werden dürfte und so repräsentieren zumindest bis heute Bourbonen, also Nachfolger des großen Henry IV. das spanische Königshaus, in dem gerade der neue König seinem noch von Franco eingesetzten Vater folgte, der Spanien zurück zur Demokratie und nach Europa brachte.
Solche Linien ziehen sich in Europa durch viele Häuser, die über Erbe sich vergrößerten oder neu aufgeteilt wurden. Es erklärt auch unter anderem warum Kaiser Wilhelm II. nach dem 9. November 1918 in die Niederlande floh und Berlin mit seinem peinlichen Kitsch alleine ließ, bis die Regierung der DDR das Schloss auch als symbolischen Akt für den Untergang Preußens sprengen ließ.
Doch gibt es nach wie vor die großen Sammlungen Preußischer Kulturbesitz, die viel des Erbes der Hohenzollern heute als Stiftung verwalten und museal zugänglich machen in den Staatlichen Museen zu Berlin oder den ehemals hohenzollernschen Schlössern.
Die verwandtschaftlich engen Beziehungen des Adels finden sich auch auf den Listen der Widerständler gegen Hitler und der Blutzoll dieser Familien wie ihre Verfolgung nach dem missglückten Attentat war unverhältnismäßig hoch, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass sich viele ehemals herrschende Häuser auch bestens mit Hitler arrangierten und ihm, wie etwa der Großvater der heute wieder in der rechten Ecke aktiven Beatrix von Storch, ein Herzog von Oldenburg, halfen und zuarbeiteten, sogar im Ministerrang wie jener Oldenburg.
Wer nicht um die engen verwandtschaftlichen Beziehungen etwa von Marion Gräfin Dönhoff zum Widerstand aus preußischen Offiziersfamilien weiß und deren Opfer kennt, wird deren Engagement für die deutsch-polnische Begegnungsstätte in Kreisau nicht verstehen, dem ehemaligen Gut der Grafen Moltke, das unter dem Nachfahren des Feldmarschalls, Helmut James von Moltke zum Zentrum des Kreisauer Kreises wurde, in dem sich Widerständler aus allen Richtungen trafen, um für ein Deutschland nach Hitler zu planen und den er mit seinem Vetter Peter York führte.
Auch in kleineren lokalen Ereignissen, kann sich plötzlich die große Geschichte wiederspiegeln. So hat etwa der berühmte Götz von Berlichingen den Reichserzkanzler und Fürstbischof von Mainz, einen von Gemmingen seinerzeit erfolgreich erpresst und sich von dem Geld neben Jagsthausen noch eine weitere Burg und ein Schloss am Neckar erworben, was heute wiederum über manchen Umweg im Besitz der Familie Gemmingen-Hornberg ist, den Nachfahren jenes Fürstbischofs, den der Götz zum Erwerb erpresst hatte und vieles der lokalen Geschichte, wird erst aus Kenntnis der Verbindung der Familien klar.
So wurden manche Kriege um das Erbe begonnen und verhinderten andererseits viele Hochzeiten Kriege indem so der Besitz ererbt oder legitim übertragen wurde. Dabei war manches immer wieder strittig, wie etwa, ob das alte salische Erbrecht gelten müsse oder das aktuell zum Erbfall geltende und ob mit Grundrechten unvereinbare Pflichten der Adelhäuser, wie etwa die standesgemäße Heirat in der Bundesrepublik noch etwas am gesetzlichen Erbanspruch ändern kann.
Der jetzige Chef des Hauses Hohenzollern etwa, stieß als Sohn und Erbe des Prinzen Louis Ferdinand, der wiederum jüngster Sohn des damals amtierenden Chefs Louis Ferdinand war auf den auch rechtlichen Widerstand seiner deutlich älteren Onkel, die aber nicht standesgemäß zumindest in erster Ehe geheiratet hatten und darum vom Erbe ausgeschlossen waren. Der Vater war 1977 bei einer Militärübung gestorben als Georg Friedrich erst ein Jahr alt war - er selbst erbte den Familienvorstand von seinem 1994 gestorbenen Großvater Louis Ferdinand, der mit seinen Kindern nach dem Krieg in Bremen zog, wo auch Georg Friedrich heute teilweise lebt. Für Monarchisten ist der Ururenkel von Kaiser Wilhelm II. heute der designierte Kronprinz. Er selbst lehnt jegliche politische Aufgabe ab und beschränkt sich auf seine sozialen Tätigkeiten etwa in der Prinzessin-Kira-Stiftung.
Diese Prinzessin Kira wiederum war seine Großmutter, die er aber nie kennenlernte und eine geborene Romanow. Ihr Vater galt nach der Hinrichtung der Zarenfamilie durch die Sowjets als designierter russischer Kronprinz und war damit ein Prinz ohne Land, der teilweise in Paris lebte. Es gibt eine enge Verbindung des russischen und des preußischen Hauses seit Generationen, wenn auch beide politisch keinerlei Rolle mehr spielen außer in der Phantasie von Monarchisten, die in der Demokratie aber keine Aussicht auf eine Mehrheit haben. Georg Friedrich, der studierter Betriebswirt ist, sieht sich als Unternehmer, der einen uralten Familienbetrieb führt und das trifft es in der heutigen Zeit so gut, wie es auch zu früheren Zeiten in vieler Hinsicht richtig war.
So gesehen ist Geschichte immer auch eine Wirtschaftsgeschichte, die sich nach dem Erfolg der verantwortlichen Häuser richtet und wie diese es schaffen, ihren Betrieb ordentlich zu führen. Karl V. war ein fleißiger Kaiser und König, der ständig arbeitete, um die riesige Menge an Aufgaben zu bewältigen, die sein Reich, dass Spanien, wie das Heilige Römische Reich deutscher Nationen, Burgund und die spanischen Kolonien umfasste, sich über die ganze Welt erstreckte und auch in den österreichischen Erblanden und sonst in Europa genug Aufgaben und Feinde hatte.
Die Liste seiner Titel und Aufgaben scheint unendlich lang:
Wir, Karl der Fünfte, von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, in Germanien, zu Kastilien, Aragon, León, beider Sizilien, Jerusalem, Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Navarra, Granada, Toledo, Valencia, Galizien, Mallorca, Sevilla, Sardinien, Córdoba, Korsika, Murcia, Jaén, Algarve, Algeciras, Gibraltar, der Kanarischen und Indianischen Inseln und des Festlandes, des Ozeanischen Meers &c. König, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund, zu Lothringen, zu Brabant, zu Steyr, zu Kärnten, zu Krain, zu Limburg, zu Luxemburg, zu Geldern, zu Kalabrien, zu Athen, zu Neopatria und zu Württemberg &c. Graf zu Habsburg, zu Flandern, zu Tirol, zu Görz, zu Barcelona, zu Artois und zu Burgund &c. Pfalzgraf zu Hennegau, zu Holland, zu Seeland, zu Pfirt, zu Kyburg, zu Namur, zu Roussillon, zu Cerdagne und zu Zutphen &c. Landgraf im Elsass, Markgraf zu Burgau, zu Oristan, zu Goziani und des Heiligen Römischen Reiches, Fürst zu Schwaben, zu Katalonien, zu Asturien &c. Herr zu Friesland und der Windischen Mark, zu Pordenone, zu Biscaya, zu Monia, zu Salins, zu Tripolis und zu Mecheln &c.
Sein Wahlspruch lautete: Plus Ultra, was lateinisch ist und immer weiter heißt - immer weiter musste er auch und dankte mit den Worten ab,
“Was mich betrifft: ich weiß, daß ich viele Fehler begangen habe, große Fehler, erst wegen meiner Jugend, dann wegen des menschlichen Irrens und wegen meiner Leidenschaften, und schließlich aus Müdigkeit. Aber bewusst habe ich niemandem Unrecht getan, wer es auch sei. Sollte dennoch Unrecht entstanden sein, geschah es ohne mein Wissen und nur aus Unvermögen: ich bedaure es öffentlich und bitte jeden, den ich gekränkt haben könnte, um sein Verzeihen.“
Er war 55 und erschöpft, ein alter Mann, der noch drei Jahre in seinem klosterähnlichen Schloss in Spanien zu leben hatte, als er zurücktrat und die Macht im Reich seinem Bruder Ferdinand übergab. Die in Spanien übergab er seinem Sohn knapp 3 Monate später im Januar 1556. Er hatte gesehen, dass die Aufgabe einen alleine überforderte und hatte die Weltherrschaft aufgeteilt, nachdem sich gegen seine Ballung der Macht auch der Papst zeitweise mit dem französischen König verbündete.
Dieser Karl ist in vielem ein Dreh- und Angelpunkt bis ins heutige Europa. Sein Fleiß erinnert an politische Führer wie Merkel, die ohne alle Allüren ihre Arbeit erledigen, wenn auch Karl durch Ämter und Ehren viel mehr Glanz anhing als einer demokratischen Kanzlerin, die einfach ihre Pflicht tut. Spannend ist diese Frage, bei der Kanzlerin ohne Erben, die an Macht ihr Vorbild Katharina einerseits bei weitem übertrifft und andererseits als demokratisch gewählte oberste Verwalterin nur Kopf eines eingespielten Apparates ist, in dem einzelne wenig persönliche Macht haben, da diese ohnehin vom Volk nur auf Zeit geliehen ist und nicht von Gottes Gnaden gegeben wurde wie noch bei regierenden Häusern.
Auch in Demokratien wie den USA gibt es herrschende Familien, die seit langem in ihren Clans mit der Macht verbunden sind, von den Kennedys zu den Bushs und Clintons oder Trumps jetzt, bei denen wir noch nicht absehen können, wie groß die familiäre Bindung der Macht ist, auch wenn sie sich immer deutlicher abzuzeichnen beginnt. Sogar in Frankreich, die viel wert auf ihre revolutionäre demokratische Tradition legen, gibt es die Eliteschulen wie die ENA, der ganze Generationen von Machtträgern entstammen, die aufs engste verbunden sind und teilweise seit Studentenzeiten ihre vertrauten Verhältnisse pflegen, wie es die Studenten amerikanischer Elitehochschulen auch tun.
Manche wittern bei solchen Verbindungen der Eliten gleich Verschwörungen als sei es nicht völlig normal, dass sich die Träger der Macht untereinander austauschen und auch gut so. Wofür es früher den Adel gab, dazu sind heute solche Treffen teilweise auch auf inoffizieller Ebene ein Weg der Verbindung neben den formalisierten Wegen der Demokratie. Gefährlicher als solche Treffen ist die Behandlung dieser durch Populisten, die Gerüchte streuen und die Menschen verunsichern, die nicht bedenken, dass dort auch nur Menschen arbeiten mit den normalen menschlichen Bedürfnissen, wie es sie auch auf dem berühmten Wiener Kongress gab, der zwischenzeitlich auch tanzte, während sich Herrscher und Fürsten aller Länder versammelten, um eine Lösung für die Zukunft zu finden.
Die Kenntnis solcher Prozesse in der Geschichte und auch der familiären Verbindungen um die Macht lässt erkennen, wie wenig dies mit Verschwörung zu tun hat und wieviel mehr immer mit sachlicher politischer Verwaltungstätigkeit, die eben zu erledigen ist und die nichts mit einer großen Verschwörung zu tun hat, auch wenn nicht jeder Bürger alle Details diplomatischer Verhandlungen um wechselnde Interessen kennen muss.
Zur Kontrolle gibt es Medien, die am Markt konkurrieren und um Einfluss ringen, ein Interesse an guten Geschichten haben und die verhindern, dass Dinge vertuscht werden, von denen die Öffentlichkeit erfahren muss. Zwar gibt es auch in den großen Medienhäusern wie im öffentlich rechtlichen Rundfunk immer wieder Versuche politischer Einflussnahme trotz eigentlicher Neutralitätsverpflichtung doch heben sich diese in der parteipolitischen Konkurrenz am Markt wieder auf.
So schreiben die Medien heute vielfach die Geschichte durch ihre Berichte auf und sorgen sollte weniger die Gefahr einer Lügenpresse, die sich nicht lange am Markt hielte, als die populistische These, es gäbe eine solche. Verbreitet wird dies hauptsächlich derzeit von den Lesern russischer Propaganda, was dem ganzen eine komische Note gäbe, wäre es nicht von dieser Seite so hysterisiert mit ultimativen Rücktritsforderungen zur Rettung des Volkes und gäbe es nicht eine politische Partei, die diesen naiven Populismus öffentlich wirksam vertreten.
Zum Verständnis der Macht und ihrer Funktionen genügt nicht die Kenntnis der Gesetze sondern braucht es auch einen Blick in die Geschichte und auf die familiären und sonstigen Zusammenhänge, die im Hintergrund weiterwirken, auch wenn die Ausübung von Macht im Rechtsstaat streng formal geregelt und begrenzt ist, jede Tätigkeit so auch beamtisch wird.
Wer die Dinge im größeren Kontext sieht und aus der Geschichte weiß, wie politische Entscheidungen gefällt wurden, was in die eine oder andere Richtung ausschlug, wird nicht mehr so anfällig für Verschwörungstheorien und die Einflussnahme von Propaganda Organen sein, weil er selbst kritisch denken lernt. So ist Beschäftigung mit Geschichte und Familien wichtig, für die Freiheit zu denken und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Dies zu lernen, scheint mir heute wesentlich wichtiger als eine Beschäftigung mit der Sozialgeschichte der sogenannten kleinen Leute. Dies mag auch wichtig für die historische Forschung sein, um sich ein umfassendes Bild einer Zeit zu machen, aber zum Verständnis der Macht und ihrer Entscheidungen, um sich ein Netz zu weben, erstmal völlig irrelevant und belastet nur mit Informationen, die für eine kritische Haltung nichts bringen. Die Fähigkeit dazu aber ist nötig in Zeiten zunehmenden Populismus.
Verstehen, warum Hitler an die Macht kam und wie er in welchen Zusammenhängen erfolgreich wirkte, hilft die Gefahren zu erkennen, die von AfD und Pegida ausgehen, was manchen Bürgern scheinbar noch sehr schwer fällt. So ist historisches Denken eine Verteidigung der Freiheit, der eigenen und der Gesellschaft, die es zu verteidigen gilt.
jens tuengerthal 31.12.2016
Samstag, 31. Dezember 2016
Freitag, 30. Dezember 2016
Gretasophie 005b
005b Sagenhafte Wirklichkeit
Gab es Noah und den Helden Siegfried, König Artus und seine Tafelrunde auf der Suche nach dem Heiligen Gral, was an den Geschichten um die sagenhaften Templer ist wahr, regieren uns gewählte Politiker oder verschworene Bänker?
Im Dämmer der Erinnerung auch der Völker brütet manches vor sich hin, dessen sie sich kaum noch erinnern und taucht auf einmal wieder auf, ohne zu wissen woher, packt es dann manche und sie folgen ihren, wie sie meinen, tiefsten Überzeugungen in den realistisch betrachtet Wahnsinn. Dann töten sie aus Rache für Kriege, die im Mittelalter stattfanden, befehden und vergewaltigen sich, umeinander das Leben möglichst schrecklich zu machen, die anderen zu vertreiben - so erlebt in Schlesien, Pommern und Ostpreußen nach dem letzten Weltkrieg, wie im früheren Jugoslawien nach Auflösung der Blöcke, wie in Syrien gerade noch oder im wilden Kurdistan immer wieder und die Liste fände wohl kein Ende, ginge es darum.
Bis zu dem großen Krieg, der auch große Teile der noch mittelalterlichen Städte im Land zerstörte, war eine zentrale Erinnerung noch der 30jährige Krieg, wie der Simplicissimus und manch anderer von ihm berichteten. Diese dunklen Jahrzehnte zwischen 1618 und 1648, die in den Niederlanden sogar neunzig Jahre dauerten und allem Sterben zum Trotz das Goldene Zeitalter genannt werden, sind eine der Geburtsstunden des heutigen Europas, wie die Schützengräben vor Verdun und Maastricht oder der Atlantikwall zu Symbolen seiner Notwendigkeit wurden.
Die Deutschen hatten aus ihrer Geschichte gelernt und verhielten sich bis zur Wende vorbildhaft bescheiden und zurückhaltend in Europa. Erledigten ihre ökonomischen Pflichten ordnungsgemäß, wollten in Frieden mit ihren Nachbarn leben und nicht über und nicht unter andern Völkern sein, wie der östliche Brecht für die Kinderhymne dichtete, die dann doch nicht Nationalhymne wurde, weil wir schon eine hatten, deren übriggebliebene Dritte Strophe nun weiter gilt, denn mehr wurde vom Deutschlandlied schon seit dem Krieg nicht mehr gesungen, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir wollten noch Deutschland über alles sein oder die deutschen Grenzen lägen noch zwischen Maaß und Memel oder wir beanspruchten gar die Etsch noch.
Zumindest im Westen war dies herrschende Meinung. Der Osten aber ist anders. Was viele dort über Geschichte lernten, war ideologisch beeinflusst vom Regime der Partei, die sich als legitime Vertreterin der Arbeiter und Bauern sah und die für einen diktatorischen Unrechtsstaat stand, der Mauern baute, seine Bürger perfide überwachte und eben die Diktatur des Proletariats über den der SED als Weg zum Glück ansah, der sich in der Realität auf den relativ engen Horizont dortiger Parteibosse beschränkte, ohne damit sagen zu können, ob der Westen real von weniger Engstirnigkeit regiert wurde, war diese doch frei gewählt. Der Osten war Freund des großen Bruders Sowjetunion, lernte russisch und zahlte jahrelang Entschädigung an den Staat, der als Sieger alle noch heilen und produktiven Teile ihrer Industrie demontierte und nach Osten verschleppte, nachdem die Soldaten von Osten her oftmals mit Vergewaltigung und Raub ins Land eingefallen waren.
Der Westen zahlte nichts, sondern bekam über den Marshall-Plan noch Millionen von Dollar vom Sieger USA geschenkt, um deren und die eigene Wirtschaft in Gang zu bringen, beide Systeme eng miteinander zu verschmelzen. Er begann unter Adenauer die Freundschaft mit Frankreich, die auf die zu lange Erbfeindschaft folgte und entfremdete sich nur seiner östlichen Hälfte, die als Opfer der roten Ideologie galt, während der Osten den Westen parteikonform für gekauft und unter der Diktatur des Imperialismus stehend hielt.
Wer hatte Recht, was war die wirkliche Geschichte im geteilten Land und wohin soll sie führen?
Ein schwieriger Prozeß, der ganz real und nah ist und mich zu der zentralen Frage des heutigen Essays führt. Wenn ich wenige hundert Meter von meiner Wohnung gen Südwesten gehe, überquere ich die Mauer, die nur noch als Symbol in den Boden hier eingelassen ist. Fast erscheinen mir diese getrennten Welten, die in den Köpfen so lebendig noch sind, sagenhaft schon und doch können wir uns trotz einer gemeinsamen Sprache oft nicht verständigen.
Wie wirklich ist die Wirklichkeit in der Geschichte?
Gibt es dort je mehr als alte Sagen?
Was unterscheidet die Sage von der wirklichen Geschichte und wo vermischen sie sich?
Der Begriff der Sage wurde durch die Brüder Grimm geprägt. Das Grimmsche Wörterbuch spricht von der „Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, welche einer historischen Beglaubigung entbehrt“ und von „naiver Geschichtserzählung und Überlieferung, die bei ihrer Wanderung von Geschlecht zu Geschlecht durch das dichterische Vermögen des Volksgemüthes umgestaltet wurde“. Dabei greifen subjektive Wahrnehmung und objektives Geschehen so ineinander, dass übernatürliche oder zumindest unglaubliche Begebenheiten zum Kern der Sage werden. Dazu gehört wie im Märchen die Vermenschlichung von Pflanzen und Tieren, aber auch übernatürliche Wesen wie Elfen, Zwerge und Riesen zählen dazu und ebenso oft werden Helden geschaffen. Anders als beim zeitlosen Märchen, das immer mit „Es war einmal...“ beginnt, nur allgemeine Ortsangaben wie Wald oder Brunnen und das typische Personal wie Prinzessinnen und Stiefmütter hat, werden in Sagen tatsächliche Ereignisse, phantastisch ausgeschmückt und umgestaltet. Damit steht der Realitätsanspruch der Sage über dem des Märchens, was immer eine solche Relation uns bringen mag.
Die Sagen verarbeiten oft Dinge, die tatsächlich geschahen oder an die eine Gruppe glaubt und verbinden sie mit anderen Glaubensvorstellungen oder auch ethischen Lehren. Zu den ganz alten Sagen in diesem Zusammenhang gehören die Arche Noah und der Turmbau zu Babel, die sogleich moralische Lehren im jüdisch-christlichen Glauben mitbringen. Auch die Griechen haben einen riesigen Schatz an Sagen gehabt, die teilweise von Homer schon aufgeschrieben und später variiert wurden. Gerade bei diesen zeigt sich der enge Zusammenhang von alten Mythen und wahren Geschichten, wie der Fund Trojas durch Schliemann zeigte, der sich auf den wahren Kern der alten Sagen verließ.
Es werden die Mythen von den Heldensagen und den sprachlich meist einfacheren Volkssagen unterschieden. Teilweise mischen sie sich aber auch. So tauchen in der Heldensage um Siegfried auch die alten Götter und ihre Kämpfe auf und entscheiden über den Ausgang, während etwa die Odyssee eine Heldensage am Rande eines Mythos ist. In den Volkssagen tauchen im Verhältnis zu den Göttersagen kleinere Geister auf wie Feen, Nymphen, Baumgeister, Zwerge, Riesen oder Drachen. In ihnen wird häufig der Natur eine Seele gegeben, was immer das sein soll.
Die ätiologischen Sagen erläutern dagegen, warum eine bestimmte Naturerscheinung ihren Namen erhielt. Dies können etwa das Felsenmeer, die Teufelsfelsen oder ein See sein und warum er einen bestimmten Namen trägt, umranken die Sagen diese Geschichte teils mythisch und manchmal mehr im Charakter einer naturnahen Volkssage.
Natursagen erzählen häufig in Kombination mit Lokalsagen von bestimmten Naturgeistern. Zu diesen zählt etwa die Loreley oder andere Geistergeschichten auch in Verbindung mit Burgen und den dort auftretenden natürlichen Besonderheiten.
Viele Geschichtssagen verarbeiten ein historisches Ereignis und versuchen mit ihm umzugehen. Zu diesen zählt etwa der Rattenfänger von Hameln, der mit allen Kindern, die seiner Flöte folgten, aus der Stadt auszog. Andere verwenden nur bestimmte historische Orte oder Namen und setzen sie in einen sagenhaften Kontext, wie beispielsweise Frankenstein oder Dracula.
Die Sage ist nicht einfach abgeschlossen, wie der Name und der Bezug auf uralte Zeiten vorgibt, sondern unterliegt auch modischen Strömungen in der Literatur. So brachte etwa die Romantik die Kunstsage hervor, bei der sich besonders Achim von Armin und Clemens Brentano hervortaten. Manche der damals entstandenen Kunstsagen, wie etwa die Loreley werden heute vielfach für alte Sagen gehalten, was zeigt, was Geschichten für ein Eigenleben führen, wenn sie erstmal erzählt und angenommen wurden.
In den großen Städten bilden sich vielfach urbane Sagen, die als Gerüchte anfänglich und später als Geschichten weitererzählt werden. Sie führen im Zeitalter des Internet ein neues Eigenleben und gerade das Netz kennt mit den Hoax viele Schauermärchen und Gerüchte, die verbreitet werden und teilweise schon Sagencharakter haben oder politisch motiviert benutzt werden.
Die Grenzen von Sage und Wirklichkeit verschwimmen in manchen Bereichen bis zur Unkenntlichkeit und so stimmt an der alten Volksweisheit, dass eine Sage immer einen wahren Kern enthalte, einiges, wenn auch selten in der Auslegung, die sie von denen bekommt, die sie erzählen.
Von manchen historischen Ereignissen, wie der Sintflut oder dem Krieg um Troja, wissen wir nur aus den alten Sagen und manchmal entdecken Archäologen erstaunliche Übereinstimmungen der Sage mit dem tatsächlichen Geschehen, sind diese fast wie Reportagen, die aber auch völlig frei sind, den Boden der Realität, wenn es zur Erzählung gerade passt, wieder zu verlassen.
Die Sage will jedoch einen meist moralischen Zweck noch erreichen und nicht wie der historische Bericht nur die Ereignisse schildern, wie sie eben waren. Doch auch da verschwimmen manchmal die Grenzen. Jeder Autor, auch wenn er gern ein Historiker sein möchte und nur berichten will, was war, prägt den Text, den er erzählt, mit.
Auch ein Lexikon, wie etwa das der Enzyklopädisten transportiert Botschaften und eine Weltsicht, warum auch diese freigeistigen Denker manch revolutionäres in ihren Texten versteckten und die Kirche dafür alles daran setzte, diese Atheisten mundtot zu machen. So landete zum Beispiel Diderot zwischenzeitlich in der Bastille und das ganze Projekt drohte immer wieder zu scheitern, wäre gewiß durch die auch politische Macht der Jesuiten verboten worden, wenn sie nicht einflussreiche Beschützer gehabt hätte, wie etwa den obersten königlichen Zensor, der vor einer Hausdurchsuchung bei Diderot, dessen gesammelte Notizen vor seinen Leuten und den Jesuiten in seinem Büro versteckte, oder der Pompadour, die als Geliebte des Königs, diesen immer wieder zu Gunsten des Projekts beeinflusste und als Freigeist so ein totales Verbot verhinderte.
Die Enzyklopädie, die alles beschreiben wollte, wie es in der Natur ist, stand damals in klarer Konfrontation zur Kirche, die für sich beanspruchte, die Schöpfung auszulegen und zu erklären, wie die Dinge seien. Dieses Geschehen in der Hochzeit der Aufklärung im Paris des 18. Jahrhunderts war hochpolitisch und verbreitete den Geist, der letztlich 1789 dann auch zur Revolution führte, weil die Erklärung der Natur, den Allmachtsanspruch der Kirche zur Interpretation infrage stellte und damit auch den Machtanspruch der Könige, die von Gottes Gnaden kamen.
Sie wollte wissenschaftlich exakt sein und genau beschreiben, was ist. Der am Ende alleinige Redakteur Diderot hatte, aufgrund voriger als atheistisch oder zumindest gotteslästerlich gewerteter Texte, ein Schreibverbot im philosophischen Bereich und hielt sich möglichst exakt daran, um nicht wieder in der Bastille zu verschwinden. Dagegen schrieb sein anfänglicher Redaktionskollege d’Alembert, der einen sicheren Posten als Mathematikprofessor an der Sorbonne hatte, teilweise sehr provokativ, was Diderot wiederum abzumildern versuchte, worüber sie sich schließlich auch entzweiten. Aber auch der gebremste Diderot war für das Frankreich unter Ludwig XV. teilweise noch zu provokativ und wurde am Ende noch von den das Projekt finanzierenden Buchhändler zensiert. Der hoch emotionale Diderot hielt danach das Projekt für verloren, empörte sich sehr über diese Zensur und meinte die Bände seien wertlos geworden. Doch wurden sie dennoch ein großer Erfolg, wenn auch in Frankreich stark durch die jesuitische Zensur behindert, so doch im Rest Europas, vor allem in England auch, wo keine katholische Zensur herrschte und auch im Preußen Friedrichs des Großen.
Dort ging es klar um lexikalisches Wissen nur. Es sollte jedem, der lesen konnte, Zugang zu allem Wissen der Welt gegeben werden. Ein scheinbar politisch und moralisch neutraler Vorgang, könnte es scheinen und doch war es das genaue Gegenteil. Die Sagen kamen hier nur als Artikel vor und auch die Religion wurde von einem Pfaffen beschrieben, jedoch auf eine so provokativ langweilige und detailbesessene Art, dass auch darin wieder eine Provokation der radikalen Aufklärer gesehen werden konnte. Die Encyclopedie war ein zutiefst politisches Werk und ein großer Kampf um Freiheit, damit bewegt sie sich im sagenhaften Vorfeld der Revolution,
So steckt auch in vielen Sagen mehr politische und soziale Geschichte, als es auf den ersten Blick scheint. Wenn es etwa um den Schatz der Nibelungen geht, der nach der Sage im Rhein verschwand und die Gerüchte um die Darlehen für den Bau der Burg der Götter Walhall, wurde, wenn auch getarnt von einem politischen Geschehen berichtet, dass die Zeitgenossen noch besser zwischen den Zeilen lesen konnten, als es im plakativen Internetzeitalter vielen möglich ist. In allen totalitären Regimen, die Worte überwachen, bildet sich eine solche Kultur der Opposition zwischen den Zeilen. So etwas war in der DDR stark ausgeprägt und fehlt heute völlig, wo im Gegenteil es für viele zum Volkssport wurde, etwa die Bundeskanzlerin möglichst wüst zu beschimpfen oder zu verwünschen.
Viele der klassischen Sagen waren so auch politische Texte, die eine Botschaft transportieren sollten, was teilweise auch noch wieder bei Inszenierungen sogar im längst arrivierten Bayreuth bei Wagners Ring sichtbar wird und der in ihm steckenden Kritik des Kapitalismus, die auch Goethes Faust offenbart, der alte Sagen und Mythen aufgreift und vor allem im zweiten Teil auch ein zwar aufklärerisch geprägtes aber vielfach auch fast revolutionäres Programm guten Regierens entwirft, was dem Geist des von Knigge maßgeblich erweiterten Illuminatenordens entsprach. Diese Radikalaufklärer, denen sich Knigge über Umwege über die Freimaurer und die eher am magischen orientierten Rosenkreuzer anschloss, hatten unter seiner Führung auch Goethe und seinen Herzog aufgenommen und ihr Einfluss reichte bis ins habsburgische Kaiserhaus, in dem Maria Theresias Sohn sich auch als radikaler Aufklärer zeigte, so weit ihn die Kirche ließ. Kein Wunder, dass die Kirche alles tat, diesen Orden wieder zu verbieten, der das Licht der Aufklärung politisch umsetzen wolle und dazu Kontakte bis in höchste Ämter hatte.
Der Freiherr von Knigge ist auch so eine Gestalt, die vielfach völlig missverstanden wurde. Er wurde vor allem durch sein Benimmbuch Über den Umgang mit Menschen bekannt, was jedoch real ein Aufklärungsbuch war, dass den Bürgern ermöglichen sollte, sich den höfischen Etitketten entsprechend zu verhalten und das interne Wissen über die dortigen Regeln unter allen Menschen, gleich welcher Abstammung, verbreitete. So will sein Buch weniger Grenzen ziehen und den Menschen korrektes Benehmen beibringen, als diese überschreiten, indem es die Formalien des sonst vom Adel okkupierten Bereiches, der Einfluss bei Hofe gab, anderen öffnete und zugleich für einen aufgeklärten, guten und höflichen Umgang miteinander sorgte.
Wie eine Enzyklopädie eine politische Schrift sein kann, dadurch, dass sie jedem erklärt, wie die Dinge der Natur funktionieren und dafür Standards in der Definition setzt aber auch in dem, was sie nicht sagt, viel sagen kann, sind auch viele Sagen und Märchen voller Anweisungen und Ratschläge für das reale Leben oder transportieren eine politische Botschaft, die zu ihrer Zeit keiner so auszusprechen gewagt hätte, versteckt hinter klar erfundenen und nur sagenhaften Figuren. In Unkenntnis vieler Dinge aus der Zeit der Entstehung der Sagen, gerade auch da aktueller politischer oder sozialer Auseinandersetzungen, fällt es uns heute schwer, dies zu verstehen. Dann bleibt für uns die Sage nur eine tradierte Geschichte mit märchenhafter Handlung.
Aber auch die Versuche, Sagen heute neu zu lesen, ob ihrer politischen oder sozialen Hintergründe, auch in Mythen klar den sozialen Kontext zu erkennen, scheitert an der Begrenztheit unseres Horizontes, der eben auf seine Gegenwart beschränkt ist.
Was weiß ich schon, schrieb Montaigne so weise über seine Essays. Dies auch den Sagen und ihrem historischen Gehalt gegenüber zu erkennen, könnte uns freier im Blick machen ohne die Anmaßung einer letztgültigen Deutung. Viele sehen auch Dinge in einem Text, die dem Autor völlig fern lagen, weil sie ihn eben an sich reflektieren und lesen, immer nur sehen, was auch in ihnen ist. Stecken dann diese sogar dem Autor unsichtbaren Sinne doch zwischen den Zeilen oder nur in der Phantasie des Lesers?
Vielleicht müssen wir weniger die Welten von Wirklichkeit und Phantasie trennen, als Brücken zu bauen lernen zwischen diesen, um uns hier wie dort zurechtzufinden. Sagen, die irgendwann entstanden oder erfunden wurden, veränderten sich durch die Erzählung weiter, bis sie aufgeschrieben wurden und auch dann führen sie noch in den Köpfen der Leser ein Eigenleben, wie es der jeweiligen Phantasie entspricht. Wer wollte nun richten, welche Sicht der Sage wirklicher ist und auf was es dabei ankommt?
Könnte es nicht wichtiger sein, alles immer relativ im Spiegel des Erzählers zu sehen?
Kommt es darauf an, ob es nun eine Sage oder ein alter historischer Text ist wie jene etwa von Herodot?
Dieser griechische Geschichtsschreiber, der von Cicero, der etwa 400 Jahre später lebte, als Vater der Geschichtsschreibung, pater historiae, bezeichnet wurde, schrieb Geschichte, war Völkerkundler und Geograph, wird auch Geschichtenerzähler genannt und schon verschwimmen die Grenzen wieder. Erhalten von ihm sind nur seine neunbändigen Historien, die als erste Universalgeschichte der Menschheit gelten. Sie beschreiben den Aufstieg des Perserreiches bis zu den Perserkriegen im 6. Jahrhundert vor Christus. Vielen gilt er als großer Reisender und Beschreiber der antiken Welt, der angeblich auch mehrfach am Sturz eines Tyrannen in seiner Heimat mitwirkte. Genaues wissen wir nicht und viel beruht auf Hypothesen, die aus seinem Werk und seinen Beschreibungen abgeleitet werden.
Heute wird teilweise vertreten, seine Reisebeschreibungen und seine geografischen Beschreibungen seien nur Produkt seiner Phantasie oder das, was er von anderen hörte. In Wirklichkeit hätte Herodot seine Studierstube nie verlassen, um die Welt zu beschreiben, was seine Reiseberichte noch lesenswerter macht. Denken wir zum Vergleich an Karl Mays spannende Erzählungen aus dem wilden Kurdistan oder dem Wilden Westen, den er auch als er schrieb, nie bereist hatte, sehen wir, Anwesenheit braucht es nicht, um gut über etwas zu schreiben, im Gegenteil. Liebe historische Reiseberichte und lese sie zu gern, ohne je dorthin reisen oder auf deren Spuren unterwegs sein zu wollen - müssen wir irgendwohin, um uns mit uns wohler zu fühlen?
Wird die Person nun sagenhaft oder seine Berichte, ist seine Chronologie, der Zeit mehr Produkt der Phantasie eines gebildeten Griechen, der heute Türke wäre, da er er aus Kleinasien stammte?
Wenn schon der Großvater der Geschichtsschreibung ein Geschichtenerzähler auch war, fragt sich was überhaupt von der Trennung von Historie, politischem Text und Sage zu halten ist?
Sollten wir nicht, statt zu unterscheiden und die Gebiete streng zu trennen, damit der Turm der Wissenschaft rein bleibt, lieber vereinen, um den Blick und den Horizont zu erweitern?
Es fällt mir als Aufklärer und Feind allen Aberglaubens sehr schwer, die Wissenschaft zu relativieren. Aber, nur weil etwas wahre Aussagen im Sinne der Logik finden kann, heißt das nicht, dies sei die einzige Wirklichkeit und wenn die Welt der Sagen für andere realer ist oder die des Aberglaubens, was immer noch für normal auch gehalten wird, wie anmaßend wäre es dann von der Wissenschaft zu sagen, die Welt ist nur so, wie wir sagen.
Viel spricht nach all den Jahren der Erforschung und Beobachtung dafür, dass die Wissenschaft der exakteste Weg ist die Wirklichkeit zu verstehen. Ihre Sichtweise ist nachvollziehbar und muss beweisbar sein, um anerkannt zu werden. Doch weiß, wer die Forschung von Innen kennt, sehr gut, wie Aussagen und Thesen zustande kommen, was erforscht und was auch aus Gründen übersehen wird. Es ist nur eine relative Sicht der Welt, die unserem momentanen Kenntnisstand am besten entspricht, aber sie ist keinesfalls eine absolute Aussage zur Wahrheit mit ewiger Gültigkeit, sondern nur eine relative bis zum Beweis des Gegenteils, weil wir nicht mehr wissen können.
Denke ich darüber nach, erscheint mir der Satz von Heinz von Foerster, die Wahrheit sei die Erfindung eines Lügners, immer klüger. Nicht weil alles relativ sei, sondern weil ich zumindest zu beschränkt bin, um zu erkennen, was die Wahrheit sein soll. Wenn ich vor Gericht einen Eid leisten müsste, immer nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, müsste ich ihn verweigern. Kenne die Wahrheit nicht, sondern nur meine relative Sicht der Wirklichkeit, die an den Umständen liegt, in denen ich lebe. Mehr kann ich nicht wissen und bedenke ich dabei noch, wie schlecht mein Gedächtnis ist, von wie wenig ich überhaupt Ahnung habe, dann sollte ich besser schweigen, wenn ich nach der Wahrheit gefragt werde, die ich nicht kenne, sondern eher alles für irgendwie sagenhaft im Ursprung halten.
Da fällt natürlich auch der berühmte Satz des weisen Philosophen Sokrates, ich weiß, dass ich nichts weiß, bei dem nun darüber nachgedacht werden könnte, ob dies echte oder falsche Bescheidenheit ist, er tief stapelt oder im Kern das gleiche sagen will wie obiges zur Wahrheit, die wir nicht erkennen können. Ist es ein Paradoxon, wenn ein Philosoph sagt, ich weiß, dass ich nichts weiß, weil dann die Aussage entweder logisch falsch ist, weil er ja entweder nichts weiß oder etwas weiß, nämlich nichts?
Oder passt dies Spiel mit der Eitelkeit auch sonst zu Sokrates, der seine Mitbürger in Athen solange durch seine Fragen nervte und sich dumm fühlen ließ, bis sie ihn im Scherbengericht zu Tode verurteilten?
Ist weise, wer sein Leben, dem Urteil gemäß beendet, auch wenn es Sitte war, sich davon freizukaufen, weil eine solche Handlung kategorisch gesehen nicht moralisch wäre?
Was unterscheidet diesen Satz des Provokateurs Sokrates von dem des Michel de Montaigne, der nur fragt, was weiß ich schon?
Habe da keine sicheren Antworten, wer wäre ich auch, bin schon froh, dass mir so klug klingende Fragen einfielen, dahingestellt, ob sie es sind oder nur Spiel meiner Eitelkeit.
Michel ist bescheiden und ehrlich in seinen Essays. Natürlich spielt er auch mit seiner ungeheuren Bildung und Belesenheit, seiner Kenntnis der Klassiker wie der lokalen Geschichte durch kleine Anekdoten, die er immer wieder einflicht, aber nur als Mittel zum Zweck, nicht um seiner Person wegen. Er fragt, was er wüsste, während Sokrates etwas weiß und dies als Provokation seinen Mitbewohnern vorhält, die nur etwas zu wissen meinen und vorgeben, während er der Weise doch klar sagt, er wisse nichts.
Der alte Grieche trank den Schierlingsbecher und tötete sich so selbst, wie es dem Urteil entsprach, um dem Gesetz zu gehorchen, wie es seiner in dieser Hinsicht unflexiblen Überzeugung entsprach. Dagegen war Montaigne ein Pragmatiker in vieler Hinsicht. Er hatte es werden müssen, weil er in den Hugenottenkriegen und während der Pestepedemie als Bürgermeister von Bordeaux auch ganz praktikable Lösungen manchmal am Rande der Legalität aushandeln musste, um den Frieden zu erhalten, die Stadt von der Belagerung zu befreien oder der Pest Herr zu werden und kapitulierte irgendwann auch vor dem zermürbenden Einerlei der politischen Arbeit und zog sich auf sein Gut zurück, um in seiner Bibliothek im Turm zu schreiben und zu lesen. Nur auf Anfrage seines Freundes, des späteren Königs Henry IV. oder auch von dessen Vorgängern aus dem Hause Valois war er noch beratend tätig, was ihm aber, wie er schrieb besonders der Reisen wegen lästig war.
Montaigne neigte eher Epikur und in manchem den Stoikern zu, vermute ich heute bei der Lektüre seiner Essays, betrachte die Philosophie eklektizistisch und fischte sich heraus, was ihm gefiel. Nicht wie Sokrates oder noch viel schlimmer sein Schüler Platon mit seinen absurden spartanischen Ideen zum Staat oder zur Kindererziehung, wusste er, was richtig ist, sondern dachte darüber nach und ließ an diesen Gedanken teilhaben.
Die teilweise sehr locker geschriebenen Essays, die kein Blatt vor dem Mund nehmen, sind ein Schatz für alle Freunde schöner Literatur und pragmatischer Philosophie und doch keinesfalls nur einfach dahingeschrieben, sondern Produkt genauer Überlegung zu den Dingen der Welt, immer wieder überarbeitet und mit vielen Randnotizen von Michel selbst versehen worden. Er nennt sie eine bloße Betrachtung seiner selbst, die für jeden anderen Leser uninteressant sein müsste und sie wurden das Gegenteil, auch wenn sie die Inquisition irgendwann auch auf den Zensus setzte und sie ihre größten Erfolge zunächst in England feierten, wo die freieren Anglikaner unter Elisabeth und später Jakob viel übrig haben für diese Bescheidenheit eines Menschen, der es sich gern gut gehen ließ und dabei seine Gedanken uns hinterließ.
Es scheint mir die Aussage dessen, der sich nur fragt, was weiß ich schon viel zeitgemäßer als das Wissen des Sokrates, das wiederum eine paradoxe Provokation war. So urteile ich etwa gern über den Aberglauben, den ich für die Ursache der schlimmsten Konflikte der Welt halte und der immer noch und wieder die Freiheit mit absurden Sichten bedroht. Natürlich weiß ich nicht, ob es keinen Gott gibt, was wiederum die Gläubigen umgekehrt behaupten - kann nur sagen, dass er nach dem wenigen, was ich verstehe, nicht nötig, ist, um die Welt, wie sie ist, zu erklären und ich nicht verstehe, warum ich mir einen solchen ausdenken sollte.
Sagte ich aber, ich wisse, in der Natur gibt es keinen Gott, diese sei einfach nur kausal und funktioniere eben nach natürlichen Prinzipien, könnte diese Sicht, als ein Glauben interpretiert werden, so absurd dies dem Atheisten in mir scheint. Glaube ich doch gerade nichts, sondern nehme die Dinge, wie sie sind und da gibt es eben für mich keinen Gott - wüsste ich aber sicher um das Nichts, wie Sokrates es von sich behauptete, maßte ich mir an, mehr zu wissen, als die Gläubigen, die zu wissen meinen, dass dieses höhere Wesen ist und begäbe mich fast auf die gleiche nur gegenläufige Schiene. Damit wird der Atheismus zwar nicht zur Glaubensform, aber derjenige, der ihn als sicheres Wissen behandelt, was es nie geben kann, denn, was weiß ich schon, erhöbe sich als Gläubiger seiner Überzeugung über die anderen.
Es gibt dazu einen sehr schönen jüdischen Witz von König Salomon, der, als er in den Tempel kam, vom Rabbi gefragt wird, was er denn hier mache, er glaube doch gar nicht an Gott, worauf der weise König, die Schultern hob und sagte, weiß ich, ob ich Recht habe?
All der Aberglaube und die aus ihm abgeleiteten Regeln erscheinen mir absurd. Kriege um des Glaubens wegen zu führen, finde ich völligen Unsinn und halte es da lieber mit Epikur, der nur meinte, wenn es allmächtige Götter geben sollte, warum sollten sie sich für uns interessieren, wieviel Anmaßung stecke im menschlichen Aberglauben der Lenker?
Doch wer wäre ich mit meinem schwachen Gedächtnis und meinem mehrfach kräftig angeschlagenen Kopf zu meinen, ich wisse, wie es sei und die ganze Idee, wie auch immer sie sich an die gerade Verhältnisse anpasse, sei dummes Zeug?
Wie ich die Traditionen meiner Familie respektiere, gerne mit dieser an Weihnachten christliche Lieder vorm Baum singe, kann ich auch jede andere Tradition respektieren, die keinem schadet und auch schädliche will ich nicht darum verurteilen mit Sicherheit verurteilen können.
Montaigne schrieb nahezu nichts über Gott, zitierte manches, was als Blasphemie galt und bezog sich auf Dichter, die zu zitieren dem Glauben widersprechen konnte, gab Anregungen, die an der Wahrheit der Kirche zweifeln ließen, bezeichnete sich jedoch immer als gläubigen Katholiken. So weit ginge ich nicht und bin dennoch, obwohl überzeugter Atheist und sicher, dass es keinen Gott geben kann in meiner Welt, noch traditionell Mitglied der evangelischen Kirche, weil ich dort getauft und konfirmiert wurde und dieser Verein in meiner Familie eine gewisse Tradition hat, es mehr als einen Theologen unter den Vorfahren gab, auch wenn ich vieles dort vernünftigerweise verachte.
So handle ich beim sagenhaften Aberglauben so pragmatisch, wie ich es auch sonst tue. Sollte er mir lästig sein oder mich stören, würde ich es schnell beenden. Doch warum sollte ich mich für klüger als König Salomon halten?
Auch wenn dieser Witz nichts als eine Sage ist, die mehr über jiddischen Humor verrät als über die historische Person des Salomon, könnte sie doch ein Hinweis darauf sein, wie vornehm die Bescheidenheit im Wissen eher ist, als die Anmaßung des Wissens. So schließe ich auch dieses kleine Essay zu meinen Gedanken über die Sagen und ihre historische Bedeutung mit den schon mehrfach zitierten Worten Montaignes für die Frage nach dem Wahrheitsgehalt dieser Erzählform - was weiß ich schon?
jens tuengerthal 30.12.2016
Gab es Noah und den Helden Siegfried, König Artus und seine Tafelrunde auf der Suche nach dem Heiligen Gral, was an den Geschichten um die sagenhaften Templer ist wahr, regieren uns gewählte Politiker oder verschworene Bänker?
Im Dämmer der Erinnerung auch der Völker brütet manches vor sich hin, dessen sie sich kaum noch erinnern und taucht auf einmal wieder auf, ohne zu wissen woher, packt es dann manche und sie folgen ihren, wie sie meinen, tiefsten Überzeugungen in den realistisch betrachtet Wahnsinn. Dann töten sie aus Rache für Kriege, die im Mittelalter stattfanden, befehden und vergewaltigen sich, umeinander das Leben möglichst schrecklich zu machen, die anderen zu vertreiben - so erlebt in Schlesien, Pommern und Ostpreußen nach dem letzten Weltkrieg, wie im früheren Jugoslawien nach Auflösung der Blöcke, wie in Syrien gerade noch oder im wilden Kurdistan immer wieder und die Liste fände wohl kein Ende, ginge es darum.
Bis zu dem großen Krieg, der auch große Teile der noch mittelalterlichen Städte im Land zerstörte, war eine zentrale Erinnerung noch der 30jährige Krieg, wie der Simplicissimus und manch anderer von ihm berichteten. Diese dunklen Jahrzehnte zwischen 1618 und 1648, die in den Niederlanden sogar neunzig Jahre dauerten und allem Sterben zum Trotz das Goldene Zeitalter genannt werden, sind eine der Geburtsstunden des heutigen Europas, wie die Schützengräben vor Verdun und Maastricht oder der Atlantikwall zu Symbolen seiner Notwendigkeit wurden.
Die Deutschen hatten aus ihrer Geschichte gelernt und verhielten sich bis zur Wende vorbildhaft bescheiden und zurückhaltend in Europa. Erledigten ihre ökonomischen Pflichten ordnungsgemäß, wollten in Frieden mit ihren Nachbarn leben und nicht über und nicht unter andern Völkern sein, wie der östliche Brecht für die Kinderhymne dichtete, die dann doch nicht Nationalhymne wurde, weil wir schon eine hatten, deren übriggebliebene Dritte Strophe nun weiter gilt, denn mehr wurde vom Deutschlandlied schon seit dem Krieg nicht mehr gesungen, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir wollten noch Deutschland über alles sein oder die deutschen Grenzen lägen noch zwischen Maaß und Memel oder wir beanspruchten gar die Etsch noch.
Zumindest im Westen war dies herrschende Meinung. Der Osten aber ist anders. Was viele dort über Geschichte lernten, war ideologisch beeinflusst vom Regime der Partei, die sich als legitime Vertreterin der Arbeiter und Bauern sah und die für einen diktatorischen Unrechtsstaat stand, der Mauern baute, seine Bürger perfide überwachte und eben die Diktatur des Proletariats über den der SED als Weg zum Glück ansah, der sich in der Realität auf den relativ engen Horizont dortiger Parteibosse beschränkte, ohne damit sagen zu können, ob der Westen real von weniger Engstirnigkeit regiert wurde, war diese doch frei gewählt. Der Osten war Freund des großen Bruders Sowjetunion, lernte russisch und zahlte jahrelang Entschädigung an den Staat, der als Sieger alle noch heilen und produktiven Teile ihrer Industrie demontierte und nach Osten verschleppte, nachdem die Soldaten von Osten her oftmals mit Vergewaltigung und Raub ins Land eingefallen waren.
Der Westen zahlte nichts, sondern bekam über den Marshall-Plan noch Millionen von Dollar vom Sieger USA geschenkt, um deren und die eigene Wirtschaft in Gang zu bringen, beide Systeme eng miteinander zu verschmelzen. Er begann unter Adenauer die Freundschaft mit Frankreich, die auf die zu lange Erbfeindschaft folgte und entfremdete sich nur seiner östlichen Hälfte, die als Opfer der roten Ideologie galt, während der Osten den Westen parteikonform für gekauft und unter der Diktatur des Imperialismus stehend hielt.
Wer hatte Recht, was war die wirkliche Geschichte im geteilten Land und wohin soll sie führen?
Ein schwieriger Prozeß, der ganz real und nah ist und mich zu der zentralen Frage des heutigen Essays führt. Wenn ich wenige hundert Meter von meiner Wohnung gen Südwesten gehe, überquere ich die Mauer, die nur noch als Symbol in den Boden hier eingelassen ist. Fast erscheinen mir diese getrennten Welten, die in den Köpfen so lebendig noch sind, sagenhaft schon und doch können wir uns trotz einer gemeinsamen Sprache oft nicht verständigen.
Wie wirklich ist die Wirklichkeit in der Geschichte?
Gibt es dort je mehr als alte Sagen?
Was unterscheidet die Sage von der wirklichen Geschichte und wo vermischen sie sich?
Der Begriff der Sage wurde durch die Brüder Grimm geprägt. Das Grimmsche Wörterbuch spricht von der „Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, welche einer historischen Beglaubigung entbehrt“ und von „naiver Geschichtserzählung und Überlieferung, die bei ihrer Wanderung von Geschlecht zu Geschlecht durch das dichterische Vermögen des Volksgemüthes umgestaltet wurde“. Dabei greifen subjektive Wahrnehmung und objektives Geschehen so ineinander, dass übernatürliche oder zumindest unglaubliche Begebenheiten zum Kern der Sage werden. Dazu gehört wie im Märchen die Vermenschlichung von Pflanzen und Tieren, aber auch übernatürliche Wesen wie Elfen, Zwerge und Riesen zählen dazu und ebenso oft werden Helden geschaffen. Anders als beim zeitlosen Märchen, das immer mit „Es war einmal...“ beginnt, nur allgemeine Ortsangaben wie Wald oder Brunnen und das typische Personal wie Prinzessinnen und Stiefmütter hat, werden in Sagen tatsächliche Ereignisse, phantastisch ausgeschmückt und umgestaltet. Damit steht der Realitätsanspruch der Sage über dem des Märchens, was immer eine solche Relation uns bringen mag.
Die Sagen verarbeiten oft Dinge, die tatsächlich geschahen oder an die eine Gruppe glaubt und verbinden sie mit anderen Glaubensvorstellungen oder auch ethischen Lehren. Zu den ganz alten Sagen in diesem Zusammenhang gehören die Arche Noah und der Turmbau zu Babel, die sogleich moralische Lehren im jüdisch-christlichen Glauben mitbringen. Auch die Griechen haben einen riesigen Schatz an Sagen gehabt, die teilweise von Homer schon aufgeschrieben und später variiert wurden. Gerade bei diesen zeigt sich der enge Zusammenhang von alten Mythen und wahren Geschichten, wie der Fund Trojas durch Schliemann zeigte, der sich auf den wahren Kern der alten Sagen verließ.
Es werden die Mythen von den Heldensagen und den sprachlich meist einfacheren Volkssagen unterschieden. Teilweise mischen sie sich aber auch. So tauchen in der Heldensage um Siegfried auch die alten Götter und ihre Kämpfe auf und entscheiden über den Ausgang, während etwa die Odyssee eine Heldensage am Rande eines Mythos ist. In den Volkssagen tauchen im Verhältnis zu den Göttersagen kleinere Geister auf wie Feen, Nymphen, Baumgeister, Zwerge, Riesen oder Drachen. In ihnen wird häufig der Natur eine Seele gegeben, was immer das sein soll.
Die ätiologischen Sagen erläutern dagegen, warum eine bestimmte Naturerscheinung ihren Namen erhielt. Dies können etwa das Felsenmeer, die Teufelsfelsen oder ein See sein und warum er einen bestimmten Namen trägt, umranken die Sagen diese Geschichte teils mythisch und manchmal mehr im Charakter einer naturnahen Volkssage.
Natursagen erzählen häufig in Kombination mit Lokalsagen von bestimmten Naturgeistern. Zu diesen zählt etwa die Loreley oder andere Geistergeschichten auch in Verbindung mit Burgen und den dort auftretenden natürlichen Besonderheiten.
Viele Geschichtssagen verarbeiten ein historisches Ereignis und versuchen mit ihm umzugehen. Zu diesen zählt etwa der Rattenfänger von Hameln, der mit allen Kindern, die seiner Flöte folgten, aus der Stadt auszog. Andere verwenden nur bestimmte historische Orte oder Namen und setzen sie in einen sagenhaften Kontext, wie beispielsweise Frankenstein oder Dracula.
Die Sage ist nicht einfach abgeschlossen, wie der Name und der Bezug auf uralte Zeiten vorgibt, sondern unterliegt auch modischen Strömungen in der Literatur. So brachte etwa die Romantik die Kunstsage hervor, bei der sich besonders Achim von Armin und Clemens Brentano hervortaten. Manche der damals entstandenen Kunstsagen, wie etwa die Loreley werden heute vielfach für alte Sagen gehalten, was zeigt, was Geschichten für ein Eigenleben führen, wenn sie erstmal erzählt und angenommen wurden.
In den großen Städten bilden sich vielfach urbane Sagen, die als Gerüchte anfänglich und später als Geschichten weitererzählt werden. Sie führen im Zeitalter des Internet ein neues Eigenleben und gerade das Netz kennt mit den Hoax viele Schauermärchen und Gerüchte, die verbreitet werden und teilweise schon Sagencharakter haben oder politisch motiviert benutzt werden.
Die Grenzen von Sage und Wirklichkeit verschwimmen in manchen Bereichen bis zur Unkenntlichkeit und so stimmt an der alten Volksweisheit, dass eine Sage immer einen wahren Kern enthalte, einiges, wenn auch selten in der Auslegung, die sie von denen bekommt, die sie erzählen.
Von manchen historischen Ereignissen, wie der Sintflut oder dem Krieg um Troja, wissen wir nur aus den alten Sagen und manchmal entdecken Archäologen erstaunliche Übereinstimmungen der Sage mit dem tatsächlichen Geschehen, sind diese fast wie Reportagen, die aber auch völlig frei sind, den Boden der Realität, wenn es zur Erzählung gerade passt, wieder zu verlassen.
Die Sage will jedoch einen meist moralischen Zweck noch erreichen und nicht wie der historische Bericht nur die Ereignisse schildern, wie sie eben waren. Doch auch da verschwimmen manchmal die Grenzen. Jeder Autor, auch wenn er gern ein Historiker sein möchte und nur berichten will, was war, prägt den Text, den er erzählt, mit.
Auch ein Lexikon, wie etwa das der Enzyklopädisten transportiert Botschaften und eine Weltsicht, warum auch diese freigeistigen Denker manch revolutionäres in ihren Texten versteckten und die Kirche dafür alles daran setzte, diese Atheisten mundtot zu machen. So landete zum Beispiel Diderot zwischenzeitlich in der Bastille und das ganze Projekt drohte immer wieder zu scheitern, wäre gewiß durch die auch politische Macht der Jesuiten verboten worden, wenn sie nicht einflussreiche Beschützer gehabt hätte, wie etwa den obersten königlichen Zensor, der vor einer Hausdurchsuchung bei Diderot, dessen gesammelte Notizen vor seinen Leuten und den Jesuiten in seinem Büro versteckte, oder der Pompadour, die als Geliebte des Königs, diesen immer wieder zu Gunsten des Projekts beeinflusste und als Freigeist so ein totales Verbot verhinderte.
Die Enzyklopädie, die alles beschreiben wollte, wie es in der Natur ist, stand damals in klarer Konfrontation zur Kirche, die für sich beanspruchte, die Schöpfung auszulegen und zu erklären, wie die Dinge seien. Dieses Geschehen in der Hochzeit der Aufklärung im Paris des 18. Jahrhunderts war hochpolitisch und verbreitete den Geist, der letztlich 1789 dann auch zur Revolution führte, weil die Erklärung der Natur, den Allmachtsanspruch der Kirche zur Interpretation infrage stellte und damit auch den Machtanspruch der Könige, die von Gottes Gnaden kamen.
Sie wollte wissenschaftlich exakt sein und genau beschreiben, was ist. Der am Ende alleinige Redakteur Diderot hatte, aufgrund voriger als atheistisch oder zumindest gotteslästerlich gewerteter Texte, ein Schreibverbot im philosophischen Bereich und hielt sich möglichst exakt daran, um nicht wieder in der Bastille zu verschwinden. Dagegen schrieb sein anfänglicher Redaktionskollege d’Alembert, der einen sicheren Posten als Mathematikprofessor an der Sorbonne hatte, teilweise sehr provokativ, was Diderot wiederum abzumildern versuchte, worüber sie sich schließlich auch entzweiten. Aber auch der gebremste Diderot war für das Frankreich unter Ludwig XV. teilweise noch zu provokativ und wurde am Ende noch von den das Projekt finanzierenden Buchhändler zensiert. Der hoch emotionale Diderot hielt danach das Projekt für verloren, empörte sich sehr über diese Zensur und meinte die Bände seien wertlos geworden. Doch wurden sie dennoch ein großer Erfolg, wenn auch in Frankreich stark durch die jesuitische Zensur behindert, so doch im Rest Europas, vor allem in England auch, wo keine katholische Zensur herrschte und auch im Preußen Friedrichs des Großen.
Dort ging es klar um lexikalisches Wissen nur. Es sollte jedem, der lesen konnte, Zugang zu allem Wissen der Welt gegeben werden. Ein scheinbar politisch und moralisch neutraler Vorgang, könnte es scheinen und doch war es das genaue Gegenteil. Die Sagen kamen hier nur als Artikel vor und auch die Religion wurde von einem Pfaffen beschrieben, jedoch auf eine so provokativ langweilige und detailbesessene Art, dass auch darin wieder eine Provokation der radikalen Aufklärer gesehen werden konnte. Die Encyclopedie war ein zutiefst politisches Werk und ein großer Kampf um Freiheit, damit bewegt sie sich im sagenhaften Vorfeld der Revolution,
So steckt auch in vielen Sagen mehr politische und soziale Geschichte, als es auf den ersten Blick scheint. Wenn es etwa um den Schatz der Nibelungen geht, der nach der Sage im Rhein verschwand und die Gerüchte um die Darlehen für den Bau der Burg der Götter Walhall, wurde, wenn auch getarnt von einem politischen Geschehen berichtet, dass die Zeitgenossen noch besser zwischen den Zeilen lesen konnten, als es im plakativen Internetzeitalter vielen möglich ist. In allen totalitären Regimen, die Worte überwachen, bildet sich eine solche Kultur der Opposition zwischen den Zeilen. So etwas war in der DDR stark ausgeprägt und fehlt heute völlig, wo im Gegenteil es für viele zum Volkssport wurde, etwa die Bundeskanzlerin möglichst wüst zu beschimpfen oder zu verwünschen.
Viele der klassischen Sagen waren so auch politische Texte, die eine Botschaft transportieren sollten, was teilweise auch noch wieder bei Inszenierungen sogar im längst arrivierten Bayreuth bei Wagners Ring sichtbar wird und der in ihm steckenden Kritik des Kapitalismus, die auch Goethes Faust offenbart, der alte Sagen und Mythen aufgreift und vor allem im zweiten Teil auch ein zwar aufklärerisch geprägtes aber vielfach auch fast revolutionäres Programm guten Regierens entwirft, was dem Geist des von Knigge maßgeblich erweiterten Illuminatenordens entsprach. Diese Radikalaufklärer, denen sich Knigge über Umwege über die Freimaurer und die eher am magischen orientierten Rosenkreuzer anschloss, hatten unter seiner Führung auch Goethe und seinen Herzog aufgenommen und ihr Einfluss reichte bis ins habsburgische Kaiserhaus, in dem Maria Theresias Sohn sich auch als radikaler Aufklärer zeigte, so weit ihn die Kirche ließ. Kein Wunder, dass die Kirche alles tat, diesen Orden wieder zu verbieten, der das Licht der Aufklärung politisch umsetzen wolle und dazu Kontakte bis in höchste Ämter hatte.
Der Freiherr von Knigge ist auch so eine Gestalt, die vielfach völlig missverstanden wurde. Er wurde vor allem durch sein Benimmbuch Über den Umgang mit Menschen bekannt, was jedoch real ein Aufklärungsbuch war, dass den Bürgern ermöglichen sollte, sich den höfischen Etitketten entsprechend zu verhalten und das interne Wissen über die dortigen Regeln unter allen Menschen, gleich welcher Abstammung, verbreitete. So will sein Buch weniger Grenzen ziehen und den Menschen korrektes Benehmen beibringen, als diese überschreiten, indem es die Formalien des sonst vom Adel okkupierten Bereiches, der Einfluss bei Hofe gab, anderen öffnete und zugleich für einen aufgeklärten, guten und höflichen Umgang miteinander sorgte.
Wie eine Enzyklopädie eine politische Schrift sein kann, dadurch, dass sie jedem erklärt, wie die Dinge der Natur funktionieren und dafür Standards in der Definition setzt aber auch in dem, was sie nicht sagt, viel sagen kann, sind auch viele Sagen und Märchen voller Anweisungen und Ratschläge für das reale Leben oder transportieren eine politische Botschaft, die zu ihrer Zeit keiner so auszusprechen gewagt hätte, versteckt hinter klar erfundenen und nur sagenhaften Figuren. In Unkenntnis vieler Dinge aus der Zeit der Entstehung der Sagen, gerade auch da aktueller politischer oder sozialer Auseinandersetzungen, fällt es uns heute schwer, dies zu verstehen. Dann bleibt für uns die Sage nur eine tradierte Geschichte mit märchenhafter Handlung.
Aber auch die Versuche, Sagen heute neu zu lesen, ob ihrer politischen oder sozialen Hintergründe, auch in Mythen klar den sozialen Kontext zu erkennen, scheitert an der Begrenztheit unseres Horizontes, der eben auf seine Gegenwart beschränkt ist.
Was weiß ich schon, schrieb Montaigne so weise über seine Essays. Dies auch den Sagen und ihrem historischen Gehalt gegenüber zu erkennen, könnte uns freier im Blick machen ohne die Anmaßung einer letztgültigen Deutung. Viele sehen auch Dinge in einem Text, die dem Autor völlig fern lagen, weil sie ihn eben an sich reflektieren und lesen, immer nur sehen, was auch in ihnen ist. Stecken dann diese sogar dem Autor unsichtbaren Sinne doch zwischen den Zeilen oder nur in der Phantasie des Lesers?
Vielleicht müssen wir weniger die Welten von Wirklichkeit und Phantasie trennen, als Brücken zu bauen lernen zwischen diesen, um uns hier wie dort zurechtzufinden. Sagen, die irgendwann entstanden oder erfunden wurden, veränderten sich durch die Erzählung weiter, bis sie aufgeschrieben wurden und auch dann führen sie noch in den Köpfen der Leser ein Eigenleben, wie es der jeweiligen Phantasie entspricht. Wer wollte nun richten, welche Sicht der Sage wirklicher ist und auf was es dabei ankommt?
Könnte es nicht wichtiger sein, alles immer relativ im Spiegel des Erzählers zu sehen?
Kommt es darauf an, ob es nun eine Sage oder ein alter historischer Text ist wie jene etwa von Herodot?
Dieser griechische Geschichtsschreiber, der von Cicero, der etwa 400 Jahre später lebte, als Vater der Geschichtsschreibung, pater historiae, bezeichnet wurde, schrieb Geschichte, war Völkerkundler und Geograph, wird auch Geschichtenerzähler genannt und schon verschwimmen die Grenzen wieder. Erhalten von ihm sind nur seine neunbändigen Historien, die als erste Universalgeschichte der Menschheit gelten. Sie beschreiben den Aufstieg des Perserreiches bis zu den Perserkriegen im 6. Jahrhundert vor Christus. Vielen gilt er als großer Reisender und Beschreiber der antiken Welt, der angeblich auch mehrfach am Sturz eines Tyrannen in seiner Heimat mitwirkte. Genaues wissen wir nicht und viel beruht auf Hypothesen, die aus seinem Werk und seinen Beschreibungen abgeleitet werden.
Heute wird teilweise vertreten, seine Reisebeschreibungen und seine geografischen Beschreibungen seien nur Produkt seiner Phantasie oder das, was er von anderen hörte. In Wirklichkeit hätte Herodot seine Studierstube nie verlassen, um die Welt zu beschreiben, was seine Reiseberichte noch lesenswerter macht. Denken wir zum Vergleich an Karl Mays spannende Erzählungen aus dem wilden Kurdistan oder dem Wilden Westen, den er auch als er schrieb, nie bereist hatte, sehen wir, Anwesenheit braucht es nicht, um gut über etwas zu schreiben, im Gegenteil. Liebe historische Reiseberichte und lese sie zu gern, ohne je dorthin reisen oder auf deren Spuren unterwegs sein zu wollen - müssen wir irgendwohin, um uns mit uns wohler zu fühlen?
Wird die Person nun sagenhaft oder seine Berichte, ist seine Chronologie, der Zeit mehr Produkt der Phantasie eines gebildeten Griechen, der heute Türke wäre, da er er aus Kleinasien stammte?
Wenn schon der Großvater der Geschichtsschreibung ein Geschichtenerzähler auch war, fragt sich was überhaupt von der Trennung von Historie, politischem Text und Sage zu halten ist?
Sollten wir nicht, statt zu unterscheiden und die Gebiete streng zu trennen, damit der Turm der Wissenschaft rein bleibt, lieber vereinen, um den Blick und den Horizont zu erweitern?
Es fällt mir als Aufklärer und Feind allen Aberglaubens sehr schwer, die Wissenschaft zu relativieren. Aber, nur weil etwas wahre Aussagen im Sinne der Logik finden kann, heißt das nicht, dies sei die einzige Wirklichkeit und wenn die Welt der Sagen für andere realer ist oder die des Aberglaubens, was immer noch für normal auch gehalten wird, wie anmaßend wäre es dann von der Wissenschaft zu sagen, die Welt ist nur so, wie wir sagen.
Viel spricht nach all den Jahren der Erforschung und Beobachtung dafür, dass die Wissenschaft der exakteste Weg ist die Wirklichkeit zu verstehen. Ihre Sichtweise ist nachvollziehbar und muss beweisbar sein, um anerkannt zu werden. Doch weiß, wer die Forschung von Innen kennt, sehr gut, wie Aussagen und Thesen zustande kommen, was erforscht und was auch aus Gründen übersehen wird. Es ist nur eine relative Sicht der Welt, die unserem momentanen Kenntnisstand am besten entspricht, aber sie ist keinesfalls eine absolute Aussage zur Wahrheit mit ewiger Gültigkeit, sondern nur eine relative bis zum Beweis des Gegenteils, weil wir nicht mehr wissen können.
Denke ich darüber nach, erscheint mir der Satz von Heinz von Foerster, die Wahrheit sei die Erfindung eines Lügners, immer klüger. Nicht weil alles relativ sei, sondern weil ich zumindest zu beschränkt bin, um zu erkennen, was die Wahrheit sein soll. Wenn ich vor Gericht einen Eid leisten müsste, immer nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, müsste ich ihn verweigern. Kenne die Wahrheit nicht, sondern nur meine relative Sicht der Wirklichkeit, die an den Umständen liegt, in denen ich lebe. Mehr kann ich nicht wissen und bedenke ich dabei noch, wie schlecht mein Gedächtnis ist, von wie wenig ich überhaupt Ahnung habe, dann sollte ich besser schweigen, wenn ich nach der Wahrheit gefragt werde, die ich nicht kenne, sondern eher alles für irgendwie sagenhaft im Ursprung halten.
Da fällt natürlich auch der berühmte Satz des weisen Philosophen Sokrates, ich weiß, dass ich nichts weiß, bei dem nun darüber nachgedacht werden könnte, ob dies echte oder falsche Bescheidenheit ist, er tief stapelt oder im Kern das gleiche sagen will wie obiges zur Wahrheit, die wir nicht erkennen können. Ist es ein Paradoxon, wenn ein Philosoph sagt, ich weiß, dass ich nichts weiß, weil dann die Aussage entweder logisch falsch ist, weil er ja entweder nichts weiß oder etwas weiß, nämlich nichts?
Oder passt dies Spiel mit der Eitelkeit auch sonst zu Sokrates, der seine Mitbürger in Athen solange durch seine Fragen nervte und sich dumm fühlen ließ, bis sie ihn im Scherbengericht zu Tode verurteilten?
Ist weise, wer sein Leben, dem Urteil gemäß beendet, auch wenn es Sitte war, sich davon freizukaufen, weil eine solche Handlung kategorisch gesehen nicht moralisch wäre?
Was unterscheidet diesen Satz des Provokateurs Sokrates von dem des Michel de Montaigne, der nur fragt, was weiß ich schon?
Habe da keine sicheren Antworten, wer wäre ich auch, bin schon froh, dass mir so klug klingende Fragen einfielen, dahingestellt, ob sie es sind oder nur Spiel meiner Eitelkeit.
Michel ist bescheiden und ehrlich in seinen Essays. Natürlich spielt er auch mit seiner ungeheuren Bildung und Belesenheit, seiner Kenntnis der Klassiker wie der lokalen Geschichte durch kleine Anekdoten, die er immer wieder einflicht, aber nur als Mittel zum Zweck, nicht um seiner Person wegen. Er fragt, was er wüsste, während Sokrates etwas weiß und dies als Provokation seinen Mitbewohnern vorhält, die nur etwas zu wissen meinen und vorgeben, während er der Weise doch klar sagt, er wisse nichts.
Der alte Grieche trank den Schierlingsbecher und tötete sich so selbst, wie es dem Urteil entsprach, um dem Gesetz zu gehorchen, wie es seiner in dieser Hinsicht unflexiblen Überzeugung entsprach. Dagegen war Montaigne ein Pragmatiker in vieler Hinsicht. Er hatte es werden müssen, weil er in den Hugenottenkriegen und während der Pestepedemie als Bürgermeister von Bordeaux auch ganz praktikable Lösungen manchmal am Rande der Legalität aushandeln musste, um den Frieden zu erhalten, die Stadt von der Belagerung zu befreien oder der Pest Herr zu werden und kapitulierte irgendwann auch vor dem zermürbenden Einerlei der politischen Arbeit und zog sich auf sein Gut zurück, um in seiner Bibliothek im Turm zu schreiben und zu lesen. Nur auf Anfrage seines Freundes, des späteren Königs Henry IV. oder auch von dessen Vorgängern aus dem Hause Valois war er noch beratend tätig, was ihm aber, wie er schrieb besonders der Reisen wegen lästig war.
Montaigne neigte eher Epikur und in manchem den Stoikern zu, vermute ich heute bei der Lektüre seiner Essays, betrachte die Philosophie eklektizistisch und fischte sich heraus, was ihm gefiel. Nicht wie Sokrates oder noch viel schlimmer sein Schüler Platon mit seinen absurden spartanischen Ideen zum Staat oder zur Kindererziehung, wusste er, was richtig ist, sondern dachte darüber nach und ließ an diesen Gedanken teilhaben.
Die teilweise sehr locker geschriebenen Essays, die kein Blatt vor dem Mund nehmen, sind ein Schatz für alle Freunde schöner Literatur und pragmatischer Philosophie und doch keinesfalls nur einfach dahingeschrieben, sondern Produkt genauer Überlegung zu den Dingen der Welt, immer wieder überarbeitet und mit vielen Randnotizen von Michel selbst versehen worden. Er nennt sie eine bloße Betrachtung seiner selbst, die für jeden anderen Leser uninteressant sein müsste und sie wurden das Gegenteil, auch wenn sie die Inquisition irgendwann auch auf den Zensus setzte und sie ihre größten Erfolge zunächst in England feierten, wo die freieren Anglikaner unter Elisabeth und später Jakob viel übrig haben für diese Bescheidenheit eines Menschen, der es sich gern gut gehen ließ und dabei seine Gedanken uns hinterließ.
Es scheint mir die Aussage dessen, der sich nur fragt, was weiß ich schon viel zeitgemäßer als das Wissen des Sokrates, das wiederum eine paradoxe Provokation war. So urteile ich etwa gern über den Aberglauben, den ich für die Ursache der schlimmsten Konflikte der Welt halte und der immer noch und wieder die Freiheit mit absurden Sichten bedroht. Natürlich weiß ich nicht, ob es keinen Gott gibt, was wiederum die Gläubigen umgekehrt behaupten - kann nur sagen, dass er nach dem wenigen, was ich verstehe, nicht nötig, ist, um die Welt, wie sie ist, zu erklären und ich nicht verstehe, warum ich mir einen solchen ausdenken sollte.
Sagte ich aber, ich wisse, in der Natur gibt es keinen Gott, diese sei einfach nur kausal und funktioniere eben nach natürlichen Prinzipien, könnte diese Sicht, als ein Glauben interpretiert werden, so absurd dies dem Atheisten in mir scheint. Glaube ich doch gerade nichts, sondern nehme die Dinge, wie sie sind und da gibt es eben für mich keinen Gott - wüsste ich aber sicher um das Nichts, wie Sokrates es von sich behauptete, maßte ich mir an, mehr zu wissen, als die Gläubigen, die zu wissen meinen, dass dieses höhere Wesen ist und begäbe mich fast auf die gleiche nur gegenläufige Schiene. Damit wird der Atheismus zwar nicht zur Glaubensform, aber derjenige, der ihn als sicheres Wissen behandelt, was es nie geben kann, denn, was weiß ich schon, erhöbe sich als Gläubiger seiner Überzeugung über die anderen.
Es gibt dazu einen sehr schönen jüdischen Witz von König Salomon, der, als er in den Tempel kam, vom Rabbi gefragt wird, was er denn hier mache, er glaube doch gar nicht an Gott, worauf der weise König, die Schultern hob und sagte, weiß ich, ob ich Recht habe?
All der Aberglaube und die aus ihm abgeleiteten Regeln erscheinen mir absurd. Kriege um des Glaubens wegen zu führen, finde ich völligen Unsinn und halte es da lieber mit Epikur, der nur meinte, wenn es allmächtige Götter geben sollte, warum sollten sie sich für uns interessieren, wieviel Anmaßung stecke im menschlichen Aberglauben der Lenker?
Doch wer wäre ich mit meinem schwachen Gedächtnis und meinem mehrfach kräftig angeschlagenen Kopf zu meinen, ich wisse, wie es sei und die ganze Idee, wie auch immer sie sich an die gerade Verhältnisse anpasse, sei dummes Zeug?
Wie ich die Traditionen meiner Familie respektiere, gerne mit dieser an Weihnachten christliche Lieder vorm Baum singe, kann ich auch jede andere Tradition respektieren, die keinem schadet und auch schädliche will ich nicht darum verurteilen mit Sicherheit verurteilen können.
Montaigne schrieb nahezu nichts über Gott, zitierte manches, was als Blasphemie galt und bezog sich auf Dichter, die zu zitieren dem Glauben widersprechen konnte, gab Anregungen, die an der Wahrheit der Kirche zweifeln ließen, bezeichnete sich jedoch immer als gläubigen Katholiken. So weit ginge ich nicht und bin dennoch, obwohl überzeugter Atheist und sicher, dass es keinen Gott geben kann in meiner Welt, noch traditionell Mitglied der evangelischen Kirche, weil ich dort getauft und konfirmiert wurde und dieser Verein in meiner Familie eine gewisse Tradition hat, es mehr als einen Theologen unter den Vorfahren gab, auch wenn ich vieles dort vernünftigerweise verachte.
So handle ich beim sagenhaften Aberglauben so pragmatisch, wie ich es auch sonst tue. Sollte er mir lästig sein oder mich stören, würde ich es schnell beenden. Doch warum sollte ich mich für klüger als König Salomon halten?
Auch wenn dieser Witz nichts als eine Sage ist, die mehr über jiddischen Humor verrät als über die historische Person des Salomon, könnte sie doch ein Hinweis darauf sein, wie vornehm die Bescheidenheit im Wissen eher ist, als die Anmaßung des Wissens. So schließe ich auch dieses kleine Essay zu meinen Gedanken über die Sagen und ihre historische Bedeutung mit den schon mehrfach zitierten Worten Montaignes für die Frage nach dem Wahrheitsgehalt dieser Erzählform - was weiß ich schon?
jens tuengerthal 30.12.2016
Donnerstag, 29. Dezember 2016
Gretasophie 005a
005a Kultur und Geschichte
Was haben Kultur und Geschichte miteinander zu tun, fragte ich mich vor diesem Kapitel, der ich leidenschaftlich gerne Kulturgeschichte lese, mit viel Freude Kulturgeschichten in Versen schrieb und damit irgendwas dazwischen schuf. Ist sie die Kultur in der Geschichte und damit selbst schöpferisch, kreativ tätig oder doch nur eine Art Untergruppe der ganzen Geschichtsschreibung?
Wird die Geschichte Teil unserer Kultur oder ist die Kulturgeschichte eine Welt für sich, die Kultur schöpft?
Die Kulturgeschichte befasst sich mit dem geistig-kulturellen Leben in Zeiträumen und Landschaften. Ihre Elemente sind dabei Familie, Sprache, Brauchtum, Religion, Kunst und Wissenschaft. Die Angabe genauer Zeitpunkte ist dabei weniger wichtig als in der politischen Geschichtsschreibung. Was mir mit meinem lückenhaften Wissen sehr gelegen kommt.
Der Begriff selbst stammt aus dem 18. Jahrhundert und wurzelt im Glauben der Aufklärung an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. Die Romantik sah jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und wollte in ihm den „Volksgeist erkennen, was über Geist und Romantik manches verrät.
Das 20. Jahrhundert führte zu einer eigenen Kulturphilosophie mit Vertretern wie Arnold J. Toynbee und Oswald Spengler, die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. Alfred Weber entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur Kultursoziologie.
Manche schreien wieder nach den überholten Ideen Sprenglers heute, um ihrer Angst vor dem Islam oder anderen Kulturen dahinter zu tarnen, dem Kampf der Kulturen das Wort zu reden, der so unkultiviert schon gedacht ist, wie nur etwas sein kann.
Kann es je kultiviert sein, sich für eine Trennung der Kulturen oder die Überlegenheit einer Kultur stark zu machen?
Gibt es eine Kultur der Intoleranz oder wäre das eine eigentlich unmögliche Verbindung, weil Kultur sich dadurch auszeichnet, dass sie kultiviert ist und also Respekt, Toleranz und Gleichberechtigung pflegt?
Lange Zeit wurden noch Sklaven toleriert sogar in Teilen einer liberal verfassten Demokratie wie den USA. Dies, um die Einheit mit dem Süden zu halten, der behauptete, ökonomisch auf sie angewiesen zu sein. Dennoch führte dieser Streitpunkt über die Behandlung von Menschen zum Bürgerkrieg dort, der nicht durch den irgendwann Frieden beendet wurde.
Dieser Zeit wurde auch manches sehr erfolgreiche literarische Denkmal gesetzt, wie etwa vom Winde verweht, ohne hier etwas über dessen literarische Qualität sagen zu wollen, sei festgestellt, es gefiel dem breiten Publikum und begeisterte auch Kinder schon. Dieses Thema der Geschichte wurde auch mit inzwischen klassischen Verfilmungen Teil der Kulturgeschichte der USA.
Die Beschäftigung mit Sklaven kann Teil unserer Kultur sein und dies nicht nur im Kampf um ihre Befreiung von Spartakus über den Freiherren bis Martin Luther King sondern auch als normaler Gegenstand des Alltags, wie bei Epikur, der in seinem Verhältnis zur Frau sehr tolerant war, diese als erster der Philosophie an seiner Schule in seinem Garten selbstverständlich gleichberechtigt teilnehmen ließ. Der große Denker hielt Sklaven für normal und fand ihre Haltung habe nur menschlich zu sein.
Scheint uns heute absurd, entsprach aber dem damaligen Menschenbild. Auch die Römer mit ihrer Hochkultur fanden Sklaven ganz normal, warum wir uns fragen dürfen, ob das heutige Urteil auch eines über die Kultur sein kann oder sagen müssen, es ist das Denken nicht in allem vergleichbar, was aber die Frage aufwirft, ob es richtig sein kann, auch andere Kulturen mit dem europäischen Maßstab zu messen und da ist sich die große Mehrheit hier eigentlich einig, dass es nicht passt und dennoch tun wir es immer wieder.
Betrachten wir jedoch die Wortwahl zu vieler Menschen in Sachsen und auch im sonstigen Neufünfland, fällt auf, dass die Herabsetzung bestimmter Menschengruppen auf Sachniveau dort noch gang und gäbe ist, was sie Asylantenpack oder Rapefugees schimpfen, sollte ruhig wieder an der Grenze beschossen werden. Das kommt an im verwilderten Osten und zeugt von einer Sozialisierung in der zentrale Werte teilweise verkümmerten. So gesehen wirkt sich die DDR Biografie, aus der sie ja kannten, dass auf alles Flüchtige geschossen wird, bis heute asozial aus.
Es gibt auch Idioten im Westen, nur sind die Zahlenverhältnisse anders, das Selbstverständnis ist vollständig verschieden und kaum einer präsentiert seine asoziale Gesinnung dann noch lautstark als gerechte Forderung.
Wir ziehen nach den Menschenrechten, die jedem Menschen zustünden Grenzen, die jede Kultur zu beachten hätte, ohne uns selbst für früher andere Ansichten noch bestrafen zu wollen. Andererseits, sind alle, die es taten tot und jene, die es noch genauso sehen werden dafür geächtet oder bestraft, so sie sich Sklaven halten oder andere Menschen als minderwertig und unwürdig behandeln.
Wie Frauen in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern behandelt werden auch aus religiösen Gründen ist für uns untragbar. Die strengsten Kleidervorschrifen des Islam, Methoden wie die Klitorektomie oder die Steinigung untreuer Ehefrauen, lehnen wir als unmenschlich ab, auch wenn es den betrügenden Männern nach einigen Auslegungen der Scharia ähnlich gehen kann. Aber wie unterscheidet es sich von Hexenverbrennungen und ähnlichem hier vor nicht mal 600 Jahren, die der Koran jünger ist als das Christentum?
Denke alle Kulturen scheinen da ähnliche Zyklen der Menschenfeindlichkeit zu durchlaufen und lassen Gewalt gern an Schwächeren aus, was dann, um nicht so offensichtlich feige zu wirken, mit einer transzendenten Rechtfertigung gern erschwindelt wird. Die Beurteilung von Kulturen nach unseren hohen ethischen Maßstäben ist also nicht ganz so leicht und offensichtlich, wie es manchen scheint.
So scheint im Lichte des Grundgesetzes, der Europäischen Menschrechtscharta und den Vereinbarungen der Vereinten Nationen ein Verhalten nicht tragbar, was einzelne wegen ihres Geschlechts oder ihrer Überzeugung diskriminiert, auch wenn es gute Kunden sind. Was aber nur theoretisch gilt und praktisch keine Auswirkung hat:
Das Recht in Saudi Arabien gleicht dem des IS in vielem. Beide hängen einer fundamentalistischen Auslegung ihres Aberglaubens an, die mit unserem Verständnis von Frauenrechten im speziellen und Menschenrechten unvereinbar ist. Ähnliches gilt auch für Al Quaida, gegen die und die Taliban in Afghanistan immer noch Krieg geführt wird, während sie in Syrien auch schon als Partner gelten, weil es gerade besser so passt.
Sollen wir deren Kultur als Partner tolerieren, damit wir die noch schlimmeren nach aktueller Lesart beseitigen können?
Scheint es, auch keine einfache Antwort zu geben, sondern es ist irgendwie ziemlich kompliziert. Es fing so richtig kulturgeschichtlich oben an, mit der typischen Feuilleton Debatte um den Kampf der Kulturen, von dem die Rechten immer schwadronieren und vor dem sie die verweichlichte Republik der Gutmenschen warnen wollen, weil sie Angst vor Multikulti haben, was ihrer Ansicht nach nicht funktionieren kann.
Warum sich eine Kultur, die erfolgreich ist und ökonomisch an der Weltspitze steht, vor einer irgendwie noch mittelalterlich unterentwickelten Sekte fürchten und schützen muss, habe ich nie verstanden. Es zeugt für mich eher von Angst und mangelndem Selbstbewusstsein bei denen von Pegida und AfD, die ständig darüber schwadronieren.
Was tue ich, wenn ich von meiner Art zu leben überzeugt bin, gegenüber denen, die anderes gewohnt sind?
Werde ich sie vertreiben, weil alle hier so sein müssen wie ich und es sonst Krieg gibt, eben der Kulturen wie Huntington, der Vorgänger der ängstlichen Wutbürger, es ständig in tiefstem Schwarz an die Wand malte?
Beseitige ich die Angst, in dem ich den ängstlichen Wutbürgern ständig sage, sie seien doof, intolerant und passten nicht in die Zeit?
Eher weniger, würde ich vermuten, vergrößere nur das gegenseitige Unverständnis und provoziere den von ihnen prophezeiten Kampf der Kulturen als internen Bürgerkrieg, was auch in die falsche Richtung irgendwie geht.
Nachdem ich mich lange über die sagenhaft peinliche Intoleranz in diesem Land aufgeregt habe, die Pegiden als Idioten und echtes Ostprodukt erkannte und beschimpfte, merkte ich, dass sich dadurch nichts ändert, außer der Tiefe der Gräben zwischen beiden Lagern.
Vielleicht lag das Unverständnis auch daran, dass wir eine verschiedene Sozialisation in Ost und West haben, unterschiedlich auf die gleiche Sache schauen und so begann ich zu überlegen, bevor ich mich im gewohnten Muster über die Idioten erhob, was uns verbinden könnte, wo es Gemeinsamkeiten gibt und für welche ihrer Argumente ich Verständnis haben könnte.
Reflexartig fiel mir der radikale Islam ein, den ich wie jeden extremen Aberglauben ablehne. Darin wäre ich mir mit den Rechten sogar inhaltlich relativ einig. Erstrebenswert fände ich es, den Muslimen die Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit als hehres Lebensziel darzustellen, ihnen das kantsche Denken im Geist der Toleranz als Vorbild vorzuleben, um damit die Werte unserer Kultur zu verteidigen, die nichts mit dem Christentum zu tun haben, sondern Produkt der Aufklärung und damit der der Opposition gegen den hiesigen Aberglauben sind.
Aber, wer den ollen Kant einmal las, oder auch über ihn las, will mich da nicht größer darstellen als ich in den bescheidenen Grenzen meines Verstandes nur bin, der wird feststellen, Bekehrung ist kein Mittel der Aufklärung, sondern im Gegenteil geht es ihm, um den Mut sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, um sittlich zu handeln - sapere aude, habe Mut, sei der Wahlspruch der Aufregung und genau darum geht es, den Mut haben, selbständig zu denken und dies kritisch zu tun, statt nur Schemen nach zu beten.
Wer Angst hat, verdrängt zu werden, den Kampf der Kulturen und seinen Untergang fürchtet, hat keinen Mut, sondern fürchtet sich, was eine genauso schlechte Basis für Aufklärung ist wie fanatischer Glaube.
Was wäre, wenn die Kirchen sich hier massenhaft um Konvertiten bemühten, denen im Gegenzug dann hier ein sicherer Asylanspruch zustünde und nicht nur eine Duldung bis der Fluchtgrund wieder wegfällt?
Wer sich also kulturell unserem Aberglauben annäherte, würde als leicht zu integrieren zunächst gelten, bis sich das Gegenteil erweist. Eine Art kultureller Beweislastumkehr fände vermutlich zwar laute Gegner auf allen Seiten, wäre aber zunächst wesentlich effektiver als alle verwaltungstechnischen Verfahren.
Oder wäre das nur ein neuer Kampf der Kulturen, in dem sich diejenigen die sich bedroht fühlen, mit gleichen primitiven Waffen wehrten?
Missionierung ist eine widerliche Anmaßung, die von kulturellen Überlegenheitsgefühlen zeugt, abzulehnen, sofern sie nicht völlig freiwillig erfolgt, in dem eben die Betreffenden zum neuen Glauben alleine fanden und dann auf diesem Weg begleitet würden.
Eine Einbürgerung oder ein sicherer Aufenthaltsstatus bei drohender Ausweisung wären wohl vielen Anreiz genug, zu konvertieren und den Aberglauben, anzunehmen, der eben hier am stärksten herrscht. So gesehen wäre dies zumindest in reinen Zahlen und rein oberflächlich der effektivste Weg zur kulturellen Integration, sofern mehr Aberglaube je mehr Frieden auf Erden brächte.
Was es hier aber zu verteidigen gilt, ist nicht der christliche Aberglaube oder die Traditionen von Weihnachtsbäumen bis zu Ostereiern, sondern das Wertgefüge der Aufklärung, die allerding ihrer Art nach nie eine Heilslehre sein kann. Sie ist unbequem, weil selber gedacht werden muss, sie hat keine Parolen, weder Lügenpresse, noch Gutmensch oder Faschos am Ende gar Ostdeutsche, genügte diesem Anspruch.
Wer über die Kultur des Abendlandes spricht und sie bewahren will, sollte wissen, um was es geht und nicht Kultur mit dem richtigen finnischen Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt verwechseln und nicht meinen unsere Wertegemeinschaft in Europa, die Basis unserer Kultur ist, könne durch die Rückbesinnung auf mittelalterliche hiesige Glaubensformen bewahrt werden.
Europa hat einen reichen Schatz mit seiner Aufklärung, deren radikaler Form um die weitgehend atheistischen Enzyklopädisten, wie den von ihr errungenen Menschen- und Bürgerrechten, für die es Revolutionen und blutige Weltkriege gab. Sie sind, was uns zusammenhält, nur gibt es die nicht als Ideologie zum nachbeten, sondern nur als anstrengende Aufforderung zum selber denken, die nicht endet, weil sich die Welt immer ändert, warum sie ein dauernder Prozess der Diskussion sind, in dem wir denken müssen, um frei zu bleiben. Freiheit ist einerseits ein Geschenk, andererseits eine lebenslange Aufgabe und nur, wo wir täglich den Mut haben, um sie zu kämpfen, wird sie den Mut haben, zu kommen, um zu bleiben.
Das Denken und der Mut dazu, dabei alle Grenzen zu überschreiten, ist die Freiheit, auf der unsere Kultur fußt, aus der die Menschenrechte wuchsen und die wir nur hier verteidigen können, in dem wir zum selbständigen Denken anregen, statt zu taufen. Vielleicht aber ist die Taufe ein Schritt, diese Menschen aus der größeren Abhängigkeit an mehr Freiheit zu gewöhnen, aus der sie dann kritisch zu denken, beginnen können.
Aberglaube kann kein Ziel einer offenen Gesellschaft sein, aber pragmatisch betrachtet, könnten so kreativ Intergrationshindernisse umgangen und ein konstruktiveres Miteinander gefunden werden, um darauf leicher das ‘HABE MUT!’ wie Kant es dachte, zu integrieren unsere Gesellschaft freier und offener zu machen.
Wer es als Brücke nutzt, um Menschen aus stärkeren Ketten des Aberglaubens zu befreien, könnte damit das Fundament für eine spätere Integration durch Befreiung aus der dann selbstverschuldeten Unmündigkeit legen.
Wichtig ist dieser Unsinn des auch christlichen Aberglaubens und die anmaßende Peinlichkeit der Mission, mit der sich ein besserer Status erhandelt werden könnte, nur deshalb, weil er Teil unserer Kultur ist, das Verständnis für freies und selbständiges Denken förderte.
Kulturgeschichte verstehen ist ein Teil jeder Integration und wenn eine Gemeinschaft sich auf gemeinsame Werte einigen will und mehr als den formalen Gesellschaftsvertrag als Bindung untereinander sucht, braucht es eine gemeinsame Kultur als Bindeglied. Die schufen für das Christentum noch Karl und Otto die jeweils Großen mit dem Schwert, nicht so fern von dem, was der IS heute auch tut.
Wer nicht versteht, warum die Menschenrechte in Abgrenzung von einer übermächtigen Kirche entstanden, sie sich nicht selbst auch als Schatz erringt, sondern übergestülpt bekommt wie ein unbestelltes Geschenk, wird sie eher weniger wertschätzen. In Sachsen und vielen ländlichen Regionen Neufünflands konnten wir dies beobachten, weil das Grundgesetz von ihnen nicht errungen wurde, sondern viele diese beste deutsche Verfassung aller Zeiten bis jetzt, als übergestülpt empfanden, weil sie auch manches in der DDR zu schätzen wussten. Dies ist ein Beispiel für Kants habe Mut im Rahmen der Beantwortung der Frage, was Aufklärung sei.
Auch darum blieb die SED-Nachfolgeorganisation, die sich heute sehr kulturaffin Die Linke nennt und doch eher mehrheitlich eine nur reaktionäre Organisation ist, stark. Sie nutzte den fehlenden Mut und unterstützte die enttäuschten Nörgler mit Anklagen und Forderungen gegen den Sozialstaat, die keine Regierung je realisieren könnte, warum auch Wagenknecht keiner ernst nimmt, der sich mit der tatsächlichen Umsetzbarkeit von Politik schon beschäftigte, sie nur als eine brandgefährliche Populistin wie ihren Gatten Oskar sieht.
Kultur kann nur in Freiheit und in Freiräumen entstehen. Wie es früher der Adel war, braucht die Kunst auch heute Mäzene - ob dies der Staat sein muss, könnte der Frage wert sein, vor allem in Anbetracht herrschender Vetternwirtschaft. Dafür spricht der Bildungsauftrag, dagegen spricht die Vergeudung von Geldern, die für effektive Verwaltung dringender gebraucht werden.
Aber eine Gemeinschaft funktioniert auch nur, wenn sich ihre Teile mit dem Ganzen identifizieren. Dazu braucht es Kultur als Brücke und Gegenstand der Identifikation. So ist die Kulturgeschichte immer auch zentraler Teil für den Zusammenhalt eines Staatswesens und damit, wenn auch von vielen nur für die schöne Verzierung gehalten, in Wirklichkeit der Mörtel zwischen den Steinen, der erst ein Bauwerk sicher macht, das vielleicht auch ohne die Verbindung der Steine irgendwie stände, aber verbindungslos bliebe und immer einzustürzen drohte ohne Fundament und Verbindung.
Sie ist auch Teil der großen Geschichte, die gern mit Fakten und großen Namen glänzt von denen, die wichtiges an zentraler Stelle entschieden. Es gibt in der Kulturgeschichte auch die Tendenz mehr Wert auf die Sozialgeschichte zu lesen, auch wenn dies logisch vermischt, aus durchsichtigem Interesse Dinge betont, damit sie sozialer und besser klingen, als sei Aufgabe der Kulturgeschichte die Geschichte umzuschreiben und nicht nur von ihr zu erzählen.
Diskutierte mit einer kulturgeschichtlichen Dozentin und Liebhaberin, was hier keine Rolle spielt nur beim später Blick auf die Sittengeschichte als Teil der Kulturgeschichte interessant sein könnte, über die Rolle großer Köpfe und Familien zum Verständnis der Geschichte und stritt mich mit ihr dazu genauso wie zu der Frage der Bedeutung der Religion, die sie aus meiner Sicht an falscher Stelle für entscheidend hält.
Sie meinte, die Sozialgeschichte der normalen Menschen, der Bauern und Handwerker, sei viel wichtiger und spannender als die zur genüge bekannte des Adels und der Politik. Hatte mit meiner dürftigen Bildung nur wenige Argumente gegen diese hochgebildete Frau, war mir aber ganz sicher, dass sie völlig falsch lag und Prioritäten setzte, die nicht zum Verständnis beitragen, sondern nur politisch gerade korrekt, das Maß der Verwirrung sozial kompatibel erhöhten.
Hatte mich über diese Frage schon einmal mit einem Kunsthistoriker überworfen, der die Person des Künstlers für überbewertet erklärte und stattdessen lieber das Werk an sich betrachtete und für sich sprechen ließ, was ich für bloßes politisch korrektes und gerade modisches Blabla hielt. Ein Werk stammt immer von einem Künstler und dieser spricht durch seine Werke immer.
In jedem meiner Texte, spiegelt sich auch mein Leben und wer eine Geschichte meiner Liebsten schreiben wollte irgendwann oder mich einer Biografie für würdig erachtete, was zugegeben ziemlich phantastischer Unsinn wohl wäre, brauchte nur in meinem Blog die Serie meiner Verse lesen und könnte sehr viel aus meinem Leben wieder entdecken, es teilweise exakt erzählt finden, allerdings selten oder nie so, wie es geschah, sondern so, wie ich darüber denke mit meinen bescheidenen Mitteln. Viele verwechseln auch Dichtung und Wahrheit wie schon Goethe autobiografisch so treffend titelte, erstere bleibt immer Kunst und macht, was sie will und aus ästhetischen Gründen, die manchmal auch vom schlichten Marketing beeinflusst werden, letztere gibt es nicht und ist systemlogisch die Erfindung eines Lügners. Was die Wirklichkeit für wen ist, wäre wohl ein zu weites Feld für ein nur Essay.
Nun aber zurück zu dieser hochintelligenten, noch gebildeteren und wunderschönen Kulturwissenschaftlerin, mit der ich zu gerne mal ein Buch zusammen geschrieben hätte, müsste ich nicht fürchten, dass wir uns dabei irgendwann den Schädel einschlügen oder zumindest schreiend auseinanderliefen - ihre These von der Sozialgeschichte und der Wichtigkeit der kleinen Leute zum Verständnis einer Zeit, halt ich, um ehrlich zu sein, für politisch korrektes Gewäsch, was den Horizont in eben diesem Nebel verdunkelt, ohne etwas zur Aufklärung beizutragen.
Weiß, dass es seit den 80ern dazu eine angeregt geführte Diskussion in der Kulturgeschichte gibt, die ich aber von Anfang an eher für geistige Onanie hielt, mit der sich die Beteiligten mehr Aufmerksamkeit für ihre Publikationen im Wettstreit um Professuren erhofften, ohne irgend neues zum Diskurs beizutragen. Es wurden politische Formeln und Forschungsgegenstände der Soziologie auf die Kulturgeschichte übertragen, diese wurde dazu im egalitären Gewand geschminkt damit sie nett sozialdemokratisch aussah und ließ sich dafür immer tiefer über im Grunde völlig unwesentliches zum Verständnis des Laufes der Welt aus.
Sich ein Bild auch davon zu machen, wie die nicht privilegierten Menschen lebten, die keine Entscheidungen fällten, kann sicher helfen, historische Ereignisse besser einzuordnen. Ist ein kleiner Baustein, der ein Mosaik auch vervollständigt, aber damit nicht zur Bedeutung an sich wird.
Geschichte und Kulturgeschichte lebte von dem, was passierte und denen, die es bewegten. Das ist lange Zeit primär der Adel gewesen, dann kamen im Mittelalter und der Renaissance bürgerliche Bänker zu Macht, die Adel sich kaufen konnten, wie die Medici, die Fugger und die Rothschilds später. In Summa haben alle Lieschen Müller und Fritzchen Meyer auch viel in der Welt bewegt, sind eigentlich die Basis aller Macht, doch vollzogen sie im bekannten Rahmen ihr Tagwerk als abhängig Beschäftigte oder Eigentum des Grundherren bis ins 19. Jahrhundert weit hinein.
Habe mich mit der Kulturhistorikerin leider nie mehr zum streiten getroffen, was ich immer sehr bedauerte, weil ich trotz aller divergierenden Meinung, sehr viel von ihrem Wissen halte, vom übrigen hier zu schweigen, was sicher auch Grund genug wäre, aber kein Thema ist, höchstens zur Sittengeschichte als Teil der Kulturgeschichte passte aber auch insofern hier gerade nicht passt, wir sahen uns ja auch irgendwann nie wieder, weil beiden andere Leidenschaften zwischen die Kultur kamen und Priorität bekamen.
Hätte sie zu gern davon überzeugt, dass auch die Kulturgeschichte ihre Köpfe braucht, um sich zu orientieren, was sie vermutlich meinem Mangel an Orientierung zuschrieb, der auch an den Lücken meiner Bildung liegt, was sie als Profi wohl unschwer erkannt haben wird. Es ist das Gegenteil nämlich, die Sehnsucht nach Orientierung, die mich Netze mit den immer gleichen Köpfen spannen lässt, um die sich bestimmte Teile der Welt zu dieser Zeit drehten.
Die Geschichte mit der Kultursozialgeschichte mag ein verzeihlicher Unsinn zur Erringung einer begehrten Stelle sein, die ausreichend Aufmerksamkeit erheischt, vielleicht noch die Leser des sozialdemokratischen Vorwärts interessieren, wenn es diese denn wirklich gibt und solche nicht nur wie die Leser aller Vereinsblätter einzig wahrnehmen, was sie persönlich betrifft, leistet ansonsten aber keinen Beitrag zur Aufklärung, die aus der Unmündigkeit befreien soll, die aus Unwissen resultiert.
Geschichte wie Kulturgeschichte braucht ein grobes Netz, das sich in Details je nach Bedürfnis verfeinert. Wie wir den Rahmen finden, der zu uns passt, muss jeder für sich entscheiden und sich dabei nach dem richten, was Lust auf mehr macht und interessiert. Kulturgeschichte ist noch mehr als alle anderen eine Frage der Lust, die sich Brücken zum Rahmen sucht, der sie betrifft.
So kam ich von der Lektüre von Heinrich Manns Henry IV. zu diesem und dabei noch zu den französischen Häusern Valois zu dem von Bourbon, die heute noch in Spanien repräsentieren, nebenbei noch zu seinem Berater Michel de Montaigne und seiner englischen protestantischen Kollegin Elisabeth I., diese führt klar zu Philipp II. der natürlich an Karl V. denken lässt, den Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging und der so viele Kriege ausfechten musste, der wiederum nach seinem Großvater Maximilian I. über Luther richtete, was zur Reformation bringt, dabei denke ich zugleich an das Spanien, das Karl V als I. regierte, was mich zur Reconquista als Gegenbewegung zum sich aufbäumenden Protest gegen Ablass und Inquisition führt, diese in Spanien noch stärkte und von Karl geht es zu seinen Großeltern mütterlicherseits, die auch Schwiegereltern einst vom Vater von Elisabeth I. von England waren, dem berühmten Henry VIII. aus dem Hause Tudor, und die Karl von Aragon und Isabella von Kastilien hießen und zufällig die gleichen waren, die den im Glauben fanatischen genuesischen Kaufmann Christoph Kolumbus die Reise nach Indien auf westlichem Wege finanzierten und damit landen wir in Amerika und sind fast schon wieder in der Gegenwart, wo Obama wie verzweifelt noch lauter Aktionen startet, von denen jeder weiß, Trump wird sie schnell zurücknehmen, was gegen jede demokratische Sitte auch für eine lame duck verstößt.
Wen dies surfen zwischen Welten und Zeiten nicht fasziniert, der wird andere Wege und Brücken finden und suchen, um sich zurechtzufinden, wo immer ein Mensch zum erstenmal auf die großen Zusammenhänge stößt, die ein faszinierendes Netz offenbaren, in dem Kultur sich entfalten kann.
Es mag schön sein, Forschungsmittel dafür zu bekommen, sich einige Jahre damit zu beschäftigen, wie es fränkischen und hessischen Bauern während der Bauernkriege in ihren Ehen sozial erging. Dann muss natürlich zur Rechtfertigung noch irgendetwas scheinbar wichtiges zu diesem irrelevanten Thema veröffentlicht werden, denn Schlachten entschieden immer andere, auch wenn jeder Tropfen seine Rolle irgendwo spielt, politisch wichtige Entscheidungen trafen die Bauern auch eher nie, so wenig wie die Handwerker im engen Verbund ihrer Zünfte. Sie zu würdigen und ihrer sozialen Rolle gerecht werden wollen, klingt nett, ist aber nichts als geistige Onanie junger Dozenten auf der Suche nach Bedeutung, wenn dafür die entscheidenden Dinge vernachlässigt werden und die Köpfe und Familien, die erst Zusammenhänge weltweit verstehen lassen, vergessen werden.
Auch in der Kulturgeschichte gilt, das Netz ist der Zahlenstrang im Kopf, auf dem Ereignisse sichtbar werden und hervorstechen, es bildet den Rahmen, in dem bestimmte Personen und Familien manch Großes bewegten, während alles übrige wie immer geschah, was auch beim Blick auf die Sittengeschichte noch deutlicher wird. Es hat sich am Leben und an den Bedürfnissen der Menschen nicht wirklich viel geändert in den letzten Millionen Jahren, um so mehr an der Art, wie wir unser Zusammenleben organisieren. Es wird in der irgendwann Kulturgeschichte unserer Zeit und der Demokratie natürlich auch der Bürger als Stimmberechtigter eine größere Rolle spielen, vom Wutbürger bis zum besorgten Brüder, die wie damals die von Straßenkämpfen genervten an die Macht wählten.
Doch um einen Rahmen zu finden, sollten wir durch die Jahrhunderte zu fliegen lernen und nur die Leuchttürme als Orientierung kennen, um zu wissen, wo wir stehen und wer diese sind. Habe selbst seinerzeit in Hessen viel von diesem Unsinn gelernt, der dem Unterricht in Geschichte einen sozialdemokratischen Anstrich geben wollte. Wusste aber nichts von der Rolle der Medici, der Rolle der Katharina und der königlichen Vettern in der Bartholomäusnacht und hatte doch nichts davon, zu wissen, wieviel Quadratmeter durchschnittliche abhängige Bauern für die Eigenversorgung bewirtschafteten.
All dies ist Wissen für ein Lexikon des überflüssigen Wissens, in dem notiert würde, was niemand wissen muss, keinen weiteren Zweck erfüllt als Fakten zu liefern, die nichts an der Welt änderten.
Vielleicht ist meine Beschränkung auf bedeutende Ereignisse und Personen völlig asozial, adelsfixiert und elitär, aber sie gibt mir ein Netz jenseits von Beschäftigungstherapien für historische Soziologen, mit dem ich von jedem Punkt aus arbeiten und mich zurecht finden kann. Da mögen andere begabter sein, warum ich nicht über das, was mich vielleicht aufgrund meiner bescheidenen Mittel so gähnend langweilt, scharf urteilen - sondern nur feststellen, dass ich lieber nach oben schaue in der Geschichte, um zu verstehen, statt im Schlamm zu wühlen, da es den Überblick erleichtert.
jens tuengerthal 29.12.2016
Was haben Kultur und Geschichte miteinander zu tun, fragte ich mich vor diesem Kapitel, der ich leidenschaftlich gerne Kulturgeschichte lese, mit viel Freude Kulturgeschichten in Versen schrieb und damit irgendwas dazwischen schuf. Ist sie die Kultur in der Geschichte und damit selbst schöpferisch, kreativ tätig oder doch nur eine Art Untergruppe der ganzen Geschichtsschreibung?
Wird die Geschichte Teil unserer Kultur oder ist die Kulturgeschichte eine Welt für sich, die Kultur schöpft?
Die Kulturgeschichte befasst sich mit dem geistig-kulturellen Leben in Zeiträumen und Landschaften. Ihre Elemente sind dabei Familie, Sprache, Brauchtum, Religion, Kunst und Wissenschaft. Die Angabe genauer Zeitpunkte ist dabei weniger wichtig als in der politischen Geschichtsschreibung. Was mir mit meinem lückenhaften Wissen sehr gelegen kommt.
Der Begriff selbst stammt aus dem 18. Jahrhundert und wurzelt im Glauben der Aufklärung an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. Die Romantik sah jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und wollte in ihm den „Volksgeist erkennen, was über Geist und Romantik manches verrät.
Das 20. Jahrhundert führte zu einer eigenen Kulturphilosophie mit Vertretern wie Arnold J. Toynbee und Oswald Spengler, die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. Alfred Weber entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur Kultursoziologie.
Manche schreien wieder nach den überholten Ideen Sprenglers heute, um ihrer Angst vor dem Islam oder anderen Kulturen dahinter zu tarnen, dem Kampf der Kulturen das Wort zu reden, der so unkultiviert schon gedacht ist, wie nur etwas sein kann.
Kann es je kultiviert sein, sich für eine Trennung der Kulturen oder die Überlegenheit einer Kultur stark zu machen?
Gibt es eine Kultur der Intoleranz oder wäre das eine eigentlich unmögliche Verbindung, weil Kultur sich dadurch auszeichnet, dass sie kultiviert ist und also Respekt, Toleranz und Gleichberechtigung pflegt?
Lange Zeit wurden noch Sklaven toleriert sogar in Teilen einer liberal verfassten Demokratie wie den USA. Dies, um die Einheit mit dem Süden zu halten, der behauptete, ökonomisch auf sie angewiesen zu sein. Dennoch führte dieser Streitpunkt über die Behandlung von Menschen zum Bürgerkrieg dort, der nicht durch den irgendwann Frieden beendet wurde.
Dieser Zeit wurde auch manches sehr erfolgreiche literarische Denkmal gesetzt, wie etwa vom Winde verweht, ohne hier etwas über dessen literarische Qualität sagen zu wollen, sei festgestellt, es gefiel dem breiten Publikum und begeisterte auch Kinder schon. Dieses Thema der Geschichte wurde auch mit inzwischen klassischen Verfilmungen Teil der Kulturgeschichte der USA.
Die Beschäftigung mit Sklaven kann Teil unserer Kultur sein und dies nicht nur im Kampf um ihre Befreiung von Spartakus über den Freiherren bis Martin Luther King sondern auch als normaler Gegenstand des Alltags, wie bei Epikur, der in seinem Verhältnis zur Frau sehr tolerant war, diese als erster der Philosophie an seiner Schule in seinem Garten selbstverständlich gleichberechtigt teilnehmen ließ. Der große Denker hielt Sklaven für normal und fand ihre Haltung habe nur menschlich zu sein.
Scheint uns heute absurd, entsprach aber dem damaligen Menschenbild. Auch die Römer mit ihrer Hochkultur fanden Sklaven ganz normal, warum wir uns fragen dürfen, ob das heutige Urteil auch eines über die Kultur sein kann oder sagen müssen, es ist das Denken nicht in allem vergleichbar, was aber die Frage aufwirft, ob es richtig sein kann, auch andere Kulturen mit dem europäischen Maßstab zu messen und da ist sich die große Mehrheit hier eigentlich einig, dass es nicht passt und dennoch tun wir es immer wieder.
Betrachten wir jedoch die Wortwahl zu vieler Menschen in Sachsen und auch im sonstigen Neufünfland, fällt auf, dass die Herabsetzung bestimmter Menschengruppen auf Sachniveau dort noch gang und gäbe ist, was sie Asylantenpack oder Rapefugees schimpfen, sollte ruhig wieder an der Grenze beschossen werden. Das kommt an im verwilderten Osten und zeugt von einer Sozialisierung in der zentrale Werte teilweise verkümmerten. So gesehen wirkt sich die DDR Biografie, aus der sie ja kannten, dass auf alles Flüchtige geschossen wird, bis heute asozial aus.
Es gibt auch Idioten im Westen, nur sind die Zahlenverhältnisse anders, das Selbstverständnis ist vollständig verschieden und kaum einer präsentiert seine asoziale Gesinnung dann noch lautstark als gerechte Forderung.
Wir ziehen nach den Menschenrechten, die jedem Menschen zustünden Grenzen, die jede Kultur zu beachten hätte, ohne uns selbst für früher andere Ansichten noch bestrafen zu wollen. Andererseits, sind alle, die es taten tot und jene, die es noch genauso sehen werden dafür geächtet oder bestraft, so sie sich Sklaven halten oder andere Menschen als minderwertig und unwürdig behandeln.
Wie Frauen in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern behandelt werden auch aus religiösen Gründen ist für uns untragbar. Die strengsten Kleidervorschrifen des Islam, Methoden wie die Klitorektomie oder die Steinigung untreuer Ehefrauen, lehnen wir als unmenschlich ab, auch wenn es den betrügenden Männern nach einigen Auslegungen der Scharia ähnlich gehen kann. Aber wie unterscheidet es sich von Hexenverbrennungen und ähnlichem hier vor nicht mal 600 Jahren, die der Koran jünger ist als das Christentum?
Denke alle Kulturen scheinen da ähnliche Zyklen der Menschenfeindlichkeit zu durchlaufen und lassen Gewalt gern an Schwächeren aus, was dann, um nicht so offensichtlich feige zu wirken, mit einer transzendenten Rechtfertigung gern erschwindelt wird. Die Beurteilung von Kulturen nach unseren hohen ethischen Maßstäben ist also nicht ganz so leicht und offensichtlich, wie es manchen scheint.
So scheint im Lichte des Grundgesetzes, der Europäischen Menschrechtscharta und den Vereinbarungen der Vereinten Nationen ein Verhalten nicht tragbar, was einzelne wegen ihres Geschlechts oder ihrer Überzeugung diskriminiert, auch wenn es gute Kunden sind. Was aber nur theoretisch gilt und praktisch keine Auswirkung hat:
Das Recht in Saudi Arabien gleicht dem des IS in vielem. Beide hängen einer fundamentalistischen Auslegung ihres Aberglaubens an, die mit unserem Verständnis von Frauenrechten im speziellen und Menschenrechten unvereinbar ist. Ähnliches gilt auch für Al Quaida, gegen die und die Taliban in Afghanistan immer noch Krieg geführt wird, während sie in Syrien auch schon als Partner gelten, weil es gerade besser so passt.
Sollen wir deren Kultur als Partner tolerieren, damit wir die noch schlimmeren nach aktueller Lesart beseitigen können?
Scheint es, auch keine einfache Antwort zu geben, sondern es ist irgendwie ziemlich kompliziert. Es fing so richtig kulturgeschichtlich oben an, mit der typischen Feuilleton Debatte um den Kampf der Kulturen, von dem die Rechten immer schwadronieren und vor dem sie die verweichlichte Republik der Gutmenschen warnen wollen, weil sie Angst vor Multikulti haben, was ihrer Ansicht nach nicht funktionieren kann.
Warum sich eine Kultur, die erfolgreich ist und ökonomisch an der Weltspitze steht, vor einer irgendwie noch mittelalterlich unterentwickelten Sekte fürchten und schützen muss, habe ich nie verstanden. Es zeugt für mich eher von Angst und mangelndem Selbstbewusstsein bei denen von Pegida und AfD, die ständig darüber schwadronieren.
Was tue ich, wenn ich von meiner Art zu leben überzeugt bin, gegenüber denen, die anderes gewohnt sind?
Werde ich sie vertreiben, weil alle hier so sein müssen wie ich und es sonst Krieg gibt, eben der Kulturen wie Huntington, der Vorgänger der ängstlichen Wutbürger, es ständig in tiefstem Schwarz an die Wand malte?
Beseitige ich die Angst, in dem ich den ängstlichen Wutbürgern ständig sage, sie seien doof, intolerant und passten nicht in die Zeit?
Eher weniger, würde ich vermuten, vergrößere nur das gegenseitige Unverständnis und provoziere den von ihnen prophezeiten Kampf der Kulturen als internen Bürgerkrieg, was auch in die falsche Richtung irgendwie geht.
Nachdem ich mich lange über die sagenhaft peinliche Intoleranz in diesem Land aufgeregt habe, die Pegiden als Idioten und echtes Ostprodukt erkannte und beschimpfte, merkte ich, dass sich dadurch nichts ändert, außer der Tiefe der Gräben zwischen beiden Lagern.
Vielleicht lag das Unverständnis auch daran, dass wir eine verschiedene Sozialisation in Ost und West haben, unterschiedlich auf die gleiche Sache schauen und so begann ich zu überlegen, bevor ich mich im gewohnten Muster über die Idioten erhob, was uns verbinden könnte, wo es Gemeinsamkeiten gibt und für welche ihrer Argumente ich Verständnis haben könnte.
Reflexartig fiel mir der radikale Islam ein, den ich wie jeden extremen Aberglauben ablehne. Darin wäre ich mir mit den Rechten sogar inhaltlich relativ einig. Erstrebenswert fände ich es, den Muslimen die Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit als hehres Lebensziel darzustellen, ihnen das kantsche Denken im Geist der Toleranz als Vorbild vorzuleben, um damit die Werte unserer Kultur zu verteidigen, die nichts mit dem Christentum zu tun haben, sondern Produkt der Aufklärung und damit der der Opposition gegen den hiesigen Aberglauben sind.
Aber, wer den ollen Kant einmal las, oder auch über ihn las, will mich da nicht größer darstellen als ich in den bescheidenen Grenzen meines Verstandes nur bin, der wird feststellen, Bekehrung ist kein Mittel der Aufklärung, sondern im Gegenteil geht es ihm, um den Mut sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, um sittlich zu handeln - sapere aude, habe Mut, sei der Wahlspruch der Aufregung und genau darum geht es, den Mut haben, selbständig zu denken und dies kritisch zu tun, statt nur Schemen nach zu beten.
Wer Angst hat, verdrängt zu werden, den Kampf der Kulturen und seinen Untergang fürchtet, hat keinen Mut, sondern fürchtet sich, was eine genauso schlechte Basis für Aufklärung ist wie fanatischer Glaube.
Was wäre, wenn die Kirchen sich hier massenhaft um Konvertiten bemühten, denen im Gegenzug dann hier ein sicherer Asylanspruch zustünde und nicht nur eine Duldung bis der Fluchtgrund wieder wegfällt?
Wer sich also kulturell unserem Aberglauben annäherte, würde als leicht zu integrieren zunächst gelten, bis sich das Gegenteil erweist. Eine Art kultureller Beweislastumkehr fände vermutlich zwar laute Gegner auf allen Seiten, wäre aber zunächst wesentlich effektiver als alle verwaltungstechnischen Verfahren.
Oder wäre das nur ein neuer Kampf der Kulturen, in dem sich diejenigen die sich bedroht fühlen, mit gleichen primitiven Waffen wehrten?
Missionierung ist eine widerliche Anmaßung, die von kulturellen Überlegenheitsgefühlen zeugt, abzulehnen, sofern sie nicht völlig freiwillig erfolgt, in dem eben die Betreffenden zum neuen Glauben alleine fanden und dann auf diesem Weg begleitet würden.
Eine Einbürgerung oder ein sicherer Aufenthaltsstatus bei drohender Ausweisung wären wohl vielen Anreiz genug, zu konvertieren und den Aberglauben, anzunehmen, der eben hier am stärksten herrscht. So gesehen wäre dies zumindest in reinen Zahlen und rein oberflächlich der effektivste Weg zur kulturellen Integration, sofern mehr Aberglaube je mehr Frieden auf Erden brächte.
Was es hier aber zu verteidigen gilt, ist nicht der christliche Aberglaube oder die Traditionen von Weihnachtsbäumen bis zu Ostereiern, sondern das Wertgefüge der Aufklärung, die allerding ihrer Art nach nie eine Heilslehre sein kann. Sie ist unbequem, weil selber gedacht werden muss, sie hat keine Parolen, weder Lügenpresse, noch Gutmensch oder Faschos am Ende gar Ostdeutsche, genügte diesem Anspruch.
Wer über die Kultur des Abendlandes spricht und sie bewahren will, sollte wissen, um was es geht und nicht Kultur mit dem richtigen finnischen Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt verwechseln und nicht meinen unsere Wertegemeinschaft in Europa, die Basis unserer Kultur ist, könne durch die Rückbesinnung auf mittelalterliche hiesige Glaubensformen bewahrt werden.
Europa hat einen reichen Schatz mit seiner Aufklärung, deren radikaler Form um die weitgehend atheistischen Enzyklopädisten, wie den von ihr errungenen Menschen- und Bürgerrechten, für die es Revolutionen und blutige Weltkriege gab. Sie sind, was uns zusammenhält, nur gibt es die nicht als Ideologie zum nachbeten, sondern nur als anstrengende Aufforderung zum selber denken, die nicht endet, weil sich die Welt immer ändert, warum sie ein dauernder Prozess der Diskussion sind, in dem wir denken müssen, um frei zu bleiben. Freiheit ist einerseits ein Geschenk, andererseits eine lebenslange Aufgabe und nur, wo wir täglich den Mut haben, um sie zu kämpfen, wird sie den Mut haben, zu kommen, um zu bleiben.
Das Denken und der Mut dazu, dabei alle Grenzen zu überschreiten, ist die Freiheit, auf der unsere Kultur fußt, aus der die Menschenrechte wuchsen und die wir nur hier verteidigen können, in dem wir zum selbständigen Denken anregen, statt zu taufen. Vielleicht aber ist die Taufe ein Schritt, diese Menschen aus der größeren Abhängigkeit an mehr Freiheit zu gewöhnen, aus der sie dann kritisch zu denken, beginnen können.
Aberglaube kann kein Ziel einer offenen Gesellschaft sein, aber pragmatisch betrachtet, könnten so kreativ Intergrationshindernisse umgangen und ein konstruktiveres Miteinander gefunden werden, um darauf leicher das ‘HABE MUT!’ wie Kant es dachte, zu integrieren unsere Gesellschaft freier und offener zu machen.
Wer es als Brücke nutzt, um Menschen aus stärkeren Ketten des Aberglaubens zu befreien, könnte damit das Fundament für eine spätere Integration durch Befreiung aus der dann selbstverschuldeten Unmündigkeit legen.
Wichtig ist dieser Unsinn des auch christlichen Aberglaubens und die anmaßende Peinlichkeit der Mission, mit der sich ein besserer Status erhandelt werden könnte, nur deshalb, weil er Teil unserer Kultur ist, das Verständnis für freies und selbständiges Denken förderte.
Kulturgeschichte verstehen ist ein Teil jeder Integration und wenn eine Gemeinschaft sich auf gemeinsame Werte einigen will und mehr als den formalen Gesellschaftsvertrag als Bindung untereinander sucht, braucht es eine gemeinsame Kultur als Bindeglied. Die schufen für das Christentum noch Karl und Otto die jeweils Großen mit dem Schwert, nicht so fern von dem, was der IS heute auch tut.
Wer nicht versteht, warum die Menschenrechte in Abgrenzung von einer übermächtigen Kirche entstanden, sie sich nicht selbst auch als Schatz erringt, sondern übergestülpt bekommt wie ein unbestelltes Geschenk, wird sie eher weniger wertschätzen. In Sachsen und vielen ländlichen Regionen Neufünflands konnten wir dies beobachten, weil das Grundgesetz von ihnen nicht errungen wurde, sondern viele diese beste deutsche Verfassung aller Zeiten bis jetzt, als übergestülpt empfanden, weil sie auch manches in der DDR zu schätzen wussten. Dies ist ein Beispiel für Kants habe Mut im Rahmen der Beantwortung der Frage, was Aufklärung sei.
Auch darum blieb die SED-Nachfolgeorganisation, die sich heute sehr kulturaffin Die Linke nennt und doch eher mehrheitlich eine nur reaktionäre Organisation ist, stark. Sie nutzte den fehlenden Mut und unterstützte die enttäuschten Nörgler mit Anklagen und Forderungen gegen den Sozialstaat, die keine Regierung je realisieren könnte, warum auch Wagenknecht keiner ernst nimmt, der sich mit der tatsächlichen Umsetzbarkeit von Politik schon beschäftigte, sie nur als eine brandgefährliche Populistin wie ihren Gatten Oskar sieht.
Kultur kann nur in Freiheit und in Freiräumen entstehen. Wie es früher der Adel war, braucht die Kunst auch heute Mäzene - ob dies der Staat sein muss, könnte der Frage wert sein, vor allem in Anbetracht herrschender Vetternwirtschaft. Dafür spricht der Bildungsauftrag, dagegen spricht die Vergeudung von Geldern, die für effektive Verwaltung dringender gebraucht werden.
Aber eine Gemeinschaft funktioniert auch nur, wenn sich ihre Teile mit dem Ganzen identifizieren. Dazu braucht es Kultur als Brücke und Gegenstand der Identifikation. So ist die Kulturgeschichte immer auch zentraler Teil für den Zusammenhalt eines Staatswesens und damit, wenn auch von vielen nur für die schöne Verzierung gehalten, in Wirklichkeit der Mörtel zwischen den Steinen, der erst ein Bauwerk sicher macht, das vielleicht auch ohne die Verbindung der Steine irgendwie stände, aber verbindungslos bliebe und immer einzustürzen drohte ohne Fundament und Verbindung.
Sie ist auch Teil der großen Geschichte, die gern mit Fakten und großen Namen glänzt von denen, die wichtiges an zentraler Stelle entschieden. Es gibt in der Kulturgeschichte auch die Tendenz mehr Wert auf die Sozialgeschichte zu lesen, auch wenn dies logisch vermischt, aus durchsichtigem Interesse Dinge betont, damit sie sozialer und besser klingen, als sei Aufgabe der Kulturgeschichte die Geschichte umzuschreiben und nicht nur von ihr zu erzählen.
Diskutierte mit einer kulturgeschichtlichen Dozentin und Liebhaberin, was hier keine Rolle spielt nur beim später Blick auf die Sittengeschichte als Teil der Kulturgeschichte interessant sein könnte, über die Rolle großer Köpfe und Familien zum Verständnis der Geschichte und stritt mich mit ihr dazu genauso wie zu der Frage der Bedeutung der Religion, die sie aus meiner Sicht an falscher Stelle für entscheidend hält.
Sie meinte, die Sozialgeschichte der normalen Menschen, der Bauern und Handwerker, sei viel wichtiger und spannender als die zur genüge bekannte des Adels und der Politik. Hatte mit meiner dürftigen Bildung nur wenige Argumente gegen diese hochgebildete Frau, war mir aber ganz sicher, dass sie völlig falsch lag und Prioritäten setzte, die nicht zum Verständnis beitragen, sondern nur politisch gerade korrekt, das Maß der Verwirrung sozial kompatibel erhöhten.
Hatte mich über diese Frage schon einmal mit einem Kunsthistoriker überworfen, der die Person des Künstlers für überbewertet erklärte und stattdessen lieber das Werk an sich betrachtete und für sich sprechen ließ, was ich für bloßes politisch korrektes und gerade modisches Blabla hielt. Ein Werk stammt immer von einem Künstler und dieser spricht durch seine Werke immer.
In jedem meiner Texte, spiegelt sich auch mein Leben und wer eine Geschichte meiner Liebsten schreiben wollte irgendwann oder mich einer Biografie für würdig erachtete, was zugegeben ziemlich phantastischer Unsinn wohl wäre, brauchte nur in meinem Blog die Serie meiner Verse lesen und könnte sehr viel aus meinem Leben wieder entdecken, es teilweise exakt erzählt finden, allerdings selten oder nie so, wie es geschah, sondern so, wie ich darüber denke mit meinen bescheidenen Mitteln. Viele verwechseln auch Dichtung und Wahrheit wie schon Goethe autobiografisch so treffend titelte, erstere bleibt immer Kunst und macht, was sie will und aus ästhetischen Gründen, die manchmal auch vom schlichten Marketing beeinflusst werden, letztere gibt es nicht und ist systemlogisch die Erfindung eines Lügners. Was die Wirklichkeit für wen ist, wäre wohl ein zu weites Feld für ein nur Essay.
Nun aber zurück zu dieser hochintelligenten, noch gebildeteren und wunderschönen Kulturwissenschaftlerin, mit der ich zu gerne mal ein Buch zusammen geschrieben hätte, müsste ich nicht fürchten, dass wir uns dabei irgendwann den Schädel einschlügen oder zumindest schreiend auseinanderliefen - ihre These von der Sozialgeschichte und der Wichtigkeit der kleinen Leute zum Verständnis einer Zeit, halt ich, um ehrlich zu sein, für politisch korrektes Gewäsch, was den Horizont in eben diesem Nebel verdunkelt, ohne etwas zur Aufklärung beizutragen.
Weiß, dass es seit den 80ern dazu eine angeregt geführte Diskussion in der Kulturgeschichte gibt, die ich aber von Anfang an eher für geistige Onanie hielt, mit der sich die Beteiligten mehr Aufmerksamkeit für ihre Publikationen im Wettstreit um Professuren erhofften, ohne irgend neues zum Diskurs beizutragen. Es wurden politische Formeln und Forschungsgegenstände der Soziologie auf die Kulturgeschichte übertragen, diese wurde dazu im egalitären Gewand geschminkt damit sie nett sozialdemokratisch aussah und ließ sich dafür immer tiefer über im Grunde völlig unwesentliches zum Verständnis des Laufes der Welt aus.
Sich ein Bild auch davon zu machen, wie die nicht privilegierten Menschen lebten, die keine Entscheidungen fällten, kann sicher helfen, historische Ereignisse besser einzuordnen. Ist ein kleiner Baustein, der ein Mosaik auch vervollständigt, aber damit nicht zur Bedeutung an sich wird.
Geschichte und Kulturgeschichte lebte von dem, was passierte und denen, die es bewegten. Das ist lange Zeit primär der Adel gewesen, dann kamen im Mittelalter und der Renaissance bürgerliche Bänker zu Macht, die Adel sich kaufen konnten, wie die Medici, die Fugger und die Rothschilds später. In Summa haben alle Lieschen Müller und Fritzchen Meyer auch viel in der Welt bewegt, sind eigentlich die Basis aller Macht, doch vollzogen sie im bekannten Rahmen ihr Tagwerk als abhängig Beschäftigte oder Eigentum des Grundherren bis ins 19. Jahrhundert weit hinein.
Habe mich mit der Kulturhistorikerin leider nie mehr zum streiten getroffen, was ich immer sehr bedauerte, weil ich trotz aller divergierenden Meinung, sehr viel von ihrem Wissen halte, vom übrigen hier zu schweigen, was sicher auch Grund genug wäre, aber kein Thema ist, höchstens zur Sittengeschichte als Teil der Kulturgeschichte passte aber auch insofern hier gerade nicht passt, wir sahen uns ja auch irgendwann nie wieder, weil beiden andere Leidenschaften zwischen die Kultur kamen und Priorität bekamen.
Hätte sie zu gern davon überzeugt, dass auch die Kulturgeschichte ihre Köpfe braucht, um sich zu orientieren, was sie vermutlich meinem Mangel an Orientierung zuschrieb, der auch an den Lücken meiner Bildung liegt, was sie als Profi wohl unschwer erkannt haben wird. Es ist das Gegenteil nämlich, die Sehnsucht nach Orientierung, die mich Netze mit den immer gleichen Köpfen spannen lässt, um die sich bestimmte Teile der Welt zu dieser Zeit drehten.
Die Geschichte mit der Kultursozialgeschichte mag ein verzeihlicher Unsinn zur Erringung einer begehrten Stelle sein, die ausreichend Aufmerksamkeit erheischt, vielleicht noch die Leser des sozialdemokratischen Vorwärts interessieren, wenn es diese denn wirklich gibt und solche nicht nur wie die Leser aller Vereinsblätter einzig wahrnehmen, was sie persönlich betrifft, leistet ansonsten aber keinen Beitrag zur Aufklärung, die aus der Unmündigkeit befreien soll, die aus Unwissen resultiert.
Geschichte wie Kulturgeschichte braucht ein grobes Netz, das sich in Details je nach Bedürfnis verfeinert. Wie wir den Rahmen finden, der zu uns passt, muss jeder für sich entscheiden und sich dabei nach dem richten, was Lust auf mehr macht und interessiert. Kulturgeschichte ist noch mehr als alle anderen eine Frage der Lust, die sich Brücken zum Rahmen sucht, der sie betrifft.
So kam ich von der Lektüre von Heinrich Manns Henry IV. zu diesem und dabei noch zu den französischen Häusern Valois zu dem von Bourbon, die heute noch in Spanien repräsentieren, nebenbei noch zu seinem Berater Michel de Montaigne und seiner englischen protestantischen Kollegin Elisabeth I., diese führt klar zu Philipp II. der natürlich an Karl V. denken lässt, den Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging und der so viele Kriege ausfechten musste, der wiederum nach seinem Großvater Maximilian I. über Luther richtete, was zur Reformation bringt, dabei denke ich zugleich an das Spanien, das Karl V als I. regierte, was mich zur Reconquista als Gegenbewegung zum sich aufbäumenden Protest gegen Ablass und Inquisition führt, diese in Spanien noch stärkte und von Karl geht es zu seinen Großeltern mütterlicherseits, die auch Schwiegereltern einst vom Vater von Elisabeth I. von England waren, dem berühmten Henry VIII. aus dem Hause Tudor, und die Karl von Aragon und Isabella von Kastilien hießen und zufällig die gleichen waren, die den im Glauben fanatischen genuesischen Kaufmann Christoph Kolumbus die Reise nach Indien auf westlichem Wege finanzierten und damit landen wir in Amerika und sind fast schon wieder in der Gegenwart, wo Obama wie verzweifelt noch lauter Aktionen startet, von denen jeder weiß, Trump wird sie schnell zurücknehmen, was gegen jede demokratische Sitte auch für eine lame duck verstößt.
Wen dies surfen zwischen Welten und Zeiten nicht fasziniert, der wird andere Wege und Brücken finden und suchen, um sich zurechtzufinden, wo immer ein Mensch zum erstenmal auf die großen Zusammenhänge stößt, die ein faszinierendes Netz offenbaren, in dem Kultur sich entfalten kann.
Es mag schön sein, Forschungsmittel dafür zu bekommen, sich einige Jahre damit zu beschäftigen, wie es fränkischen und hessischen Bauern während der Bauernkriege in ihren Ehen sozial erging. Dann muss natürlich zur Rechtfertigung noch irgendetwas scheinbar wichtiges zu diesem irrelevanten Thema veröffentlicht werden, denn Schlachten entschieden immer andere, auch wenn jeder Tropfen seine Rolle irgendwo spielt, politisch wichtige Entscheidungen trafen die Bauern auch eher nie, so wenig wie die Handwerker im engen Verbund ihrer Zünfte. Sie zu würdigen und ihrer sozialen Rolle gerecht werden wollen, klingt nett, ist aber nichts als geistige Onanie junger Dozenten auf der Suche nach Bedeutung, wenn dafür die entscheidenden Dinge vernachlässigt werden und die Köpfe und Familien, die erst Zusammenhänge weltweit verstehen lassen, vergessen werden.
Auch in der Kulturgeschichte gilt, das Netz ist der Zahlenstrang im Kopf, auf dem Ereignisse sichtbar werden und hervorstechen, es bildet den Rahmen, in dem bestimmte Personen und Familien manch Großes bewegten, während alles übrige wie immer geschah, was auch beim Blick auf die Sittengeschichte noch deutlicher wird. Es hat sich am Leben und an den Bedürfnissen der Menschen nicht wirklich viel geändert in den letzten Millionen Jahren, um so mehr an der Art, wie wir unser Zusammenleben organisieren. Es wird in der irgendwann Kulturgeschichte unserer Zeit und der Demokratie natürlich auch der Bürger als Stimmberechtigter eine größere Rolle spielen, vom Wutbürger bis zum besorgten Brüder, die wie damals die von Straßenkämpfen genervten an die Macht wählten.
Doch um einen Rahmen zu finden, sollten wir durch die Jahrhunderte zu fliegen lernen und nur die Leuchttürme als Orientierung kennen, um zu wissen, wo wir stehen und wer diese sind. Habe selbst seinerzeit in Hessen viel von diesem Unsinn gelernt, der dem Unterricht in Geschichte einen sozialdemokratischen Anstrich geben wollte. Wusste aber nichts von der Rolle der Medici, der Rolle der Katharina und der königlichen Vettern in der Bartholomäusnacht und hatte doch nichts davon, zu wissen, wieviel Quadratmeter durchschnittliche abhängige Bauern für die Eigenversorgung bewirtschafteten.
All dies ist Wissen für ein Lexikon des überflüssigen Wissens, in dem notiert würde, was niemand wissen muss, keinen weiteren Zweck erfüllt als Fakten zu liefern, die nichts an der Welt änderten.
Vielleicht ist meine Beschränkung auf bedeutende Ereignisse und Personen völlig asozial, adelsfixiert und elitär, aber sie gibt mir ein Netz jenseits von Beschäftigungstherapien für historische Soziologen, mit dem ich von jedem Punkt aus arbeiten und mich zurecht finden kann. Da mögen andere begabter sein, warum ich nicht über das, was mich vielleicht aufgrund meiner bescheidenen Mittel so gähnend langweilt, scharf urteilen - sondern nur feststellen, dass ich lieber nach oben schaue in der Geschichte, um zu verstehen, statt im Schlamm zu wühlen, da es den Überblick erleichtert.
jens tuengerthal 29.12.2016